Kritik unerwünscht
Der spanische Ministerpräsident Aznar entsendet nach der Ermordung der Geheimdienstmitarbeiter weitere Truppen in den Irak, die Opposition kündigte Proteste an
Ministerpräsident José María Aznar kommt wegen der Beteiligung Spaniens an der Besatzung im Irak erneut stark unter Druck. Erstmals seit Beginn des Krieges musste er sich am Dienstag im Parlament erklären, bisher hatte er es nicht einmal für nötig empfunden, die Entsendung der Truppen vor den Abgeordneten zu begründen. Hintergrund der neuen Kritik, die von der kommunistisch dominierten Vereinten Linken (IU) angeführt wird, ist ein Angriff auf spanische Geheimagenten des CNI nahe Bagdad. Sieben Agenten des "Nationalen Geheimdienstes" (Alter Wein in neuen Schläuchen) wurden dabei am vergangenen Samstag getötet.
Die IU macht die Regierung dafür verantwortlich und fordert den Rücktritt des Verteidigungsministers, weil Spanien sich an einer Besatzung nach einem "ungerechten Krieg" beteilige. Mit Mobilisierungen will sie Druck aufbauen, um einen Abzug des "militärischen und zivilen Personal" zu erzwingen, kündigte der IU-Generalsekretär Gaspar Llamzares an. So soll an die erfolgreichen Proteste im Frühjahr angeknüpft werden (Die Proteste in Spanien gegen den Krieg und die eigene Regierung werden stärker)
Eine Kostprobe der neuen Proteste bekam die PP am Montag im Parlament. Knapp 500 Besucher, Opfer der Franco-Diktatur, waren zu einer Ehrung nach Madrid gereist. Fast alle Oppositionsparteien hatten sie zum 25. Jahrestag der Verabschiedung der Verfassung dazu eingeladen. Nach einer Schweigeminute riefen die Franco-Opfer lautstark: "Nein zum Krieg". Dies erfuhren die PP-Abgeordneten aber nur aus den Medien, weil sie sich einer Auseinandersetzung über die Diktatur verweigern. Selbst die Franco-Stiftung wird noch von der Regierung finanziert während die Opfer der Diktatur auf Wiedergutmachung oder Anerkennung warten. Weder den Putsch 1936 noch die Diktatur hat die Partei bisher verurteilt.
Dass Aznar keine wirkliche Aussprache über seine Irak-Politik wollte, war von vorneherein klar. Die Opposition hatte schon im Vorfeld kritisiert, er versuche die Debatte in eine Ehrung für die Toten zu verwandeln, um die Situation emotional aufzuladen. Das Parlament trat ausgerechnet nach der Beerdigung der Agenten zusammen. Kritik war, schon aus Pietät, unerwünscht. Die Regierung hatte schon im Vorfeld deutlich gemacht, dass sich an der Unterstützung Spaniens für die US-Politik im Irak nichts ändert. Ein Rückzug sei "der schlechteste Weg", sagte Aznar und verlegte am Montag erneut 150 Spanier in den Irak, um die bisher stationierten 1300 spanischen Soldaten zu verstärken.
Die ausgestreckte Hand der Sozialisten (PSOE), deren Parteichef José Luis Rodríguez Zapatero den Konservativen nun einen "Konsens" anbot, schlug Aznar aus. Der Oppositionsführer wollte "alte Fehler" der Regierung vergessen und "Verantwortung" für eine Lage übernehmen, welche die Regierung verursacht habe. Er akzeptiert sogar einen Verbleib der Truppen im "Wespennest" Irak.
Doch Aznar ließ den Oppositionsführer auflaufen, nachdem er ihn auf den Leim gelockt hat. "Kompromisse schließt man auf der Basis von festen Positionen", erklärte er und sprach der PSOE jede Glaubwürdigkeit ab, weil sie seit dem Beginn des Konflikts ständig die Haltung geändert habe. Der oberste Sozialist hat sich erneut vorführen lassen und ist nun weder für die Gegner noch für die Befürworter spanischer Truppen im Irak glaubwürdig. Dass die PSOE so die schlechten Umfrageergebnisse für die Parlamentswahlen im Frühjahr korrigieren kann, ist kaum vorstellbar.
Ablenken konnte Aznar mit seinem Anti-Terror Diskurs erneut von der Tatsache, dass er den Krieg mit zahlreichen Lügen begründet hatte und seine Soldaten derzeit nicht einmal fähig sind, sich selber zu schützen. Auffällig ist, dass von den neun bisher im Irak getöteten Spaniern mindestens acht Mitarbeiter des CNI waren. Die sollten Informationen sammeln, um die Truppe zu schützen. Doch der irakische Widerstand pickt sich bei seinen Angriffen auf spanische Militärs gezielt die Agenten heraus. Offenbar liegen ihm genügend Informationen über deren Aktivitäten vor. Dass zeigte schon die gezielte Ermordung des zweithöchsten CNI-Agenten im Oktober vor seinem Haus in Bagdad (Spanischer Geheimagent im Irak ermordet). Der CNI war erst im letzten Jahr aus dem skandalträchtigen Cesid hervor gegangen. Mit der Geheimdienstreform wurde auch eine Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten geregelt (Spanien öffnet sich offiziell US-Geheimdiensten).