Konjunktur für Killer

Computerspieler können bei organisierten Multiplayer-Turnieren mit ihren Skills und Sponsorengeldern zunehmend gutes Geld verdienen

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Die boomende Wachstumsbranche der Computerspiele beginnt sich für jugendliche Meister der Netzwerkspiele auszuzahlen.Die amerikanische Cyberathlete Professional League CPI und internationale Tochter-Organisationen organisieren sogenannte Tournaments, bei denen junge Cracks in virtuellen Duellen ihre Geschicklichkeit unter Beweis stellen und saftige Preisgelder einstreichen können. Es gibt bereits Agenten, die besonders gute Spieler managen und mit Sponsoring-Verträgen dafür sorgen, dass ihre Schützlinge bis zu sechsstellige Jahreseinkünfte erreichen.Die Spieler sollen renommierten Sportathleten gleichgestellt werden

Besorgte Eltern können aufatmen: der Sprössling, der seine Tage zwischen Schule und Schlafengehen ständig mit Ballerspielen vorm PC verbringt, ist nicht unbedingt als mittelloser Rohling auf dem Weg ins soziale Abseits. Vielleicht kann er mit seiner Leidenschaft einmal sogar reich werden - wenn er gut genug ist. Seit Juni 1997 gibt es in den USA die Organisation "Cyberathlete Professional League", die ihren Sitz in Dallas hat und Turniere, sogenannte Tournaments, für Computerspieler mit ständig steigenden Preisgeldern organisiert. Außerdem veranstaltet sie Software- und Hardwareausstellungen. Die CPI-Gründung war eine Reaktion auf den weltweiten Siegeszug der Online-Games, der 1996 mit der Veröffentlichung des berühmt-berüchtigten First-Person-Shooters Quake von ID Software - begleitet von der beschleunigten Ausbreitung des Internets - begonnen hatte. Das in Deutschland indizierte Spiel setzte nicht nur grafisch neue Maßstäbe, sondern war erstmals auch für den sogenannten Multiplayer-Modus ausgelegt. Neben dem Umnieten der Monster im herkömmlichen einsamen "Single Player"-Modus konnte man jetzt in einem lokalen Netzwerk oder über einen Web-Server mit anderen Spielern verbunden sich in virtueller Umgebung gegenseitig eins überbraten.

Das macht natürlich einen Höllenspaß. Nicht nur den juvenilen Gewalt-Afficionados, sondern auch der Computerindustrie, da die technische Entwicklung und damit einhergehend der Absatz entscheidend von Spielen angetrieben wird. Einen Intel Pentium 4 oder AMD Athlon mit 1,3 GHz muss man sich in erster Linie zulegen, damit auch die neuesten Games darauf laufen, nicht unbedingt für Emails. Auch die Entwicklung der Grafik- und Soundkarten richtet sich entscheidend nach den Bedürfnissen der Spielentwickler. Ein lukratives Geschäft also für das Joint Venture der Hersteller von Hardware und Spiele-Software. Jedes ernstzunehmende Spiel muss seitdem auch für die immer beliebteren Deathmatches ausgelegt sein. Quake III-Arena von 1999 wurde von ID Software dann als erster 3-D-Shooter sogar ausschließlich für den Multiplayer-Modus konzipiert. Das - vielleicht von "Duke Nukem 3D" abgesehen - beliebteste Spiel aller Zeiten ist aber Half-Life von Valve und hat dementsprechend mit Team Fortressund besonders Counter-Strike bereits zwei vielverkaufte Multiplayer-Modifikationen, die auf der HL-Engine basieren. Counter-Strike, ein Anti-Terror-Szenario, ist das beliebteste Online-Spiel für Deathmatch-Fans überhaupt, gefolgt von Unreal Tournament.

Valve zeigt seine Wertschätzung für CPL etwa damit, dass es eine Beta-Version seiner neuen "Multicast Spectator"-Software (die es ermöglicht, Gefechten aus der Vogelperspektive zuzuschauen) demnächst exklusiv bei einem von der CPL veranstalteten Turnier zeigt. Der boomende Markt gibt also viel Geld her und ernährt bereits eine erkleckliche Zahl an professionellen Spielern. Der britische Topspieler Sujoy Roy wurde vom angeblich allerersten CPL-Agenten Roland Glover unter Vertrag genommen. Roy hat fürs Telefragging sogar seinen gutdotierten Job bei der Investmentbank JP Morgan aufgegeben und soll ein sechsstelliges Jahreseinkommen haben. Die Zentren der Spieler-Szene sind derzeit aber noch die USA und Südkorea, wo geschätzt bisher etwa 1000 Profi-Gamer ihr Hobby erfolgreich zum Beruf gemacht haben. Ein Amerikaner mit Künstlername "Fatality", der die Spieler-Rangliste 2000 anführte, hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr mehr als 160.000 Dollar verdient. Bei den "World Cyber Games", die Ende 2001 in Südkorea ausgetragen werden, werden Preisgelder in Höhe von 250.000 US-Dollar zu erringen sein.

In Europa wird noch auf bescheidenerem Niveau agiert. Die im Februar 2000 gegründete CPL Europe hat im Oktober 2000 in Kopenhagen das bisher größte europäische Turnier mit knapp tausend Teilnehmern veranstaltet. Anfang August diesen Jahres wird in London die CPL-Europameisterschaft abgehalten, Ende August findet ein Preisturnier in Berlin statt. Weitere internationale Ableger sind CPL Asia , CPL Latin America und CPL Pacific . Die Computerspiel-Turniere sollen nach dem Wunsch von CPL-Gründer Angel Munoz auf das Niveau professioneller Sportwettbewerbe angehoben werden (wo es ja auch um viel Geld geht) und den Spitzenspielern damit allgemeine Anerkennung als seriöse Athleten bringen. Analysten schätzen, dass sich der weltweite Marktwert für Online-Spiele binnen weniger Jahre auf mehrere Milliarden Mark erhöht haben wird.

Gefragt sind von der Industrie in Zukunft daher smarte Werbeträger im Twentysomething-Alter mit einer guten Portion Charisma. Sie sollen helfen, die immanenten Imageprobleme durch das Klischee vom pickligen Teenie-Nerd, der sich an extremer Brutalität der Ballerspiele (und nur um solche geht es bei Online-Turnieren ja) aufgeilt, zu korrigieren. Da in Deutschland immer noch viele Spiele des Shooter-Genres indiziert werden, darf man gespannt sein, wie das funktionieren kann.