Künstliche Sonne im All - nicht aufgegangen

Znamya, ein russisches Sonnensegel, sollte die Erde bescheinen

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Schon des längeren geistert in Rußland die Vorstellung umher, man könne die entlegenen Städte Sibiriens während des langen Winters durch Licht aus dem Weltall erhellen, um Kosten zu sparen. 1993 wurde der erste Sonnenreflektor Znamya 2 mit einem Schirmdurchmesser von 20 Metern in die Erdumlaufbahn gebracht. Mit der unbemannten Versorgungsrakete Progress, die am 27. Oktober 1998 zur Raumstation Mir startete, flog auch Znamya 2.5 mit. Am Donnerstag, den 4.2.99, soll teder Reflektor mit einem Durchmesser von 25 Metern entfaltet und erstmals von der Besatzung der Mir gesteuert werden, um den Lichtschein von oben möglichst lange auf eine bestimmte Stelle zu fixieren.

Wenn alles gut gelaufen wäre, hätte man am Donnerstag, sofern es keine Wolken gibt, von Kasachstan bis nach USA und Kanada an bestimmten Orten den Sonnenreflektor als neuen Stern im Himmel sehen können. In Frankfurt sollte er um 18 Uhr 55 zu sehen sein. Der Lichtfleck auf der Erde hätte einen Durchmesser von etwa sechs Kilometern gehabt, aber der Spuk wäre auch schnell wieder vorbei gewesen. Gerade einmal ein paar Minuten hätte man, sofern die Astronauten den Scheinwerfer am Himmel auf die Beleuchtung einer Stelle fixieren könnten, den Lichtfleck wahrnehmen können. Nach 12 Stunden wäre dann der Reflektor mitsamt der Rakete Progress in die Erdatmosphäre eingetaucht und verglüht.

Aber das Unternehmen, das viel Aufsehen erregt hat, ist gescheitert. Die Astronauten konnten das Sonnensegel nicht entfalten, weil es sich in einer Antenne des Raumschiffs verklemmt hatte, das bereits einige hundert Meter von der Mir entfernt war, um das Experiment durchzuführen. Pech für Znamya, denn solche Pannen werden der weiteren Finanzierung nicht gerade förderlich sein - und man hatte große Pläne.

Znamya ist ein Projekt des SRC (Space Regatta Consortium), das 1990 gegründet wurde, aber seinen Ursprung in einem Beitrag zur Feier des 500. Jahrestags der amerikanischen Entdeckung hatte, der allerdings damals nicht finanziert werden konnte. Gegenwärtig sei SRC die einzige Organisation auf der Welt, die praktisch mit Sonnenenergie, Sonnenspiegeln und einem Weltraumbeleuchtungssystem arbeite.

Auch in Zukunft wollen die Russen weiterhin mit den Sonnensegeln experimentieren, wenn sie denn das nötige Geld auftreiben, das bislang für diese futuristische Vision nicht zur Verfügung steht. Der nächste Znamya soll im Jahr 2001 starten und einen Durchmesser von 70 Metern haben.

Bis zu einer wirklichen und dauerhaften Erleuchtung von Städten wäre der Weg allerdings noch weit. Dazu müßten Unmengen von Reflektoren auf eine geostationäre Erdumlaufbahn gebracht werden. Der Plan besteht darin, Reflektoren mit einem Durchmesser von 200 Metern in einem Schwarm von jeweils fünf Sonnensegeln in den Weltraum zu bringen, die mit einer dem Vollmond vergleichbaren Lichtstärke und einem beleuchteten Lichtkreis von 15-45 Kilometern Durchmesser auf der Erdoberfläche bis zu fünf große Städte illuminieren würden. Das Problem eines bewölkten Himmels sei prinzipiell lösbar. Auch wenn dieses Vorhaben angesichts der russischen Wirtschaftsprobleme derzeit völlig illusionär ist und sonst bislang niemand an einer solchen Beleuchtung der Erde aus dem Weltraum Interesse zeigt, haben Umweltschützer schon Bedenken geäußert, daß das künstliche Licht die Ökosphäre schwer beeinträchtigen würde, und Astronomen fürchten bekanntlich sowieso jede zusätzliche und störende Lichtquelle. Und der Müll im Weltraum würde damit wohl auch noch weiter zunehmen.

SRC allerdings meint, daß es keine Probleme damit gebe, wohl aber viele Vorteile. Beispielsweise wäre die Beleuchtung gut für die Bekämpfung von Kriminellen und Terroristen. Der Biorhythmus der Menschen werde nicht gestört, für Katastrophengebiete und große industrielle Maßnahmen sei ein Weltraumschwarm aus Sonnensegeln hingegen sehr nützlich. Profitabel wäre die Beleuchtung vom Weltraum aus, so hoffen die Russen, innerhalb von zwei bis drei Jahren, sofern die elektrische Beleuchtung auf Erden um die Hälfte zurückgehe.