Krise der Medien, Krise der Demokratie?

Seite 2: Großes Vertrauen in das öffentlich-rechtliche Fernsehen

Nach verschiedenen Umfragen haben um die 70 Prozent Vertrauen in das öffentlich-rechtliche Fernsehen als Institution und etwa genauso viele halten die Programme für glaubwürdig.

Eine Mainzer Studie kommt beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen 2018 auf 65 Prozent sehr/eher vertrauenswürdig.

Weitaus weniger glaubwürdig werden die Internetplattformen eingeschätzt, YouTube erreicht hinsichtlich der Glaubwürdigkeit nur 18 Prozent und nur einstellige Prozentzahlen schaffen Twitter, Facebook oder Instagram.

Und obwohl über 80 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk unverzichtbar sei und einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung leiste, würden 42 Prozent der Bürger den Rundfunkbeitrag nicht freiwillig bezahlen.5

Dem Vertrauensbonus des Fernsehens steht jedoch geradezu ein "Generationsabriss" bei der Nutzung gegenüber. Die Mehrheit der Zuschauer des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist über 65 Jahre alt.

Von den 14-19-Jährigen nutzte 2018 nur noch ein Drittel überhaupt noch lineares Fernsehen.

Über den Generationsabriss bei der Nutzung des Programmfernsehens hinaus lässt sich in Deutschland auch noch ein "Strömungsabriss"6 zwischen dem Westen und dem Osten Deutschlands feststellen. So gibt es ein deutliches West-Ost-Gefälle bei der Glaubwürdigkeit deutscher Medien.

ZDF und ARD sind bei uns nach wie vor sowohl die Leitmedien, die am längsten und häufigsten genutzt werden.

Als Nachrichtenquelle hat jedoch das Internet mit fast 40 Prozent Tagesreichweite (39,3 Prozent) dem linearen, also an ein Programm gebundenen Fernsehen mit 31,7 Prozent den Rang abgelaufen.

Beim Meinungsbildungsgewicht liegt das Internet bei den 14-29 Jähren mit fast 60 Prozent (58,2 Prozent) noch deutlicher vor dem Fernsehen mit nur 13,7 Prozent.

Was für die Bildung der öffentlichen Meinung noch entscheidender ist: Bei den 14- bis 29-Jährigen erreicht das Internet ein potenzielles Meinungsbildungsgewicht von über 60 Prozent, bei den 30- bis 49-Jährigen um die 42 und bei der Alterskohorte ab 50 Jahre nur noch rund 15 Prozent.

Für die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen bestimmen die Plattformen wie Google Search, Youtube, Facebook, Intragram, Whatsapp und andere Medienintermediäre, welche Informationen zum Zeitgeschehen wahrgenommen werden. Dabei vereinen der Google-Mutterkonzern Alphabet und Facebook, zusammen mit seinen Konzerntöchtern Instagram und YouTube fast 86 Prozent des potentiellen Meinungsbildungsgewichts.

Das Smartphone und Abrufdienste auf Online-Medien sind für die Jungen sehr viel wichtiger, als das an Programmzeiten gebundene Fernsehen.

"Kannibalisierung" des klassischen Fernsehens

Bei den 14- bis 29-Jährigen haben die abonnierten Streaming-Angebote das klassische Fernsehangebot hinter sich gelassen.

Allein Netflix investierte 2019 rund zwölf Milliarden US-Dollar, das sind zweieinhalb Milliarden Euro mehr als alle öffentlich-rechtlichen Sender zusammen an Beiträgen einnehmen. Amazon und Apple tv+ investierten je sechs Milliarden US-Dollar, so viel wie das Gesamtbudget der BBC.

Vor dem Hintergrund, dass eine funktionierende Demokratie auf informierte Bürgerinnen angewiesen ist, gibt Anlass zur Besorgnis, dass eine tiefe Informationskluft zwischen der jungen Generation und den Älteren zu beobachten ist: Die Hälfte der Jugendlichen hält es nicht für wichtig sich über Neuigkeiten und aktuelle Ereignisse zu informieren.7; ein größer werdender Anteil an der Bevölkerung gilt sogar als "News-Verweigerer", d.h. sie gehen Informationen manchmal oder oft aus dem Weg.

Plattformen sind für die klassischen Medien einerseits nützlich, etwa um auf ihre Beiträge aufmerksam zu machen, um neue Rezipienten zu erschließen oder um schneller als je zuvor über aktuelle Ereignisse berichten zu können. So hat etwa die Tagesschau der ARD auf verschiedenen sozialen Medien ein eigenes Nutzerkonto. Andererseits setzen Plattformen die traditionellen Medien nicht nur ökonomisch, sondern auch publizistisch massiv unter Druck.

Angesichts dieses Wandels im Medienkonsum stellt sich die Frage, ob das Internet, die klassischen Medien ergänzen oder gar ersetzen kann.

Meine knappe Antwort ist: Ergänzen nur teilweise ja, ersetzen - bisher jedenfalls - nein.

Richtig ist: Durch das Internet bleiben wir mit beliebig vielen Menschen in Kontakt. Wir können Nachrichten, Bilder und Videos austauschen und empfangen. Wir erhalten Informationen und wir können recherchieren, wie nie zuvor. Wir können unser Wissen verbreitern und verbreiten, wir können uns Kampagnen anschließen und politischen Druck ausüben und für Lösungen werben.

Nie zuvor war es so einfach, an eine so große Fülle von Medieninhalten weltweit und jederzeit zu gelangen, wie heute. Diese Potenziale sind nach wie vor gegeben. Ich möchte sie nicht missen.

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