Konsumenten kommen ins Korsett der Umweltpreise
Neue OECD-Empfehlungen zu einer umweltbezogenen Preisgestaltung
Die OECD springt der EU-Kommission zur Seite, beim Konsum wird jetzt Klartext gesprochen, und es wird teuer für die Bürger. Glühlampenverbot und Energiesparlampenzwang haben die Verbraucher noch widerwillig und auch verunsichert zur Kenntnis genommen. Beim E10-Treibstoff gibt es schon nennenswerten Widerstand, bei den künftigen Vorhaben, die Lebenswelt zu ökologisieren, kann allerdings eine Konsumrevolte blühen. Kein klassischer Verbraucherboykott, sondern ein Aufstand der Bürger für ihren gewohnten Konsum. Wutkonsumenten gegen ökologische Preiserhöhungen, sozusagen.
Die OECD ist den meisten Menschen, insbesondere den Eltern, durch die PISA-Studien ein Begriff. Aber sie, die "Organisation for Economic Cooperation and Development" ist weit mehr als nur dieses PISA, sie ist ein nach den Zweiten Weltkrieg erfolgter Zusammenschluss der westlichen Industrienationen, der als Think-Tank für Wirtschaftsentwicklung, Wirtschaftswachstum, Entwicklungszusammenarbeit, Lebensqualität und andere klassisch demokratisch-marktwirtschaftliche Ziele eintritt.
Die Zentrale der OECD ist in Paris und arbeitet für die 34 Mitgliedsstaaten (Deutschland, Österreich und die Schweiz gehören dazu, die USA natürlich auch, ebenso Japan) mit einem Jahresbudget von rund 330 Millionen Euro Empfehlungen aus. Diese werden von den Administrationen, also den Ministerialbeamten der Mitgliedsstaaten üblicherweise recht ernst genommen. Und wir wissen ja, zu welchem Spektakel und hektischen politischen Aktivitäten in den einzelnen Ländern die PISA-Ergebnisse immer wieder führen. Neben der WTO (World Trade Organisation) und der EU-Kommission ist die OECD gewissermaßen ein dritter überstaatlicher Dirigent der traditionellen Marktwirtschaft. Ihr geht es heute – den modernen Zeiten folgend - vor allem um ein "grünes Wirtschaftswachstum".
Und nun die Umwelt
Mit dem schönen Schlagwort: Environment: Households going green hat vor einigen Tagen die OECD eine Studie ans Licht der Öffentlichkeit gebracht, die beschreibt, wie die privaten Haushalte, die Verbraucher also, durch die Politik in Zukunft auf "grün" getrimmt werden sollen. Basis für die politischen Handlungsanleitungen war die Befragung von zehntausend Haushalten in zehn OECD-Ländern – Deutschland, Österreich und die Schweiz waren übrigens nicht dabei.
Die Studie selbst heißt etwas anders als die Ankündigung, nämlich: Greening Household Behaviour: The Role of Public Policy, denn die Verbraucher selbst wollen nicht so grün werden, sie wollen nicht verzichten. Sie müssen erst durch die Politik dazu gebracht werden.
Und da kommt einiges auf unsere, bis zu einem gewissen Grad schon wohlstandsverwöhnte Gesellschaft zu. Es geht offenbar nicht anders: Rohstoffe, Energie, Wasser gehen zur Neige. Es muss gespart werden. Die übernationalen Think-Tanks beginnen, die Nationalstaaten in die Pflicht zu nehmen. Dies, da die nationale Politik oft feig und verlogen herumrudert, von Einschnitten ist da keine Rede, die Politiker wollen schließlich wiedergewählt werden. Das ist nicht nur bei der Finanzkrise so, auch bei den Umweltfragen drückt und biegt sich die nationale Politik.
Grün durch Preissteuerung oder Verbote
Dazu Motivation durch Information und Appell an die Bürgerpflichten. "Regierungen der OECD-Länder (haben) eine Vielzahl von Maßnahmen eingeführt, die die Verbraucher dazu bewegen sollen (Hervorhebung nicht im Original), bei ihren Kaufentscheidungen und ihrem Verhalten Umwelteffekte stärker zu berücksichtigen", heißt es dabei in der deutschen Zusammenfassung. Das passende Beispiel folgt sofort:
Unter den in jüngerer Zeit in diesem Bereich eingeführten Maßnahmen sind u.a. die Abschaffung der herkömmlichen Glühbirne (…) zu nennen.
Eine Konsumsteuerung durch Preise, durch eine Kosteninternalisierung, gab es dabei nicht, das radikale Verbot haben die Bürger murrend geschluckt. Es geht also doch, wie man sieht, auch mit an sich unpopulären Verboten.
Nun, bei der OECD-Studie dreht es sich nicht um das alberne und eher kosmetische Glühlampenverbot, sondern um substantielle Umweltfragen, um Energie, Wasser, Kraftstoffe, Abfall und Biolebensmittel. Generell sollen durch preisliche Maßnahmen die verbrauchten Mengen reduziert und damit die Emissionen gesenkt und der Ressourcenbestand gewahrt werden. Durch Preisgestaltung soll der private Konsum grün werden. Und zwar durch eine Preisgestaltung, bei der Verbraucher keine oder nur wenig Wahlfreiheit haben. Denn die Bereitschaft, etwa für erneuerbare Energie freiwillig einen kleinen Mehrpreis zu bezahlen, ist gering, so die Meinung der befragten Bevölkerung. Und da muß man etwas tun, wenn es mit der Nachhaltigkeit ernster werden soll.
Verhaltenssteuerung durch höhere Preise
Die Studie beschreibt das in dieser Schärfe nicht so direkt, sondern etwas verschämt, aber die Administrationen wissen schon, wie es gemeint ist. Es geht um Preiserhöhungen für nichtnachhaltigen Konsum. Mieter etwa machen – anders als Wohnungseigentümer - nichts für Wärmedämmung, da ihnen ja die Wohnungen nicht gehören, und die Vermieter machen auch nichts, da die Kosten eben die Mieter tragen und nicht die Eigentümer. "Staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt können solche Hindernisse verringern helfen, sie müssen jedoch umsichtig gestaltet werden", heißt es.
Für Umsicht empfiehlt sich ein Blick in den zeitnah dazu veröffentlichen Energy Efficiency Plan 2011 der EU. ESCOs, Energy Service Companies, sollen "as catalysts for renovation" fungieren. Das ist grünes Wachstum, ein neues Feld für Unternehmen. Ein halb ökoplanwirtschaftlich angestoßener Impuls für die Marktwirtschaft.
Der echte Verbrauch
Abgesehen vom Wohnungsmarkt, auf was sollten sich die Haushalte bzw. die Verbraucher gefaßt machen? Auf eine durchgehende mengenabhängige Tarifierung. Für Mitteleuropa an sich eine Selbstverständlichkeit (ausgenommen bei Wasser und Hausmüll in Wohnhausanlagen) ist die Bezahlung der vom Haushalt verbrauchten Menge, das soll jedoch überall kommen, bis hin zum PKW-Verkehr. Flat-Rates sollen, so die OECD, komplett wegfallen und durch vollständige Volumentarife ersetzt werden.
Was heute schwer wird, schon beim Hausmüll in einer Wohnhausanlage, denn dafür müsste man viel an diesen Anlagen ändern. Beim Trinkwasser geht das hingegen ziemlich leicht, dazu wird es ein Geschäft für die Hersteller der künftig fernauslesbaren Wasserzähler werden, schafft also grünes Wachstum. Bei der Elektrizität in den Haushalten werden überdies die Smarten Stromzähler und das Smart Home nachhelfen. Selbst Schuld, wer abends teure Energie verkocht, das kann er/sie auch um drei Uhr Früh billiger machen. Geht doch, wenn man will. Die Verbraucherprobleme interessieren dabei niemanden, nicht einmal die Grünen.
Den kleinen Dingern geht’s an den Kragen
Insgesamt gesehen, sagt die Studie, verursachen die Haushalte 30 Prozent des heutigen Energieverbrauchs und 20 Prozent des in die Luft geblasenen CO2. Diese Anteile steigen sehr schnell, da immer mehr Haushalte "cell phones, home computers and small appliances" kaufen.
Da hat die OECD schon recht. Die Gadgets werden immer kleiner, billiger und die Kinder werden von ihren wohlmeinenden Eltern immer mehr damit vollgestopft. Weil sie so klein sind, werden die Umweltkosten dieser Dinger und die von ihnen erzeugten Energielasten völlig unterschätzt.
Das Auto
Preissteigerungen bei der Energie werden die Boulevardmedien zum Aufheulen bringen: "Sprit-Wucher! 2010 teuerstes Jahr aller Zeiten für Autofahrer" (Bild) "Preisschock beim Treibstoff. Autolenker sind empört: Stoppt den Sprit-Wucher!" (Heute).
Ziemlich klar wird aus der Studie, daß die Treibstoffpreise steigen werden. Nur mit besseren öffentlichen Verkehrsangeboten allein bekommt man diese Bürger nicht dazu, weniger mit dem Auto zu fahren. Da sind sie zu bequem, zu faul, die heutigen Preise sind zu wenig verhaltenswirksam.
Auch hier hat die EU die Alternative: Nur mehr Elektroautos dürfen in die Städte von morgen. Die ignoranten Wohlhabenden und die unbelehrbaren Armen ebenso, werden sich dann ein Elektroauto zulegen müssen. Neue Autos, das nützt der Industrie, ist sozusagen grünes Wachstum.
Nur so nebenbei: auch wenn es zu diesen nachhaltigkeitsbenannten Sparprogrammen der Bürger kommen wird, bei den Umsätzen und insbesondere bei den Erträgen der Anbieter wird es keine Einbrüche geben, darauf kann gewettet werden. Nicht umsonst kommt der Begriff des grünen Wachstums so häufig vor.
Verlustängste - kein kleiner Luxus mehr?
Schauen wir einmal genauer hin. Beim Widerstand der Verbraucher (und Bürger) gegen eine ökologische Zwangsorientierung des Konsumverhaltens geht es vor allem um Verlustängste. Bislang Gewohntes, der vertraute, wenn auch mit einem schlechten Gewissen verbundene Lebensstandard, wird als bedroht angesehen, ebenso die gewohnte (häufig allerdings nur virtuelle) Wahlfreiheit. Den Verlust der mühsam erarbeiteten kleinen und billigen Konsumchancen, von denen man sich einige kleine Stückchen mehr Glück erwartet, wird gefürchtet wie die Pest.
Was die Politik heute völlig übersieht, da sie solche grundsätzlichen Kontexte nicht mehr verstehen kann, ist, daß es eine befriedete Gesellschaft braucht, um eine Wende zur Nachhaltigkeit zu schaffen. Nur in einer friedvollen Gesellschaft haben die Menschen keine Angst vor materiellen Verlusten, sprich Einbußen beim Konsum, da Lebensqualität dann auch immateriell bestimmt ist. Aber nicht in unserer aggressiven Wettbewerbsgesellschaft und Konsumkultur, denn da reagieren die Menschen aufgeregt, unnachsichtig und wütend, wenn ihnen Konsummöglichkeiten weggenommen werden sollen. Lebenschancen der nächsten Generationen oder des Südens interessieren dabei die Verbraucher mehrheitlich nicht. Das ist viel zu weit weg.
Negative Verteilungseffekte - und die Politik?
Natürlich sind den Autoren der Studie die negativen Verteilungseffekte bekannt, die mit der Internalisierung von Umweltkosten, also der Hochpreissetzung von Verschwendung, die es heute zweifellos vielfach gibt (bei Lebensmittel etwa), verbunden sind. Sie empfehlen daher Maßnahmen zur Einkommensumverteilung, damit nicht die Armen über Gebühr büßen müssen, und die heute schon große Schere zwischen Reichtum und Armut weiter auseinander getrieben wird.
Aber ist eine Hoffnung auf Umverteilung heute realistisch? "In einer politischen Landschaft, die von reaktionären Tories und verlogenen Labour-Politikern beherrscht wird", wie das Raymond Geuss in der Zeit, in Hinblick auf Bildungschancen genannt hat? Allenthalben Politikversagen und das Misstrauen der Bürger in die Exponenten der repräsentativen Demokratien nimmt weiter zu. Wahrscheinlich ist eher:
Wir alle werden dramatisch verlieren.
Felix Ekhardt
Auch die Medien scheinen hier keine große Hilfe für die Bürger zu sein, denn die Medien sind von Mengeneffekten getrieben, vom Anzeigenverkauf und einer Zwangsaufmerksamkeitsbewertung. Fehlwahrnehmungen sind dort auf der Tagesordnung.
Ein exemplarisches Beispiel für Wirklichkeitsdiffusion stellte jene Moderatorin dar, die dieser Tage (ich habe die Quelle vergessen, den Inhalt nicht – übrigens eine menschlich ganz typische Wahrnehmungsstruktur) über filmisch gezeigte Tsunamiauswirkungen in Japan sagte: "Es sieht aus wie in der Kulisse eines Katastrophenfilms." So medial deformiert sind wir Menschen mittlerweile schon: zur Realitätsbeschreibung werden Filme als Maßstab hergenommen.