Konferenz in Prag: Hilferuf osteuropäischer Journalisten
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Bekannte Journalisten aus Osteuropa wandten sich in Prag an die Öffentlichkeit. Oligarchen, rechtsradikale Schlägertruppen und Krieg untergraben die Pressefreiheit
Dramatische Schilderungen gab es am 27. November im "Europäischen Haus" in Prag. Acht Journalisten aus Osteuropa berichteten auf einer Pressekonferenz (Fotos) über massive Einschränkungen der Medienfreiheit. Die Referenten kamen aus folgenden Staaten: Moldau, Ukraine, Slowakei, Tschechien, Lettland, Serbien, Russland und "Volksrepublik Donezk".
Moderiert wurde die Veranstaltung von dem tschechischen Journalisten und Publizisten Pjotr Schantowski, der für seine Verdienste auf den Gebieten Kultur und Bildung eine Auszeichnung seines Landes bekam. Zu den Teilnehmern sprach auch Jaromír Bašta, der von 2000 bis 2005 Botschafter Tschechiens in Moskau und danach stellvertretender Außenminister seines Landes war. Organisiert hatte die Veranstaltung Jaromír Kohlíček, der für die KP Böhmen und Mähren im Europa-Parlament sitzt.
Ukraine - Kein Zugang für kritische Journalisten zum Regierungsviertel
Die Veranstaltung begann mit einem Vortrag des prominentesten Gastes, Ruslan Kotsaba. Der Journalist arbeitet beim Fernsehkanal NewsOne in Kiew. Der ukrainische Präsident, der bei den Wahlen nach Umfragen nur auf den dritten Platz kommt, wollte, so Kotsaba, mit der Einführung des Kriegsrechtes für einen Teil der Ukraine seine Popularität verbessern und die Menschen von ihren Alltagsproblemen ablenken. Außerdem gäbe die Einführung des Kriegsrechts "die Möglichkeit, alle Medien im Land mit einem hohen Rating unter Kontrolle zu stellen".
Der Journalist erklärte, die Menschen in Tschechien wüssten inzwischen, dass das Nachbarland Ukraine "international einen Spitzenplatz hat bei der Korruption, bei der Kindersterblichkeit, bei Krankheiten wie Tuberkulose und HIV-Erkrankungen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich die wirtschaftliche Lage in der Ukraine verbessert. Die Gesundheitsversorgung ist nicht mehr funktionsfähig. Ich nenne das einen Genozid."
Der Fernsehkanal NewsOne, für den er arbeite, habe große Probleme, berichtete Kotsaba. "Der Fernsehkanal soll geschlossen werden." Schon jetzt sei die Lage so, dass die Journalisten von NewsOne faktisch nicht im Regierungsviertel arbeiten können. "Kaum taucht dort ein Kamera-Team von uns auf, schickt die Regierung Neonazis, die unter Kontrolle des Geheimdienstes stehen. Diese Neonazis greifen unsere Journalisten an." Selbst Frauen würden angegriffen. Auch Kotsaba selbst war schon mehrmals Opfer von rechtsradikalen Überfällen.
Der Journalist saß wegen einem Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung 524 Tage im Gefängnis (Ukrainischer Geheimdienst verhaftet ukrainischen Journalisten). Im Juli 2016 wurde Kotsaba nach internationalem Druck aus dem Gefängnis entlassen. Zurzeit läuft gegen Journalisten ein Verfahren wegen Landesverrat.
Kotsaba berichtete von weiteren Fällen der Journalistenverfolgung in der Ukraine (Journalisten fliehen ins Ausland). Die Journalisten Wasili Murawitzki und Dmitri Wasilеz saßen mit der Beschuldigung, sie hätten für prorussische beziehungsweise separatistische Medien gearbeitet, im Gefängnis. Seit Mai dieses Jahres sitzt wegen angeblichem Landesverrat der Büroleiter der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti, Kirill Wischinski, hinter Gittern (Ukraine im Informationskrieg).
Kotsaba beendete seine Rede mit einem Aufruf an Politiker und Personen des öffentlichen Lebens in Tschechien, die den Maidan in Kiew unterstützt hatten. Karel Schwarzenberg, Ivan Gabal, Fedor Gala und Michael Kocab sollen "uns ukrainischen Journalisten helfen, die Grundlagen der Demokratie vor der jetzigen ukrainischen Macht zu schützen".
Russland - "Medienlandschaft lebendig und vielfältig"
Der zweite prominente Journalist, der auf der Pressekonferenz sprach, war Andrei Babitsky. Er arbeitete von 1989 bis 2014 für den US-Auslandssender Radio Swoboda. Als der Journalist 2014 das Referendum auf der Krim und die Vereinigung der Halbinsel mit Russland begrüßte, wurde er von Radio Swoboda entlassen. Babitsky, der oft auf der Krim war, weil dort die Eltern seiner Frau lebten, erklärte vor seiner Entlassung, dass er aus eigenem Erleben wisse, dass die Stimmung auf der Krim immer pro-russisch war.
Auf der Pressekonferenz setzte sich Babitsky mit dem Vorwurf der russischen Liberalen auseinander, das "freie Wort" in Russland werde vom Kreml unterdrückt. Der Journalist erklärte, die Präsidentschaftswahlen in Russland hätten gezeigt, dass nur wenige Prozent der Wähler für die Kandidaten der Liberalen stimmen. Aber für diese wenigen Prozent gäbe es in Russland mehrere Medien, den Fernsehkanal "Doschd", "Radio Echo Moskwy" - der vom staatlichen Gasprom-Konzern finanziert wird - und das St. Petersburger Internet-Portal Fontanka.ru. Außerdem gäbe es im Internet zahlreiche Auftritte russischer Blogger, in denen Putin und das russische System scharf kritisiert werden. Einer der schärfsten Kritiker des russischen Präsidenten, Aleksej Navalny, haben seinen YouTube-Kanal.
Nichtbeachtung des NGO-Gesetzes
Dass die liberalen Medien in Russland keine finanziellen Probleme haben, belegte Babitsky mit einem Beispiel. Innerhalb von wenigen Tagen habe die Herausgeberin der 2017 eingestellten Zeitschrift "The New Times", Jefgenja Albats, zwanzig Millionen Rubel (266.000 Euro) Spendengelder eingesammelt. Mit diesem Geld konnte sie Strafen bezahlen, welche die russischen Behörden gegen "The New Times" verhängt hatten.
Die Strafen mussten bezahlt werden, weil das Wochenmagazin die Überweisungen von ausländischen Geldgebern den russischen Behörden nicht rechtzeitig mitgeteilt hatte, wie es nach dem 2014 beschlossenen russischen NGO-Gesetz vorgeschrieben ist.
Die Medienlandschaft in Russland sei lebendig und vielfältig, erklärte Babitsky. Die Beschwerden aus dem Westen, kritische Meinungen in Russland würden unterdrückt, seien übertrieben. Das Bild von Russland sei von liberalen Medien geprägt worden, welche mit ihren Sichtweisen und Themen die öffentliche Debatte in Europa dominiert haben.