Künftig Bharat? Warum Indien umbenannt werden soll
Regierung strebt neuen Landesnamen an. Der steht zwar schon in der Verfassung. Dennoch könnte das Land vor einer Zäsur stehen.
Eine mögliche Umbenennung Indiens in "Bharat" sorgt derzeit für Aufsehen. Im deutschen Sprachraum war n-tv das eines der ersten Medium, dass mit der Meldung aufwartete. Der Sender weist in seinem Bericht aber auch darauf hin, dass der Name Bharat gar nicht so neu ist. Die indische Verfassung bestimmt die Namen "India" und "Bharat" in Teil 1, Artikel 1 seit 1950 als gleichwertig.
Was aber spricht dagegen, weiter von Indien zu sprechen? Die Bezeichnung geht auf griechische und persische Traditionen zurück, die die Menschen, die östlich des Industales leben, bereits im Altertum als "hindos" oder "indos" zusammenfassten.
Die Briten setzten die Benennung dann während der über 200 Jahre dauernden Kolonisierung des Subkontinents durch – weshalb der Name vielen immer noch sauer aufstoßen dürfte. Aus dieser Perspektive ist der neu-alte Name also durchaus legitim. Und der Westen hat sich schließlich auch daran gewöhnt, dass Bombay (wieder) Mumbai heißt und Madras inzwischen Chennai genannt wird.
Allerdings ist der Begriff Bharat in seiner gängigen Auslegung keineswegs neutral. Die Bezeichnung kommt zwar in einigen indischen Sprachen vor, darunter auch in Hindi भारत (bhārat) und stammt aus dem Sanskrit भारतम् (bhāratam). In einer der Veden wird damit ein jedoch nordwestindisches Königshaus bezeichnet, das im letzten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung existierte und das auch unter dem Namen "Aryavarta" (Land der Arier) firmiert.
Der Begriff Bharat ist also ausgesprochen exklusiv und polit-religiös aufgeladen, denn er geht auf den Kern der hindunationalistischen Geschichtsklitterung zurück. Demnach sind der Hinduismus und damit letztlich auch die indische Nation eine Schöpfung hellhäutiger Menschen aus dem Nordwesten des Subkontinents.
Exklusiv hinduistisches Indien
Die Vorstellung von einem exklusiv hinduistischen Indien geht bis ins Altertum zurück, was zum Beispiel jahrhundertelang andauernde, antibuddhistische Verfolgungswellen belegen.
Deshalb kann es auch nicht verwundern, dass heute extreme religiös-politische Organisationen wie der RSS den Gebrauch des Wortes Bharat offensiv propagieren.
Die Hindu-NationalistInnen stört es dabei keineswegs, dass die Briten den Arier-Mythos dankbar aufgegriffen haben, ihn kreativ erweiterten und zur Spaltung ihrer indischen Untertanen benutzten.
Der Hindutva-Ideologie kommt es vor allem darauf an, ihre polit-religiöse Deutungshoheit darüber auszubauen, was Indien ausmacht und wohin der Subkontinent sich entwickeln soll. Und diese Haltung nimmt teils auch messianische Züge an, wie sie auch in den USA oder in Israel anzutreffen sind.
Die Parallelen reichen weit über abstrakte Konzepte hinaus, und sie bleiben nicht auf symbolische Akte beschränkt: Heute benutzen auch Hindu-NationalistInnen israelische Taktiken, um die Muslime auf dem Subkontinent und vor allem in Jammu und Kaschmir zu unterdrücken und damit insbesondere in den USA ungeschoren durchzukommen.
Ein bedeutender Teil der Bevölkerung wurde aus Jammu und Kaschmir vertrieben und durch Siedler ersetzt. Zudem hat Indien eine starke Militärpräsenz in dem Gebiet aufgebaut und agiert gegenüber der kaschmirischen Zivilbevölkerung und Politikern als Polizeistaat.
Bulldozer gegen Häuser von Muslimen
Aber auch in anderen Teilen des Landes fahren Bulldozer auf, um Häuser von Muslimen zu zerstören und deren BewohnerInnen die Lebensgrundlage zu entziehen. (https://thewire.in/rights/demolitions-as-tools-of-collective-punishment-examining-instances-in-india-and-israel)
Von Gewalt können aber auch durchaus ChristInnen betroffen sein, wie zum Beispiel die Ereignisse im Frühjahr 2023 im Bundesstaat Manipur bewiesen haben. Dort hatte um Land ein Streit zwischen zwei Ethnien deutliche antichristliche Züge angenommen. Den Hindunationalisten wird vorgeworfen, diese Probleme weitgehend zu ignorieren und so die Straftaten von Hindus zu begünstigen.
Vielleicht ist die avisierte Umbenennung Indiens in Bharat auch ein Schachzug im Konflikt mit den 28-Parteien-Allianz "India" (Indian National Developmental Inclusive Alliance, die Ministerpräsident Narendra Modi und seine hindunationalistische BJP bei den Wahlen im nächsten Jahr schlagen will.
Wahrscheinlich soll das Parlament in Delhi zwischen dem 18. und dem 22. September in einer Sondersitzung über diese Frage befinden. Um künftig ausschließlich die Verwendung des Namens Bharat zu erzwingen, müsste jedoch die Verfassung geändert werden, was nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit möglich ist.
Bisher ist jedoch nicht viel mehr passiert, als dass das indische Präsidialamt Karten verschickt hat, auf denen Draupadi Murmu als "Präsidentin von Bharat" zum offiziellen G20 Dinner einlädt.
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