Künstliche Intelligenz: Über Risiken und Nebenwirkungen

Künstliche Intelligenz wird von Big Tech beherrscht und basiert auf schlecht bezahlter Arbeit. Der Staat hält sie für nützlich und schreitet zur produktiven Regulierung. (Teil 2)

Wer die erste Adresse für KI und deren Weiterentwicklung ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen: das US-amerikanische Unternehmen OpenAI, mit mehreren US-Dollar-Milliarden finanziert durch Microsoft.

Mit seinem Engagement versucht der einst übermächtige Software-Konzern, den Konkurrenten von Google und Meta Paroli zu bieten. So könnte unter anderem der Einbau von ChatGPT in der Microsoft-Suchmaschine Bing das Googeln alt aussehen lassen.

Das intelligentere Suchen im Internet zöge dann die User mehrheitlich zu Bing, und mit ihnen die einträgliche Werbewirtschaft mitsamt der auf einer Unmenge von persönlichen Daten basierenden Marketing-Maschinerie – die bisher noch Google zu einem der reichsten Unternehmen der Welt macht, weil es quasi ein Monopol besitzt.

Eine ähnliche Alleinstellung hat Meta inne, mit den sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder WhatsApp. Ein weites Feld für KI: Auf Basis von großen Sprachmodellen (Large Language Models), zu denen auch ChatGPT zählt, werden etwa künstliche Freunde kreiert, mit denen sich Teenager unterhalten können oder Leute, die sonst niemanden haben, mit dem sie reden können oder wollen. Und so einem Freund vertraut man natürlich eine Menge an, Einfallstor für viele schöne Marketingstrategien, neue Kunden zu bekommen.

Microsoft mit OpenAI, Alphabet (mit dem Tochterunternehmen Google) und Meta – wenige Konzerne beherrschen den Markt für die großen Sprachmodelle der Künstlichen Intelligenz.

In deren Schlepptau haben sich zahlreiche kleinere Firmen und Start-ups angehängt und entwickeln fleißig KI-Anwendungen für Spezialgebiete weiter.

Die Technologieunternehmen, die das Geschäftsmodell der computergestützten Überwachung frühzeitig verfeinert haben, bauten massive Infrastrukturen, riesige Datenspeicher und große Nutzerbasen auf. Konkurrenten konnten das nicht einfach nachahmen oder kurzerhand einkaufen. Auf diese Weise verstärkte sich das System selbst. Die früh daran beteiligten Unternehmen zählen heute fast zu all jenen Firmen, die wir als "Big Tech" bezeichnen.

Meredith Whittaker, Präsidentin des Messengers "Signal" bei netzpolitik.org

Ohne harte und billige menschliche Arbeit funktioniert KI nicht

Whittaker weist darüber hinaus auf die enorm zahlreiche und billige menschliche Arbeit hin, die hinter KI steckt. Um einen intelligenten Bildersuchdienst zu bekommen, muss man schließlich diese Bilder organisieren und beschriften, wie bei ImageNet geschehen:

ImageNet ist eine umfangreiche Sammlung von etwa 14 Millionen Bildern, die von Flickr, der Bildersuche und verschiedenen Webplattformen stammen und in etwa 20.000 Kategorien auf der Grundlage der WordNet-Taxonomie geordnet sind. [...] [Es] übernahmen schließlich 49.000 Arbeiter:innen aus 167 Ländern die Organisation und das Labeling der Daten.

Meredith Whittaker bei netzpolitik.org

Außerdem prüfen ständig Heerscharen von Honorarkräften in aller Welt die von KI zu verwendenden Inhalte auf Rassismus, Sexismus, Gewalt und weitere zu sperrende Darstellungen.

Diese Menschen sind unterbezahlt und arbeiten unter furchtbaren Bedingungen. Viele werden nicht für ihre Arbeitszeit bezahlt, sondern für ihre Leistung. Das heißt, für einen soliden Stundenlohn müssen sie wöchentlich Tausende Textpassagen bearbeiten.

Milagros Miceli, Leiterin der Forschungsgruppe "Daten, algorithmische Systeme und Ethik" am Berliner Weizenbaum-Institut

Diese Menschen arbeiten in Bulgarien, Argentinien oder Kenia.

Manchmal heißt es, ein US-Dollar pro Stunde sei in Ländern wie Bulgarien oder Kenia viel Geld. Aber das ist es nicht. Dennoch sagen die meisten Arbeiter:innen: Diese Tätigkeit ist ihnen lieber als ein anderer Job, zum Beispiel als Reinigungskraft. Das ist der Teil, den viele nicht hören wollen, wenn sie die Ausbeutung der Arbeiter:innen anprangern.

netzpolitik.org

Eine trostlose Alternative: Lieber die Nerven ruinieren als Knie, Rücken und Hände kaputt schrubben? Vor diese Wahl möchte wohl niemand gestellt werden. Aber dies gehört zum Alltag in den zitierten Ländern – und in vielen anderen.