Krieg ist unvermeidlich
Nach einer aktuellen Umfrage wächst aber die Skepsis bei den US-Bürgern gegenüber der militärisch orientierten Politik der Bush-Regierung
Im Endspurt der US-Regierung um die Gunst der Wähler für die Wahlen im November scheint man dem strategischen Ziel nahe zu kommen, dem Präsidenten freie Hand für einen Krieg auch ohne Legitimation durch einen UN-Beschluss zu geben (Kaum Einschränkungen für den US-Präsidenten beim Einsatz der Streitkräfte gegen den Irak). Die Demokraten haben bislang dem militärischen Kurs der Bush-Regierung kaum etwas entgegenzusetzen gewagt und dürften die Kongressresolution wohl mittragen. Tom Daschle, Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, kündigte an, dass die Irak-Resolution breite Zustimmung finden werde. Die US-Bürger aber sind zunehmend mit der säbelrasselnden Großmachtspolitik unzufrieden und sehen diese als Ablenkung von den innenpolitischen, vorwiegend ökonomischem Problemen.
Dass Saddam Hussein gestürzt werden müsse, ist weiterhin die Meinung der meisten Amerikaner. Zwar waren bei der letzten Umfrage von New York Times und CBS noch 74 Prozent dieser Überzeugung, jetzt sagen das noch 67 Prozent. Gleichwohl kann sich Bush hier noch weiter auf die Haltung der Mehrzahl berufen (Die Mehrheit der US-Bürger ist weiterhin für einen Militärschlag gegen den Irak). Die war auch schon vor dem 11.9. und nach dem Golfkrieg für ein Vorgehen gegen Hussein (Überwältigende Mehrheit der Amerikaner für Militäraktion gegen den Irak). Wie auch schon bei früheren Umfragen sinkt aber die Zustimmung zu einem militärischen Vorgehen, wenn dieses nicht schnell zum Erfolg führen und viele Verlust mit sich bringen würde. Dann sind nur noch knapp die Hälfte der Befragten für eine militärische Aktion.
Während jedoch die Bush-Regierung aus durchsichtigen Gründen auf das Gaspedal drückt, neigen immer mehr Amerikaner zu einem langsameren Vorgehen. 63 Prozent sind dafür, den Waffeninspektoren erst einmal mehr Zeit vor einer etwaigen militärischen Aktion zu geben (zwei Wochen zuvor sprachen sich dafür 57 Prozent aus). Die überwiegende Mehrzahl der Bürger ist nach wie vor dafür, dass die USA nicht sofort zuschlagen, sondern erst einmal auf die Zustimmung der Alliierten warten soll. So meint denn die Hälfte der Befragten auch, dass die Bush-Regierung zu schnell militärische Lösungen einbezieht. 70 Prozent gar würden die Entscheidung für einen militärischen Schlag nicht Bush überlassen wollen, sondern von der Zustimmung des Kongresses abhängig machen (allerdings nehmen mehr US-Bürger als zuvor es Bush ab, dass er wirklich mit der UN zusammen arbeiten wolle).
" We cannot leave the future of peace and the security of America in the hands of this cruel and dangerous man. This dictator must be disarmed. And all the United Nations resolutions against his brutality and support for terrorism must be enforced.
The United States does not desire military conflict, because we know the awful nature of war. Our country values life, and we will never seek war unless it is essential to security and justice. We hope that Iraq complies with the world's demands. If, however, the Iraqi regime persists in its defiance, the use of force may become unavoidable. Delay, indecision, and inaction are not options for America, because they could lead to massive and sudden horror." - Präsident Bush in seiner Radioansprache am 5. Oktober
Die Hälfte der Befragten meint auch, dass der Kongress dem Präsidenten bislang zu wenig Fragen gestellt. Und auch wenn die US-Regierung immer wieder beteuert, dass es ihr vorwiegend um die Vernichtung der Massenvernichtungswaffen gehe, glauben das nur 29 Prozent, hingegen liegen 53 Prozent wohl richtig, dass Bush auf den Sturz des Regimes zielt und die Vernichtung der angeblich existierenden Massenvernichtungswaffen nur ein Vorwand ist. Tatsächlich bleibt es bislang der Fantasie der Menschen überlassen, was Bush unter einer Entwaffnung des Irak verstehen will und wie dies verifiziert würde, zumal es bislang keine Beweise, sondern nur Vermutungen gibt, dass der Irak weiterhin über Massenvernichtungswaffen verfügt. Eingesetzt hatte er diese bekanntlich, als Hussein noch ein Verbündeter der USA gewesen ist - was damals keineswegs zum Abbruch der Beziehungen führte.
Die Vorsicht der US-Bürger gegenüber einem Alleingang von Bush und der USA nährt sich wohl vor allem aus der sicherlich realistischen Haltung, dass Bush trotz aller diplomatischen Schachzüge den Krieg will. So sind 70 Prozent der Meinung, dass die USA den Krieg gegen den Irak führen wird, letzten Monat waren es allerdings noch 78 Prozent. Die Mehrheit glaubt zudem, dass der Krieg länger dauernd, vor allem aber, dass er auch auf andere Länder der Region übergreifen wird. Hauptbegründung der US-Regierung für ein militärisches Vorgehen ist bekanntlich, dass der Irak die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten bedroht. Während die Hälfte der Befragten aber der Meinung ist, dass ein Krieg die Bedrohung erhöht, glauben nur 18 Prozent, dass er diese senkt, auch wenn 56 Prozent der Position der US-Regierung zustimmen, dass die von Hussein ausgehende Gefahr in den letzten Jahren gewachsen sei.
Zerrissen sind die Amerikaner gegenüber der von Bush formulierten neuen Strategie des Erstschlags. Allgemein wird sie von den meisten zwar abgelehnt, doch im Fall der USA sagen immerhin 43 Prozent, dass ein Erstschlag ausgeführt werden dürfe, während 44 Prozent dies ablehnen.
Vermutlich aber wird die größte Gefahr für den militärischen Kurs der Bush-Regierung nicht aus der direkten Kritik daran erfolgen, sondern aus der wirtschaftlichen Lage. Mit 37 Prozent sind mehr Amerikaner der Meinung, dass ein Krieg die wirtschaftliche Lage verschlechtern werde, als umgekehrt (23 Prozent). Überhaupt sagen fast 70 Prozent, dass Bush sich zuwenig um die Wirtschaft kümmert. Fast 40 Prozent denken, dass es den USA wirtschaftlich noch schlechter gehen wird. Die Irak- und Krieg-Karte, die Bush weiterhin ziehen will und die auch im Mittelpunkt seiner für heute angekündigten Rede sein wird, scheint zunehmend an Wirkung zu verlieren (Krieg und Sicherheit als Wahlkampfthemen der US-Regierung). Als Konsequenz könnte Bush Abstand von einem militärischen Schlag nehmen, wahrscheinlicher aber ist, dass angesichts der wachsenden innenpolitischen Probleme der Druck auf ein militärisches Vorgehen eher noch zunehmen dürfte. Schließlich würde, wenn die Nation sich tatsächlich im Krieg befinden würde, vorerst wieder die nationale Einheit im Vordergrund stehen.