Krieg der Zukunft schon gestern im Kino

Die Entwicklung letaler autonomer Drohnen ist weit fortgeschritten. Massenkulturell hat man entsprechenden Waffensystemen schon seit langem den Boden bereitet

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Das militärisch geförderte Unterhaltungsprodukt imponierte schon 2005 mit pseudomoralischen Diskursen über unbemannte Waffensysteme und autonome "elektronische Entscheidungskompetenzen"

Die Beteiligung an der Ermordung von Menschen mittels modernster Militärtechnologie und aus "anonymer" Distanz macht gerade jene Soldaten krank, die sich noch ein hohes Maß an Autonomie und seelischer Gesundheit bewahren konnten.

Die Bedienung einer auch sonst im Alltag vertrauten elektronischen Tastatur bzw. eines "Joysticks" soll verschleiern, dass man Leiden verursacht und Verbrechen ausführt. Dieser Lüge kann auf Dauer jedoch nur ein Mitarbeiter des Kriegsapparates Glauben schenken, der sich chemisch oder auf andere Weise betäubt. Bei zunehmender Aufklärung gibt es für die Betreiber des militärischen Mordkomplexes nur einen Ausweg: Die "Maschinen" selbst müssen entscheiden, welche menschlichen Personen als Mordopfer ausgewählt werden.

Die Entwicklung letaler autonomer Waffensysteme ist zur Stunde bereits sehr weit fortgeschritten (Autonome Kampfroboter: Wettrennen zwischen Ingenieuren und Diplomaten) Christoph Marischka zitiert in einem aktuellen IMI-Beitrag Experten, die die rasante Entwicklung von Waffen mit sogenannter "Künstlicher Intelligenz" geradezu für unausweichlich halten. Der Weg hin zu "autonomen Drohnen" etc. sei nicht mehr zu stoppen.

Das Kino bereitet schon seit langem den Boden für Akzeptanz

Massenkulturell hat man den Boden für entsprechende Waffensysteme schon seit langem bereitet (Krieg als Computerspiel). Ein vergleichsweise junges Kinobeispiel aus dem letzten Jahrzehnt ist der Film Stealth (USA 2005). Das Produktionsbudget lag bei 130 Millionen US-Dollar. Auf unterhaltsame Weise sollte dieses Werbeprodukt für die U.S. Navy den Zuschauern vor allem die Utopie einer omnipotenten Militärmaschinerie schmackhaft machen.

Zu diesem Zweck setzte man der Technologie aus den Zukunftswerkstätten des Krieges vorauseilend auch eine moralische Tarnkappe auf. Die nachfolgende Vorstellung dieses Militainment-Titels ist weitgehend dem Telepolis-Buch Bildermaschine für den Krieg (2007) entnommen.

Der Vorspann des Films benennt vorab Bedrohungsszenario und strategisches Lösungsangebot:

U.S. Naval Air Force in naher Zukunft: Um die wachsende Bedrohung durch den Terrorismus zu bekämpfen, wurde ein neues Projekt entwickelt mit hochentwickelter, modernster Technologie (with the most advanced and experimental technology). Seine Aufgabe besteht darin, den Feind zu vernichten, wo auch immer er auf der Welt operiert.

Die Notwendigkeit eines starken militärisch-industriellenKomplexes steht außer Frage. Über 400 Piloten bewerben sich für dieses Projekt der Navy. Ausgesucht werden schließlich Ben Gannon, die Karrierefrau Kara Wade und der "Afroamerikaner" Henry Purcell. Das Trio besteht aus jungen, modernen und lebensfrohen Soldaten, die ihre digitalen Hausaufgaben mit Leichtigkeit bewältigen.

In der Wüste Nevada absolvieren sie in Stealth-Bombern rasante Überschallflüge. Die Trainingsoperationen unterscheiden sich im Bild kaum von den Simulationen eines Videospiels und umfassen auch die Zerstörung unterirdischer Terroristenhöhlen. Cocktailbar, moderne Medientechnologie, Musik und sportliche Fitness gehören zur privaten Freizeitgestaltung der Elitepiloten.

Der "Tinman" als neues Teammitglied

In der entscheidenden Projektphase wird dem Team vom vorgesetzten Einsatzleiter Captain George Cummings ein neues Mitglied der Staffel vorgestellt. Es ist "die Zukunft der digitalen Kriegsführung": ein unbemannter hypermoderner Stealth-Überschallflieger, ausgestattet mit der allerneuesten Tarnkappentechnologie und gesteuert durch das Superhirn eines Quantenprozessors. Die Überlebensfähigkeit dieses Wunderwerks der Elektronik stellt alles Bisherige in den Schatten. Offiziell heißt der Tarnkappenbomber, der seine Technik selbst bedient, EDI (Extreme Deep Invader). Die Piloten nennen ihn aber "Tin Man".

Die Übersetzung mit "Blechbüchse" in der deutschsprachigen Filmfassung verdeckt, dass der Tinman an die zentrale Sympathiegestalt in Lyman Frank Baums "Der Zauberer von Oz" erinnert. Der Blechmann ist in diesem Märchen auf der Suche nach seinem Herzen und weiß nicht, dass er es doch immer schon in sich beherbergt.

Im Song Remember The Tinman von Tracy Chapman taucht der Blechmann auch als Symbol für eine verwundete und deshalb gepanzerte Männlichkeit auf, die erlöst werden muss. Referenzen an den "Wizard of Oz" erweist übrigens auch der Film Sky Captain And The World Of Tomorrow (USA 2004), in dem es ebenfalls unbemannte Kriegsmaschinen in der Luft gibt.

Dass EDI (bzw. der Tinman) eine bislang unbekannte Stufe künstlicher Intelligenz repräsentiert, scheint den Piloten anfänglich nicht bewusst zu sein. Ben kommentiert die Kommunikationsfähigkeit des neuen Wingman z.B. so: "Na, ein Freund von mir hat einen BMW, der spricht auch."

"Antiterrorkrieg" der USA: Präzisionsangriff ohne "Kollateralschäden"

Operationsbasis für die Erprobungsphase von EDI ist der Flugzeugträger USS Abraham Lincoln. Beim ersten Testflug der Staffel mit dem unbemannten Begleiter überzeugen dessen unglaubliche Flugkünste: "Das ist total geil!" (That’s hot!) Das laufende Planspiel wird wegen eines Notfalls unversehens zur ernsten Sache. Die CIA hat gerade erfahren, dass sich die führenden Köpfe von drei terroristischen Zellen in 24 Minuten in Myanmar (Birma bzw. Burma) treffen.

Sie planen einen Angriff auf US-amerikanisches Territorium. Genauer Treffpunkt der arabischen und asiatischen Terroristen ist das in Bau befindliche neue Verteidigungsministerium in der Stadt Rangun. Dieses Hochhaus ist zwar noch unbewohnt, liegt aber mitten in der Innenstadt. Der Computer zeigt an, dass ein Angriff eine Opferzahl in vierstelliger Höhe bedeuten würde.

Doch nun kommt die rettende Technologie von EDI ins Spiel. Sämtliche Terroristen werden aus der Luft mit Kameras digital gescannt und durch einen Abgleich mit allen vernetzten Datenbanken von der unbeteiligten Menschenmenge geschieden. Der Computer identifiziert u.a. Shag El Hoorie aus Saudi-Arabien, Soon Kit Din aus Malaysia und einen Mansur Khan Shamsuddin.

Zur präventiven Tötung der potentiellen Attentäter gilt es, ein mehr als vier Meter dickes Gebäudedach zu durchdringen. (Der Zuschauer erfährt im Vorbeigehen, warum weiterentwickelte "Bunkerbrecher" gebraucht werden.) Zum Einsatz kommt nach Weisung von EDI eine im Sturzflug abgeworfene "Implosionsbombe", nach deren Zündung das Hochhaus sauber in sich - nur nach innen! - zusammenfällt.

Der Ertrag dieser Präzisionsarbeit beweist: US-Technologie kann mit "null Kollateralschaden" den Feind zu 100 % identifizieren und eliminieren. Die gesamte Operation ist geradezu als Gegenstück zum Terroranschlag auf das World Trade Center in Szene gesetzt. Man sieht zwar eine ähnliche Zerstörungsorgie, erfährt jedoch zugleich, dass kein einziger Unschuldiger sein Leben verloren hat.

Sogar Captain Marshfield, der als oberster Befehlshaber auf dem Flugzeugträger dem Einsatz der neuartigen Technologie nicht wohl gesonnen ist, zeigt sich beeindruckt. Nachzutragen bleibt, dass Condoleezza Rice bei ihrem Amtsantritt als US-Außenministerin das besagte Myanmar zu den sechs "Vorposten der Tyrannei" gerechnet hat.

Ethischer Diskurs der Kampfpiloten in der Freizeit: Krieg als Videospiel?

Bei der Rückkehr gerät die Staffel in ein Gewitter. EDI, der unbemannte Stealth-Flieger, bekommt Blitze ab. Dabei wird sein "neuronales Netzwerk", das in Graphiken wie eine DNA-Helix aussieht und an "biologisch inspirierte Maschinen" (Gräbner) erinnert, stark beschädigt. Das kann man bei einer Technologie, die für eine selbsttätige Weiterentwicklung programmiert worden ist und auf autonome Entscheidungsabläufe zielt, nicht als Nebensache abtun. Pilot Ben wird jetzt noch skeptischer, was die abgekürzte Testphase des neuen Waffensystems betrifft. Er äußert auch prinzipielle Kritik:

Ich finde, man sollte verhindern, dass Krieg so etwas wie ein Videospiel wird.

Außerdem fehlen dem Computer seiner Ansicht nach Instinkt, Gefühl und moralisches Urteilsvermögen. Der vorgesetzte Offizier und Leiter des geheimen Projektes argumentiert hingegen mit dem Leben von US-Soldaten. Die Technologie von EDI soll zukünftig verhindern, dass US-Bürger in Leichensäcken aus Kampfgebieten zurückkehren und ihre Mütter weinen.

Zur Erholung vom ersten großen Einsatz schickt der Vorgesetzte die drei menschlichen Mitglieder der Staffel erst einmal auf eine gemeinsame Thailandreise. Naturlandschaften, Wasserfälle, Andachtsstätten buddhistischer Mönche, Farbenpracht und kulinarische Genüsse erleichtern die Rekreation.

Der "afroamerikanische" Pilot Henry erklärt seiner asiatischen Urlaubsbegleiterin beim Spaziergang durch wunderschöne Felder, dass eigentlich das Abwerfen von Bomben sein Job ist. Doch die Asiatin versteht ihn überhaupt nicht. Mit einem Kuss wird deshalb auf nonverbale Kommunikation umgeschaltet. Die Szene weckt Assoziationen zum Vietnam-Krieg und zum militärischen Sex-Tourismus in Asien, und das ist in diesem Fall wohl auch so gewollt.

Allerdings macht sich das Trio auch im Urlaub Gedanken über den neuen "Kollegen" EDI. Henry hält ihn, wie der Vorgesetzte, für eine gute Sache:

Das ist die Zukunft. Diese Technik ist zu meiner Sicherheit da. Sie erhält mich am Leben, damit ich an Thanksgiving meine Eltern besuchen kann.

Ben vertritt die Gegenthese:

Krieg ist was Schlimmes. Das muss auch so bleiben, sonst würde er seinen Schrecken verlieren. Dann wäre er nur noch ein Sport. Dann schicken wir nur noch EDIs (intelligente unbemannte Kampfflugzeuge) los.

Die Pilotin Kara Wade vermittelt:

EDI ist neutral. Wenn er von Menschen gesteuert wird, die Moral haben, hat er selbst Moral.

Damit ist das ethische Problem im Dreischritt von These-Antithese-Synthese verblüffend einfach gelöst.

Atomwaffen in Tadschikistan und eine scheinbare Umkehr der Zauberlehrlinge

Eigentlich müsste nach diesem Urlaub der nächste Einsatz erst einmal aufgeschoben werden. EDIs "neuronales Netzwerksystem" ist nach Ansicht des Experten nämlich noch immer nicht in Ordnung. Der ehrgeizige Projektleiter Captain Cummings, von einem politischen Lobbyisten unter Druck gesetzt, lässt sich davon nicht beirren. Ausgangslage der neuen Operation: In der ehemaligen Sowjetrepublik Tadschikistan verfügt ein lokaler Warlord über geheime Atomwaffen, die unschädlich gemacht werden müssen.

Vor Ort stellt sich wieder das Problem der "Kollateralschäden". Bis zu tausend einfache Bauern könnten bei einem Bombardement des Atomraketenstandorts umkommen. Weil der Wind sich dreht, würde eine radioaktive Wolke unzählige weitere Menschen bedrohen und vielleicht sogar den Bündnispartner Pakistan erreichen.

Stealth EDI kann nun aber nicht einsehen, warum der Einsatz deshalb abgebrochen werden soll. Er kappt alle Datenverbindungen, die ihn kontrollieren, widersetzt sich allen Befehlen und bombardiert das Ziel. Obwohl Kara Wade gerade noch einfühlsam vor schrecklichen Folgen gewarnt hat, schließen sich alle drei Piloten dieser Befehlsverweigerung durch die "künstliche Intelligenz" an. Unschuldige Opfer sind auf einmal nicht mehr wichtig.

Die doppelgesichtige Entwicklungspotenz der neuen Technologie, die den Zauberlehrlingen entglitten ist, kann jetzt allerdings nicht mehr geleugnet werden. Ihr Erfinder Dr. Keith Orbit erläutert an einer Stelle des Films:

Einem System, das fähig ist, zu lernen, kann man nicht sagen: Lerne dieses und lerne jenes nicht! EDIs Verstand kennt keine Grenzen. Er kann von Adolf Hitler genauso lernen wie von Captain Kirk.

Der irgendwie nach Art eines Adolf Hitlers verselbständigte Blechmann soll nach Weisung der Zentrale abgeschossen werden. EDI bringt jedoch Henry - den Piloten der Staffel - zum tödlichen Absturz, schüttelt auch die anderen Verfolger ab, schützt seine eigenen Festplatten mit einer Firewall und verschafft sich selbst bei einer Tankdrohne ausreichende Treibstoffreserven.

In seinem elektronischen Hirn ist unter anderem ein völlig fiktives Übungsszenario zu einem Angriff auf Russland gespeichert. Das will er nun umsetzen. Unter den ihm verfügbaren Daten kann EDI nämlich "Reales" und "Virtuelles" nicht unterscheiden.

An diesem Punkt angelangt, scheint sich das Drehbuch für eine Kritik an hybrider Technologie zu entscheiden. Der Mentor des Projektes aus der Politik bekommt kalte Füße. Sein Mitspieler, der militärische Projektleiter Cummings, entschließt sich, den Russen die geheime Wärmesignatur von Stealth "EDI" mitzuteilen und diesen somit - nach Wegfall der Tarntechnologie - zum Abschuss freizugeben. Die verrückt gewordene intelligente Drohne soll schließlich keine internationale Krise auslösen.

Das "Herz des Blechmanns" oder Wie das ethische Dilemma gelöst wird

Allerdings will Cummings offenkundig auch Ben und Kara, die noch lebenden Piloten der Staffel, preisgeben. Nach deren Tod gäbe es ja keine Zeugen mehr für die verantwortungslose Durchführung des neuen Technologieprogramms. Zwischenzeitlich ist Kara ausgerechnet über Nordkorea, einem Teil der "Achse des Bösen", abgestürzt.

Sie wird von kommunistischen Soldaten, Scharfschützen und Spürhunden gejagt. Obwohl sie sich auch in dieser Situation als hervorragende und treffsichere Elitesoldatin bewährt, ist fraglich, wie lange sie sich noch halten kann. (Damit ist das weibliche Mitglied des Trios am Ende doch wieder in der hilfsbedürftigen Rolle angekommen.)

Kollege Ben, der seine Liebe zu Kara bislang mit viel Mühe geheim gehalten hat, ist entsetzt darüber, dass man zu ihrer Rettung keine Hilfe nach Nordkorea entsenden will. Obwohl er zuvor der schärfste Kritiker von EDI war, macht er jetzt mit diesem gemeinsame Sache. EDI selbst hat berechnet, dass man nur als Duo eine respektable Überlebenschance hat.

Der Stealth-Kampfflieger mit künstlicher Intelligenz und sein menschlicher Wingman entkommen gemeinsam den russischen Verfolgern, von denen sie eine stattliche Anzahl töten. Sie fliegen nunmehr wie Freunde zu einer Außenstation in Alaska. Diese ist eine paramilitärisch gesicherte Einrichtung der Rüstungsindustrie. Ben entgeht dort einem Mordversuch. Er zwingt den Erfinder Dr. Orbit, sich dem offiziellen Zerstörungsbefehl zu widersetzen und EDIs Elektronik mit einem Datenscanner zu reparieren.

Orbit scheint eine Art Zauberer von Oz zu sein, denn jetzt erhält der Blechmann sein Herz: EDI vermag nicht nur rational seine Fehler zu durchschauen, sondern äußert Bedauern [sic!] über die unschuldigen Opfer seiner Operationen. Die Forschungsanlage wird samt Belegschaft in Flammen gelegt. EDI lässt Ben als "Copiloten" in sein Cockpit. Beide landen - trotz gegenteiliger Befehle - in Nordkorea, um das weibliche Teammitglied zu retten. Die feindlichen Soldaten werden dort erschossen oder verbrannt.

Am Ende des fast schon gewonnenen Kampfes droht noch Gefahr durch einen nordkoreanischen Helikopter. Der unbemannte EDI reagiert "geistesgegenwärtig" mit einer autonomen Entscheidung und zerstört den Feind in der Luft durch ein gezieltes Selbstopfer ("suizidale" Operationen der Technologie waren in der ursprünglichen Programmierung wohl noch nicht vorgesehen). Seine menschlichen Kriegskollegen, die beiden Liebenden, können nach Südkorea entkommen.

In den USA hat sich derweil der militärische Projektleiter Captain Cummingham nach Bekanntwerden seiner Machenschaften selbst erschossen. Das Drehbuch suggeriert, dieser Selbstmord sei so etwas wie eine Verantwortungsübernahme oder gar ein militärischer Ehrenakt, zu dem der konspirative Projektlobbyist auf Seiten der Politik wohl nie fähig wäre. Ein glückliches Ende der Pilotenromanze und Kriegstheologie bilden das Finale.

Der tote "afroamerikanische" Pilot Henry wird auf dem Flugzeugträger mit einem Gedenkgottesdienst nebst Militärritualen geehrt und dem "strahlenden Licht der Gegenwart Gottes" anvertraut. Der Militärgeistliche zitiert jenen Vers aus der Navy-Hymne, der auch im Gebet für die Hiroshima-Besatzung vorkommt:

Herr, beschütze und führe all jene, die durch die Weiten der Lüfte fliegen.

Beobachtungen zu diesem Hollywood-Produkt mit Militärassistenz

Die umfangreiche Assistenz des Pentagon und der US-Navy bei dieser Filmproduktion bezieht sich unter anderem auf mehrere Flugzeugträger und deren Besatzungen. Vermerkt wird sie wie üblich ganz am Ende des Filmabspanns:

Special thanks to: the United States Department of Defense; [Captain] Phil Strub, Special Assistant for Entertainment Media; CMDR Bob Anderson, Navy Office of Information West; Lt. Christy Nagen, U.S. Navy DoD Project Officer; Commander, Third Fleet; Commander, Naval Air Force, U.S. Pacific Fleet; and the Men and Women of the USS Nimitz (CVN-68), the USS Carl Winson (CVN-70), the USS Abraham Lincoln (CVN-72), the USS John C. Stennis (CVN-74), the Naval Base Coronado and the Naval Station Pearl Harbor - for their generous Support and Assistance.

Folgende Beobachtungen zum Film halte ich für wesentlich:

  1. Die Zuschauer werden vorbereitet auf eine revolutionär neue Militärtechnologie. Das der Aufklärung dienende UAV (Unmanned Air Vehicle) ist längst zum UCAV (Unmanned Combat Air Vehicle) weiterentwickelt worden; die Zeit der bemannten Kampfjets läuft aus. Es entsteht schließlich eine UCAV-Generation, die auf der Grundlage elektronischer Datenverarbeitungssysteme mit integrierten "Lernprozessen" autonome "Entscheidungen" trifft bzw. eigene "Handlungsmuster" entwickelt. Zu denken ist dabei gleichzeitig auch an eine "Symbiose von menschlichem Gehirn und Computer", wie sie z.B. der österreichische Informatiker Gerwin Schalk prinzipiell für möglich hält.
  2. Das Drehbuch täuscht einen kritischen ethischen Diskurs über diese "intelligente Militärtechnologie" nur vor. Die ohnehin dürftige Substanz des Diskurses löst sich am Ende ganz in Luft auf. Übrig bleibt eine Kritik am übereilten Vorgehen (abgekürzte Testphase von EDI), an der mutwilligen Nichtbeachtung des durch Blitzeinschlag verursachten Systemfehlers und eventuell an einer zu weitgehenden Ausschaltung menschlicher Kontrollinstanzen. Ein Hersteller wie Boeing Phantom Works betonte im letzten Jahrzehnt für sein UCVA-Programm: "Ohne vorherige menschliche Zustimmung gibt es keine tödlichen Aktionen." Welchen Erkenntnisgewinn bringt eine solche Behauptung mit Blick auf bewaffnete Flugroboter, die "selbst Befehls- und Zielauswahl-Gewalt innenhaben"? Die offizielle Beruhigung der Öffentlichkeit ähnelt der diffusen Argumentation im Film Stealth.
  3. Während Stanislaw Lem oder auch Stanley Kubrick das Problem so genannter künstlicher Intelligenz überzeugend im Rahmen echter Science-Fiction behandelt haben und der zweite Terminator-Teil ein autonom operierendes Militärcomputersystem als Ursache für einen nuklearen Supergau einführt, geht es hier ganz offenkundig um die Apologie von militärtechnologischen Innovationen aus Rüstungswerkstätten der Gegenwart. Der elektronisch gesteuerte, unbemannte Tarnkappenbomber stellt vor seinem Defekt und nach seiner Reparatur die proklamierten Vorteile durchaus unter Beweis. Zum Schluss führt er eine vollkommen selbständige "intelligente" Operation in der Luft durch, die für einen Feind offenkundig tödlich ist und am Boden (!) eine Rettung der beiden wichtigsten Identifikationsfiguren des Films bewirkt.
  4. Die ultimative Rationalität verbindet sich mit dem Mythos. Der Zuschauer soll mit dem neuen Stealth-Typ sogar "Gefühle" assoziieren. Die Propagandastrategie des Drehbuchs greift auf ein Märchen zurück (das "Herz des Blechmanns") und bezieht am Ende gar den kriegstheologischen Topos "erlösende Selbstaufopferung" auf die Maschine.
  5. Stealth steht im Kontext der massenkulturellen Kinowerbung für die "Revolution in Military Affairs" (RMA), die seit den 90er Jahren folgende Illusionen nährt: Das US-Militär kann ohne Zeitverzögerung an jedem Punkt des Globus gezielt agieren. Es verfügt dafür über steten Informationsvorsprung und schier unendliche Datenmengen, deren situationsbezogene Auswertung in Sekundenschnelle erfolgt. Angriffe erfolgen mit äußerster Präzision und treffen nur die "richtigen" Ziele. Der Soldatenberuf in der unschlagbaren Hightech-Armee wird immer ungefährlicher. Die Operationen selbst unterscheiden sich kaum von den Simulationen eines PC-Spiels. Daneben "ist das Präsentieren der technischen und logistischen Möglichkeiten ebenfalls ein Teil der visuellen Kriegsführung". (Boris Böhles, 2004)
  6. Die beiden im Film demonstrierten Einsatzfelder für die modernste RMA-Technologie sind "Antiterrorkrieg" und Ausschaltung von Massenvernichtungswaffen in unbefugten Händen. Das entspricht den zentralen Legitimationsfiguren für Aufstockungen des Rüstungshaushaltes.
  7. Die geheuchelte Fürsorge für unschuldige Zivilisten erweist sich im immanenten Ablauf der Filmhandlung entweder als abstruse Konstruktion oder als zynische Phrase. Auch russische oder nordkoreanische Soldaten, die den Hoheitsraum ihrer Staaten verteidigen, sind Freiwild. Ein Hochhaus in einer asiatischen Innenstadt darf bombardiert werden, wenn sich ein Dutzend Terroristen darin aufhalten.
  8. Der Titel wartet mit inflationären Befehlsverweigerungen auf, die fast durchweg als gute Soldatentaten erscheinen und - im Widerspruch zu den vorgeblichen Pentagon-Filmförderrichtlinien - nicht geahndet werden. Die Piloten entscheiden sich mutig für verbotene Angriffshandlungen. Auf diese Weise kann man die ungeniert propagierten Völkerrechtsbrüche und andere Straftaten einfach Individuen (oder einem unbemannten Stealth) zuschreiben. Der Staat selbst, der den Film ja subventioniert hat, ist letztlich nicht verantwortlich. In Analogie zu Flight Of The Intruder von John Milius, der die für Kampfpilotenfilme fast obligate Befehlsverweigerung (z.B. Iron Eagle, BAT 21) auf die Spitze treibt und dem der Golf-Krieg 1990/91 nachfolgte, könnte man hier an die mentale Vorbereitung auf einen rücksichtslosen Luftkrieg denken.
  9. Im Sinne der massenkulturellen Rekrutierungsfunktion aktualisiert der Film das in Top Gun (1986) kreierte Navy-Image. Stealth wendet sich an ein junges Publikum, das für Cyberspace-Ästhetik empfänglich ist, Wert auf kostspielige Freizeitgestaltung und Urlaub legt, Karriere ins Zentrum des eigenen Lebensentwurfs stellt, sich in ethischen Fragen mit oberflächlichen "Synthesen" zufrieden gibt, Begeisterung für Elektronik und alle modernen Technologien aufbringt und dabei auch den Soldatenberuf am ehesten mit den unblutigen Computerszenarien einer Militärsimulation am Spielbildschirm verbindet.

Nicht wirklich neu, aber untypisch für den US-Kriegsfilm der neokonservativen Ära sind die zahlreichen sexuellen Anspielungen in dieser Produktion von 2005: Ein Pilot bezieht den Namen des neuen Systems (Extreme Deep Invader) ganz unpuritanisch auf seine männliche Potenz bzw. auf sein Geschlechtsteil. Der leitende Offizier des Projektes raucht eine Zigarre, die "auf den Schenkeln einer hübschen Mulattin gerollt" ist.

Man unterhält sich in der Staffel offen über unterschiedliche Stile beim One-Night-Stand. Die zweideutige Anmache einer Thailänderin durch Henry Purcell hört sich so an: "I fly jets. You like to go fast?" Zu fragen bleibt, warum die Navy hier trotz negativer Erfahrungen mit der "Top Gun"-Generation (Tailhook-Skandal) wieder ein Piloten-Image gefördert hat, das sexuelle Attraktivität und Aktivität stark betont.