Kosmogramm für ferne Intelligenzen

Seite 4: Signal mit Schwächen

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Wie dem auch sei - das stärkste künstlich generierte Signal, das unseren Planeten jemals verlassen hat, hat auch seine Schwächen. Einerseits ist die Sendedauer des Kosmogramms höchst bescheiden, andererseits ist es auf einen klassischen Kugelsternhaufen gerichtet, in dem vergleichsweise alte Sterne mit Planeten existieren, die größtenteils aus Gas bestehen und wo schwerere Elemente eine absolute Rarität sind - und ergo Gesteinswelten eher seltener anzutreffen sein sollten.

Es ist auch nicht sicher, ob das Arecibo-Piktogramm jemals sein Zielgebiet erreicht, weil beim Entsenden der Botschaft Drake & Co. schlichtweg die Eigenrotation unserer Milchstraße nicht berücksichtigt haben. Dort, wo das Signal in knapp 25.000 Jahren auf den Kugelsternhaufen M13 treffen soll, wird mit größter Wahrscheinlichkeit nur leerer Raum sein. Die kleinere Materieoase M13 könnte dann schon viele Lichtjahre vom "Ankunftsort" des Signals entfernt sein.

Auch die im Dechiffrieren versiertesten Extraterrestren müssten zudem einige gedankliche Hürden meistern, um den aus Nullen und Einsen bestehenden Binärcode der Arecibo-Nachricht zu entschlüsseln. Sie müssten das Bildrätsel im Sinne ihrer Urheber interpretierten. Sie müssten zunächst einmal die Abfolge von 1 und 0 in einem Gitternetz als Schwarzweißbild anordnen. Sie müssten fernerhin die Zahl 1679, also die totale Anzahl der Signal-Bits, in die einzigen beiden Primfaktoren 23 und 73 zerlegen, um die Größe der Matrix zu definieren. Denn beide Werte geben die Länge und Breite des Rechteckes vor, in dem die Informationen abgebildet sind.

Ryles Ärger

Trotz der geringen Wahrscheinlichkeit, dass die Flaschenpost jemals von einer außerirdischen Technologie aus dem kosmischen Wellenmeer gefischt wird, verurteilten einige Wissenschaftler die Leichtsinnigkeit und Arglosigkeit der SETI-Forscher. Diese hätten das Signal zu schnell und zu freimütig ins All gefunkt. Am deutlichsten brachte der Radioastronom und britisch-königliche Hofastronom Sir Martin Ryle (1918-1984) seinen Ärger zum Ausdruck. Nachdem die Nachricht über das Piktogramm von Arecibo über die Ticker gegangen und von vielen Zeitungen sensationslüstern kolportiert worden war, schimpfte der Brite über die in seinen Augen verantwortungslose, spontane und höchst gefährliche Aktion.

Martin Ryle erhielt 1974 zusammen mit Antony Hewish den Nobelpreis für Physik. Bild: The Nobel Foundation 1974

In einer Petition an den Präsidenten der Internationalen Astronomischen Union (IAU) kritisierte er die Naivität von Frank Drake und die seiner Kollegen mit barschen Worten. Diese hätten die Position der Erde mit der Arecibo-Nachricht leichtfertig verraten, so Ryle. Böswillige und aggressive außerirdische Zivilisationen könnten theoretisch, von dem Signal ermutigt, einen kosmischen Eroberungsfeldzug mit dem Hauptziel Erde starten. Man könne nie wissen, ob es dort draußen feindselige oder hungrige Geschöpfe gebe, die, sollten sie von uns erfahren, uns angreifen oder sogar auffressen, argumentierte Ryle.

Auch wenn seine Äußerungen seltsam anmuteten und von anderen Wissenschaftlern eher mit einem Lächeln quittiert wurden - gefährlich war die Botschaft aus dem Regenwald in der Tat. Nimmt man die San Marino Skala als Maßstab, dann war die Transmission der Arecibo-Flaschenpost zweifelsfrei fahrlässig und waghalsig.

San Marino Scale Bild: SETILeague

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