Krise der Medien, Krise der Demokratie?

Seite 3: Blogs, "Influencer", alternative Medien

Im Netz finden sich nach Schätzungen allein in Deutschland etwa 200.000 Blogs (das sind öffentlich einsehbare, häufig nicht-professionelle, aber häufig auch journalistische Tagebucheinträge mit einem eigenen Internetauftritt).

Solche Blogs werden monatlich etwa 800 Millionen Mal aufgerufen.

Darüber hinaus gibt es eine nicht mehr überschaubare Zahl an "Influencern". Das sind überwiegend jüngere Personen, die meist eines der großen sozialen Netzwerke nutzen um Lebensstile, Schönheitspflege, Mode, Hobbys oder Produkte anzupreisen.

Die Bandbreite reicht von kleinen privaten Chat-Rooms bis zu Netzangeboten, die ein Millionenpublikum erreichen, wie z.B. der Webvideoproduzent Rezo, dessen Video mit dem Titel "Die Zerstörung der CDU" das vor der Europa-Wahl 16 Millionen Mal aufgerufen wurde.

Neben den nach wie vor reichweitenstärksten professionell journalistischen Webangeboten (also etwa bild.de oder spiegel.de), gibt es eine große Zahl sog. "alternative Medien", die häufig an den Rändern des politischen Spektrums liegende Inhalte ihrem Publikum anbieten.

Dazu zählen etwa Medien wie die eher rechts-konservativ eingestufte Achse des Guten oder Tichys Einblick oder die politisch inkorrekten, islamfeindlichen PI-News, das Portal Quer-Denken-TV, das Magazin Compact des Rechtsradikalen Jürgen Elsässer, die eher verschwörungsgläubigen Portale wie Rubikon, KenFM oder Klagemauer TV, die deutschsprachigen russische Propagandasender RT Deutsch und Sputnik TV. Aber auch Investigationsportale wie Correktiv.org oder der medienkritische Blog ÜberMedien.

Nach dem seit letztem November geltenden Medienstaatsvertrag (§ 19) müssen vor allem geschäftsmäßig arbeitende Blogger und Influencer oder ganz allgemein Telemedienanbieter bestimmte Sorgfaltspflichten bzw. ein Mindestmaß an journalistischen Regeln einhalten, die die Landesmedienanstalten überwachen.

Neuerdings wurde dem Online-Angebot des ehemaligen RBB-Journalisten Jen Jebsen, KenFM, oder dem AfD-nahen Deutschland-Kurier Sanktionen wegen Verstoßes gegen journalistische Grundsätze angedroht.

Soziale Netzwerke, Instant Messenger, Video-Portale, Suchmaschinen

Neben solchen Blogs oder eigenständigen Websites findet der weitaus größte Teil der Internetkommunikation in den "Sozialen Medien" (Social Media) statt.

Die Abgrenzungen sind unscharf und die Begriffe werden unterschiedlich verwendet. "Soziale Medien" können unterschiedliche Formen annehmen:

Man unterscheidet je nach Funktion:

Soziale Netzwerke im engeren Sinne, also Onlinedienste, die Möglichkeiten zum Informationsaustausch und Beziehungsaufbau bieten, dazu zählen etwa der Onlinedienst "Instagram" mit elf Millionen Nutzern täglich in Deutschland - vor allem zum Teilen von Fotos oder Videos.

Für Nachrichten und Bilder ist Facebook führend und hat zehn Millionen tägliche Nutzer. Es gibt auch noch kleinere Dienste wie LinkedIn, Tumblr oder XING die einstellige Millionenzahlen täglicher Nutzer erreichen.

Auch der Mikroblog oder Kurznachrichtendienst Twitter mit 1,4 Millionen Nutzern täglich wird dazu gerechnet. Mit Twitter kann man sog. Tweets mit 280 Zeichen an seine "Follower" versenden.

Über diese sozialen Netzwerke kann man sich mit einer unbeschränkten Zahl von Abonnenten vernetzen und Botschaften austauschen, man kann auch Nachrichten verschiedenster Art empfangen.

Neben den altbekannten E-Mails von einem Internetzugang zu anderen und den Mitteilungen über SMS über das Mobil-Telefon, haben sich Kurzmitteilungsdienste, sog. Instant Messengers etabliert, mit denen man sich an eine Vielzahl von Freunden wenden kann.

Dazu zählen etwa WhatsApp, das 58 Millionen Menschen in Deutschland täglich nutzen; zu den Messengerdiensten zählen auch WeChat oder Skype, neuerdings auch Telegram, Snapchat oder der gemeinnützige Messenger Signal.

Dann unterscheidet man noch Videoportale, dazu zählen z.B. YouTube mit wöchentlich 30 Millionen Nutzern, Vimeo, neuerdings auch Byte oder die Video-Plattform TikTok (Douyin) mit schon 5,5 Millionen Nutzern in Deutschland. Und über 700 Millionen weltweit.

Große Netzwerke in China sind Renren, die immer beliebter werdende App WeChat oder Baidu und in Russland etwa VKontakte.

Die größte Suchmaschine in Deutschland ist Google mit weit über 90 Prozent Marktanteilen, mit großem Abstand folgen Bing (mit knapp sechs Prozent Marktanteil), Yahoo (mit gerade einem Prozent), Eccosia oder DuckDuckGo, letztere Suchmaschine zeichnet keine Suchverläufe auf, deshalb nutze ich sie gerne.

Unter dem Aspekt der Meinungsbildung werden soziale Netzwerke unter dem Oberbegriff "Intermediäre" zusammengefasst.

Die Nutzung von Intermediären ist gleichfalls stark altersabhängig: Zwar nutzen inzwischen schon mehr als drei Viertel der Personen ab 14 Jahren in Deutschland täglich Intermediäre. Unter den 14-29-Jährigen sind es aber schon neun von zehn.

Fast sechs von zehn Personen nutzen täglich WhatsApp (58 Prozent) und/oder Google (57 Prozent), fast ein Drittel YouTube (29 Prozent), jeder fünfte Facebook (22 Prozent) und/oder Instagram (20 Prozent).

Das stärkste Wachstum gegenüber dem Vorjahr verzeichnen Instagram (+28 Prozent), YouTube (+27 Prozent) und die Suchmaschine Google (+22 Prozent).

Intermediäre spielen eine zentrale Rolle bei der Information über das Zeitgeschehen

Unter dem Aspekt der Information über das aktuelle Zeitgeschehen in Politik, Wirtschaft und Kultur betrachtet, nutzt fast jede zweite Person in Deutschland (45 Prozent) täglich Intermediäre.

Auch bei dieser Art der Nutzung liegen die Jüngeren weit über dem Durchschnitt: Mehr als sieben von zehn (71 Prozent Prozent) der 14- bis 29-Jährige nutzen täglich Intermediäre, um sich zu informieren.

Hashtag-Trends (also mit dem Raute-Symbol markierte Stichworte), Twitter-Topics oder Google-Empfehlungen können nicht nur die öffentliche Meinungsbildung prägen, sondern umgekehrt wiederum inzwischen sogar den gesellschaftlichen Diskurs beeinflussen.

Wolfgang Lieb studierte an der FU Berlin und an den Universitäten Bonn und Köln Rechtswissenschaften und Politik. Nach dem Staatsexamen und einer Promotion im Medienrecht war er Wissenschaftlicher Assistent an der neu gegründeten Gesamthochschule Essen und später an der Universität Bielefeld. Danach arbeitet er in der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes in Bonn unter Kanzler Helmut Schmidt. Mit der Kanzlerschaft von Helmut Kohl wechselte er in die Landesvertretung NRW. Unter Johannes Rau war er neun Jahre Regierungssprecher und später Staatssekretär im NRW-Wissenschaftsministerium.

Seit seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst ist er politischer Blogger der ersten Stunde und freier Autor

Diesem Text liegt ein Referat auf der Sommertagung des Wirtschaftsgilde - Evangelischer Arbeitskreis für Wirtschaftsethik und Sozialgestaltung - in Oberstdorf am 2. Juli 2021 zugrunde. Der Beitrag erscheint auch beim Blog der Republik.

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