Kriegstüchtig in fünf Jahren: General Breuers Appell an deutsche Gesellschaft

Seite 2: Mehr Kriegstüchtigkeit bei der Bundeswehr und in der Gesellschaft

Aktuell fordert General Carsten Breuer eine "Gedankenwende, sowohl in der Gesellschaft als auch und vor allem in der Bundeswehr", wie er der Welt am Sonntag erklärte. Die Überschrift zum Artikel in der Printausgabe lautet: "In fünf Jahren kriegstüchtig sein".

Die Wams leitet das Gespräch mit dem Diplompädagogen, der seit März 2023 Generalinspekteur der Bundeswehr ist, mit dem Lehrer-Vorspann ein, wonach Breuer dazu drängt, die Abschreckung "schnellstmöglichst so zu erhöhen, dass Moskau nicht auf dumme Gedanken kommt".

Einiges an Breuers Äußerungen zur Kriegstüchtigkeit ist rational, nachvollziehbar und eindeutig. Vor allem, wenn es um die Fähigkeiten der Bundeswehr geht. Da ist er konkret.

Die Bundeswehr brauche mehr Rekruten, um auf die Sollstärke von über 200.000 zu kommen, bislang sind es gut 180.000. Auch brauche es mehr Investitionen, um die Einsatzbereitschaft der Armee sicherzustellen. Auch sollen Auslandseinsätze neu überdacht werden.

Die Strukturen, die die letzten Jahre hinweg sinnvollerweise auf internationales Krisenmanagement ausgerichtet waren, müssten nun stärker unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, wie eine "effektive Landesverteidigung und Bündnisverteidigung" durchzuführen sei, gab Breuer zu verstehen.

Sein Hauptanliegen: Es komme ganz auf die Abschreckung an, damit das Risiko für einen Angriff so hoch gesetzt werde, dass der Gegner davor zurückschrecke.

Geht es um die Wiedereinführung der Wehrpflicht?

Schwierig und uneindeutig wird es, wenn es um die Kriegstüchtigkeit geht, in der, so Breuer, sehr viel mehr stecke als nur Verteidigungsbereitschaft, wie sie der Journalist in der Frage angesprochen hatte: Kriegstüchtigkeit sei als Aufgabe eines Mentalitätswechsels zu verstehen.

Heißt das, dass die Wehrpflicht wieder eingeführt werden soll? Zuletzt gab es einen ganzen Strauß an Artikeln (Welt, Spiegel, FAZ, RND) , die für die Wiedereinführung plädierten.

Stets wird das schwedische Modell dazu erwähnt, wie dies auch Verteidigungsminister Pistorius und Breuer ebenfalls schon taten. "Zurück zum Bürger in Uniform", schrieb der Spiegel. Diese Diskussion läuft schon

Oder läuft die Forderung des Generalinspekteurs nach einer kriegstüchtigen Mentalität in der Gesellschaft – der darin dem Verteidigungsminister folgt –, lediglich darauf hinaus, dass gesellschaftspädagogisch ein Umdenken in Gang gesetzt werden soll, das die allgemeine Opferbereitschaft und Frontstellung angeht?

Eine Präzisierung der Leerformel, die eine geistig-moralische Wende anklingen lässt, steht noch aus. Dafür wird alles Mögliche in den Topf mit dieser Überschrift geworfen. Eine Klärung wäre nötig für genauer geführte, differenzierte Debatten.

Geht es um eine andere Pädagogik?

Der Begriff "kriegstüchtig" hat nämlich seine Abgründe. Dazu muss man nicht nur an die deutsche Vergangenheit erinnern, sondern hinschauen, was die "Eigendynamik" der gegenwärtigen Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen mit Hunderttausenden Opfern anrichtet.

Was verstehen denn die Bundeswehrführung und der Verteidigungsminister genau unter dem Mentalitätswandel?

Müssen sich Eltern von jungen Teenagern darauf vorbereiten, dass ihre Kinder zur Bundeswehr einberufen werden? Oder sie für Ideen kämpfen sollen, die dann ein Wechsel an mächtiger politischer Stelle dann plötzlich als irrelevant erklärt? Sollen die Erzieher in den Kindergärten und Schulen umdenken und auf mehr Härte setzen?

Es gäbe viel Diskussionsbedarf.

Wäre #kriegstüchtig das Unwort d. Jahres 2023 u. nicht vorgezogen (mit Veröffentlichung vom 10.01.24) das Wort #Remigration, hätten wir jetzt einen anderen Diskurs über die Militarisierungsstrategien unserer Wirtschaft und Förderung der Kriegsbereitschaft in unserer Gesellschaft.

Sabine Schiffer