Künstliche Intelligenz: Über Risiken und Nebenwirkungen

Seite 2: Übermächtige Konzerne und Fake News – nicht staatsgefährdend, aber...

Die mühevolle, schlecht bezahlte und an den Nerven zerrende Arbeit hat natürlich einen Sinn: Die KI greift auf alle möglichen Daten zurück, unterschiedslos auf alle Inhalte, gleich ob sie der Political Correctness entsprechen oder nicht. Das Problem ist von Social Media bekannt. Der Meta-Konzern beschäftigt in vielen Ländern Faktenchecker, die Facebook und Instagram nach falschen Inhalten durchforsten – was immer als "falsch" dann verstanden wird. Bezugspunkt sind Gemeinschaftsstandards, Verstöße dagegen sind:

  • Inhalte, die von gefälschten Konten erstellt bzw. verbreitet wurden
  • Inhalte mit bekannten Hassbegriffen
  • Inhalte, die zu schwerer Gewalt anstiften oder sie unterstützen könnten
  • Mobbing und Belästigung
  • Spam
  • Gewaltdarstellungen
  • Nacktheit und sexuelle Handlungen von Erwachsenen
  • Fehlinformationen zu COVID-19, die das Risiko von unmittelbar drohender Gewalt oder Körperverletzung erhöhen
  • Beiträge, über die eingeschränkte Waren oder Dienstleistungen (wie in unseren Gemeinschaftsstandards definiert) gekauft, verkauft oder beworben werden bzw. über die mit diesen gehandelt wird.

Im Idealfall unterhalten sich die Bürger in den sozialen Medien so, wie es das Heimatland ihrer Hersteller, also die USA, sowie die übrigen führenden Nationen der westlichen Welt als politisch unbedenklich und der Gesellschaft zuträglich erachten. Dies gilt selbstverständlich ebenfalls für die Datenbasis der KI-Systeme und deren darauf fußende Leistungen.

Dummerweise halten sich aber eine erkleckliche Menge von Leuten nicht an die Vorgaben. Ihre Unzufriedenheit mit dem Lauf der Welt, speziell ihrer Karriere und ihrem Liebesglück, ihr Ärger über die Ignoranz der anderen gegenüber den Fehlern der Mächtigen und Verschwörungen geheimer Mächte, ihre Sehnsucht nach der Würdigung ihrer überragenden Persönlichkeit, gepaart mit gepflegtem Hass gegen anders geartete Individuen – all dies und noch viel mehr kursiert im Netz.

Staatsgefährdend ist daran zwar nichts. Aber es hat das Potenzial, die Autorität der offiziellen Propaganda, wenn nicht zu unterlaufen, dann doch zumindest zu schwächen. Fake News und Hassrede erschweren das endlose Geschäft des Staates: Jeden Tag den Kampf aller gegen alle um das liebe Geld in geordneten Bahnen zu halten.

Die Leute sollen sich halt nicht an die Gurgel gehen, auch nicht verbal. Sondern sie sollen, jeder an seinem Platz, brav ihrer Arbeit oder ihrem Kapital nachgehen – und als gehorsamer Bürger dem Staat ein rechter Untertan sein.

...man muss das im Griff haben, also muss es reguliert werden

Das schreit natürlich nach staatlicher Regulierung. KI soll durchaus angeboten und genutzt werden können – von Unternehmen wie auch staatlichen Institutionen. Sie ist ja ein wesentliches Element der "Digitalisierung", die sich die Europäische Union (EU) und mit ihr vorneweg Deutschland auf die Fahnen geschrieben haben.

Im Kampf gegen die bisherige digitale Übermacht aus den USA und dem in dieser Hinsicht aufstrebenden China möchte die EU unbedingt aufholen (siehe auch "Digitalisierung: Europa muss führen, nicht imitieren").

Als Teil ihrer digitalen Strategie will die EU künstliche Intelligenz (KI) regulieren, um bessere Bedingungen für die Entwicklung und Nutzung dieser innovativen Technologie zu schaffen. KI kann viele Vorteile mit sich bringen, zum Beispiel eine bessere Gesundheitsfürsorge, einen sichereren und saubereren Verkehr, eine effizientere Fertigung sowie eine billigere und nachhaltigere Energieversorgung. Im April 2021 hat die Kommission den ersten EU-Rechtsrahmen für KI vorgeschlagen. Darin wird empfohlen, dass KI-Systeme, die in verschiedenen Anwendungen eingesetzt werden können, je nach dem Risiko, das sie für die Nutzer darstellen, analysiert und eingestuft werden. Die verschiedenen Risikostufen unterliegen […] mehr oder weniger Regulierung. Nach ihrer Verabschiedung werden dies die weltweit ersten rechtlichen Vorschriften für KI sein.

Europäisches Parlament

Welche abzuwehrenden Gefahren aus Sicht der Politik drohen, listet der Regulierungsentwurf auf:

KI-Systeme stellen ein unannehmbares Risiko dar, wenn sie als Bedrohung für Menschen gelten. Diese KI-Systeme werden verboten. Sie umfassen:

• kognitive Verhaltensmanipulation von Personen oder bestimmten gefährdeten Gruppen, zum Beispiel sprachgesteuertes Spielzeug, das gefährliches Verhalten bei Kindern fördert;
• Soziales Scoring: Klassifizierung von Menschen auf der Grundlage von Verhalten, sozioökonomischem Status und persönlichen Merkmalen;
• biometrischen Echtzeit-Fernidentifizierungssystemen, zum Beispiel Gesichtserkennung.

Europäisches Parlament

Das "unannehmbare Risiko", das hier KI darstellt, lautet: Menschen zu gefährlichen Aktionen zu verleiten, besonders Kinder, die leichter zu beeinflussen sind. Außerdem sollen Personen nicht automatisch sortiert und identifiziert werden. Das geht aus Sicht der Staaten offenbar zu weit. Die Sortierung ihrer Völker soll nicht mit einem System geschehen, das unter Umständen übers Ziel hinausschießt. Eine staatliche Nutzung wird dadurch aber nicht ausgeschlossen:

Einige Ausnahmen können zulässig sein: So werden beispielsweise Systeme zur nachträglichen biometrischen Fernidentifizierung, bei denen die Identifizierung erst mit erheblicher Verzögerung erfolgt, zur Verfolgung schwerer Straftaten und nur nach gerichtlicher Genehmigung zugelassen.

Europäisches Parlament