Krise im Wohnungsbau: ifo-Institut warnt vor Rekord-Auftragsmangel
Wohnungsbaubranche unter Druck: Steigende Kosten, weniger Aufträge. Steht Deutschland vor einer Wohnraumkrise? Neue Daten alarmieren.
Die deutschen Wohnungsbauunternehmen stehen unter Druck: Immer mehr Aufträge werden storniert, der Auftragsmangel erreicht einen neuen Rekordwert. Damit wächst die Sorge, ob der dringende Bedarf an Wohnraum gedeckt werden kann.
Nach einer aktuellen Umfrage des Münchner ifo-Institutes klagten im Juli 40,3 Prozent der Wohnungsbauunternehmen über Auftragsmangel. Das sind 34,5 Prozent mehr als im Juni und 10,8 Prozent mehr als vor einem Jahr.
Klaus Wohlrabe, Leiter der Umfragen beim ifo-Institut, warnt: "Es braut sich ein Sturm zusammen". Nach einem langjährigen Boom würgten nun höhere Zinsen und drastisch gestiegene Baukosten das Neugeschäft förmlich ab.
Hinzu kommt, dass 18,9 Prozent der Unternehmen von kürzlich abgebrochenen Projekten berichten. Zum Vergleich: In den Jahren bis 2021 waren es nur 1,5 Prozent. Wohlrabe betont: Einerseits werden bestehende Aufträge storniert, andererseits kommen immer weniger neue Aufträge herein.
Noch werde die Situation nicht dramatisch, heißt es weiter beim ifo-Institut. Das liege daran, dass viele Unternehmen noch von den Aufträgen zehren, die sie in der Vergangenheit bekommen haben. Für einige Betriebe werde die Situation aber schon bedrohlich.
Ein Grund für diese Entwicklung ist die Zunahme von Finanzierungsschwierigkeiten. 10,5 Prozent der Wohnungsunternehmen meldeten in der jüngsten Umfrage Probleme in diesem Bereich, im Vorjahr waren es nur fünf Prozent.
"Viele Projekte sind unter den neuen Rahmenbedingungen für Investoren nicht mehr rentabel, und auch private Bauleute haben zunehmenden Probleme, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen", sagt Wohlrabe. Die Stimmung der Unternehmen hat sich deshalb weiter eingetrübt. Eine Mehrheit von ihnen rechnet mit einer weiteren Abkühlung der Lage.
Vor diesem Hintergrund hatte die Bauwirtschaft kürzlich ein Maßnahmenpaket von der Bundesregierung gefordert, um die Bautätigkeit wieder lukrativ zu machen. Neben steuerlichen Anreizen gehörte auch ein vorübergehendes Absenken der Umweltstandards dazu.
In letzterem Punkt möchte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) der Wirtschaft offenbar einen Schritt entgegenkommen. Mit Blick auf eine geplante Verschärfung der Energiestandards für Neubauten sagte sie am Montag: "Wir müssen auch eine Debatte führen, ob wir weitere Standardverschärfungen wirklich durchführen sollten".
Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, dass ab Anfang 2025 der Energieeffizienzstandard EH-40 für Neubauten gelten solle. Das würde bedeuten, dass die Vorgaben zur Stärke der Dämmung verschärft würden. Nun sagte Geywitz: "Ich glaube, es ist nicht die Zeit (…), hier noch einmal die Standards zu verschärfen".
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Dröge, sieht die Lösung in mehr staatlicher Förderung. Sie schlägt ein Programm vor, das die staatliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung und des sozialen Wohnungsbaus deutlich erhöht.
Während das erklärte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr in weite Ferne rückt, sieht es im sozialen Wohnungsbau düster aus. Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang will ihn mit öffentlichen Investitionsgesellschaften vorantreiben. Mit anderen Worten: Es sollen spezielle Fonds für den sozialen Wohnungsbau eingerichtet werden.
Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte Lang, man könne die Bahn oder die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) problemlos so ausstatten, dass die Schuldenbremse nicht berührt werde. Die Bima solle dann zum Beispiel in den sozialen Wohnungsbau investieren.
Dem erteilte Geywitz nun eine Absage. "Was man nicht machen sollte, wenn die Verfassung eine Schuldenbremse vorsieht, ist, jetzt einen Schleichweg zu finden", sagte die SPD-Politikerin.
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