Kongress statt Partei

Die PKK hat sich neu genannt und will nun nicht nur in der Türkei dazugehören

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Die Kurdische Arbeiterpartei existiert nicht mehr. "Kongress für Freiheit und Demokratie Kurdistans" (KADEK) soll die Bewegung von nun an heißen, das haben die Europasprecher Riza Erdogan und Adem Uzun unlängst in Brüssel verkündet. "Die Entstehungsgrundlage der PKK war die Vernichtungspolitik der Türkei gegen die Kurden", erklärte Uzun den Schritt. Seit ihrer Gründung habe die Partei die "gemeinsamen Identität" der Kurden gefördert. Beim vergangenen Newroz-Fest, dem Nationalfeiertag der Kurden, war in der Türkei im März eine Rekordbeteiligung zu verbuchen. Uzun sieht das als Bestätigung, dass die PKK ihr Ziel der Organisierung der Kurden erreicht habe.

Mit der Bekanntgabe der Beschlüsse des 8. Parteikongresses, der vom 4. bis zum 10. April 2002 mit 285 Delegierten wohl im nordirakischen Teil von Kurdistan stattgefunden hat, haben die seit Monaten andauernden Spekulationen über die Selbstauflösung der PKK ein Ende.

Adem Uzun indes legt Wert auf die Feststellung, dass die PKK nicht aufgelöst wurde. "Es war ein langer Prozess der Diskussion" sagt er, und am Ende habe die Entscheidung gestanden, den KADEK zu gründen. Eine Partei könne die Aufgaben, die vor dem kurdischen Volk lägen, nicht mehr erfüllen. "Unser Kongress hat nun festgestellt, dass die PKK mit der Verwirklichung des kurdischen nationalen Erwachens ihre historische Mission vollendet und somit unwiderruflich ihren Platz in der Geschichte eingenommen hat", erklärte auch Erdogan. Alle Tätigkeiten unter dem Namen der seit 1994 in der Türkei aktiven PKK seien mit sofortiger Wirkung einzustellen.

Der KADEK will die in allen Teilen Kurdistans aktiven Parteien und Organisationen fördern. Im Irak wurde zu diesem Zweck Anfang April bereits die Partei der Demokratischen Lösung in Kurdistan gegründet. In der Türkei wird wohl die von einem staatlichen Verbot bedrohte Demokratiepartei des Volkes die Unterstützung des neuen Kongresses genießen. Der KADEK forderte die kurdische Bevölkerung in allen Teilen Kurdistans dazu auf, mit der Bevölkerung der jeweiligen Länder auf freiwilliger Basis die Einheit zu suchen.

Der bewaffnete Kampf, mit den die PKK in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen geraten ist, wurde damit ein für alle Male beendet. Zwar nehme man sich weiter das Recht auf Selbstverteidigung vor, so Uzun, die Taktik werde künftig aber nicht durch den Gebrauch von Waffen bestimmt. Damit geht die umbenannte PKK eindeutig auf Kompromisskurs zur türkischen Regierung. Der Dialog wird gesucht, obwohl die Politik Ankaras gegenüber der kurdischen Bevölkerung der Türkei sich kaum geändert hat. In den vergangenen Wochen erst sind Hunderte kurdische Studenten und Professoren festgenommen worden, weil sie für muttersprachlichen Unterricht Unterschriften sammelten.

Von der neuen Haltung erhofft sich der KADEK vor allem breitere Akzeptanz auf europäischer Ebene. Immerhin war die PKK in Deutschland und Großbritannien verboten und wurde auch von Washington ins Visier genommen, weil sie gegen die Interessen des strategischen Partners Türkei vorging. Nun spricht sich der KADEK sogar für die EU-Mitgliedschaft der Türkei aus und will in europäischen Städten Büros eröffnen.

Bislang stützte sich die PKK auf ein breites mediales Netz. Der kurdische Fernsehsender MED-TV etwa wird aus Belgien mit einer britischen Lizenz ausgestrahlt. Ergänzt wird die mediale Basis durch die Tageszeitung "Özgür Politica" (Freie Politik) - und eben das Internet. Der Verfassungsschutz gesteht in einer jüngeren Studie zur Präsenz islamischer Gruppen im Internet ein, dass in diesem Spektrum, zu dem der Verfassungsschutz auch die PKK zählte, "zunehmend Erfahrungen im Gebrauch der elektronischen Medien (und) kodierter Informationsübermittlung" gesammelt würden. Insbesondere das Angebot in arabischer Schrift habe stark zugenommen, was der Kölner Behörde beim Versuch der Auswertung reichlich spanisch vorkommen dürfte.

In der Vergangenheit ist es der PKK durchaus gelungen, die Kommunikation zur beachtlichen Basis (nach Schätzungen der Bundesregierung sind das rund 40.000 Sympathisanten) in Deutschland trotz Verbot aufrechtzuerhalten. Durch Umbenennung und neue Demokratiebekenntnisse versucht die Bewegung nun aus der Illegalität zu treten. Von der Bundesregierung gibt es bislang dazu keine Stellungnahme. Die Regierung in Ankara bezeichnete den Schritt als "taktisches Manöver".

Die Führung des Kongresses hat ein elfköpfiges Gremium übernommen, Vorsitzender ist weiterhin Abdullah Öcalan. Auf die Frage hin, ob es nicht problematisch sei, weil sich der ehemalige PKK-Chef doch auf einer türkischen Gefängnisinsel befinde, entgegnete Uzun: "Unser Vorsitzender hat auch unter schwierigsten Bedingungen an Freiheit, Demokratie und Frieden festgehalten". Deswegen sei er aus der kurdischen Freiheitsbewegung nicht wegzudenken.