Kurzer Prozess

Nach dem Auftauchen nicht zugelassenen Gentech-Reises in den USA verlangt die EU nun Pflichttests bei Importen von Langkorn-Reis

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Am 18. August informierten die US-Behörden die EU-Behörden, dass bei Stichproben von Langkorn-Reis Spuren der nicht zugelassenen Gentech-Sorte LLRice 601 aus dem Hause Bayer gefunden worden wären. An eine Rückholaktion denke man aber nicht, so die US-Verantwortlichen. Die EU reagierte dennoch prompt und fordert nun Tests bei Importen. Interessant ist in diesem Fall aber auch, dass Bayer die Versuche in den USA bereits 2001 einstellte, die verunreinigten Samples aber aus einer Ernte von 2005 stammen.

Bild: USDA.gov

Für das Jahr 2006 erwartet das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) eine Reisernte mit einem Marktwert von etwa 1,88 Milliarden US-Dollar. Fünfzig Prozent des Reises wird jährlich exportiert, etwa 80 Prozent davon sind Langkorn-Reissorten, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind. Ende Juli informierte nun Bayer Cropsience die US-Behörden, dass man auf Basis eines neu entwickelten Tests Spuren der Gentech-Variante LLRice 601 in Langkorn-Reis gefunden hätte. Dabei handelt des sich um eine herbizidresistente Sorte, die in den USA einige Jahre – konkret von 1998 bis 2001 - im Feldversuch gestestet wurde. Das Unternehmen beantragte aber nie eine Zulassung für das Produkt.

Die US-Behörden informierten in dem aktuellen Verunreinigungsfall zwar die Öffentlichkeit, sahen sich aber nicht dazu veranlasst, eine Rückholaktion zu starten. Bayer hätte eng mit den US-Behörden kooperiert und man wäre nach Durchsicht der vom Unternehmen zur Verfügung gestellten wissenschaftlichen Daten zur Ansicht gelangt, dass keine Gefahr für Mensch oder Tier bestehe, hieß es von Seiten des Ministeriums. Das mag erstaunen, zumal zwei bis drei Wochen für eine Unbedenklichkeitsprüfung etwas kurz gefasst anmuten.

Die Zulassungspraxis in den USA ist aber wesentlich einfacher als in der EU und wird deshalb auch von etlichen NGOs scharf kritisiert. Auch in der EU gibt es noch keine einheitlichen Standards (z.B. für Langzeitfütterungsversuche) und man verlässt sich primär auf Firmendaten. In den USA wird aber noch lockerer mit Gentech-Varianten umgegangen. So werden nicht die einzelnen Events umfassend geprüft, sondern es reicht manchmal bereits zu zeigen, dass durch die gentechnische Manipulation neue entstandene Substanzen – etwa ein Protein - bereits irgendwann bei einer anderen Sorte geprüft wurden.

Diese Vorgangsweise wurde selbst von Wissenschaftlern der US-Behörden kritisiert. Doch die Praxis ist von den gentech-freundlichen US-Regierungen der letzten zwanzig Jahre – inklusive der Clinton-Ära - bestimmt. Bis heute müssen in den USA Gentech-Produkte nicht gekennzeichnet werden und die fragwürdige Sicherheitsprüfung würde in Europa wohl Millionen Verbraucher auf die Barrikaden treiben.

Im jüngsten Verunreinigungsskandal beeilten sich die US-Behörden, Bedenken hinsichtlich einer möglichen Gesundheitsgefährdung zu zerstreuen. Eine Pressemitteilung hält gleich einleitend die Segnungen der grünen Gentechnik fest. Zum LLRice 601 heißt es, das neue Protein sei bei anderen Gentech-Sorten bereits geprüft und als unbedenklich eingestuft worden:

The protein found in LLRICE 601 is approved for use in other products. It has been repeatedly and thoroughly scientifically reviewed and used safely in food and feed, cultivation, import and breeding in the United States, as well as nearly a dozen other countries around the world.

Viele offene Fragen

Bei einer Pressekonferenz bestätigte der Staatsekretär für Landwirtschaft, Mike Johanns, dass die Verunreinigungen in Reissamples aus dem Jahr 2005 gefunden wurden. Das wirft zwangsläufig die Frage auf, wie die Kontamination zustande kommen konnte, obwohl die Versuche bereits vier Jahre zuvor, also 2001, abgebrochen worden waren. Die Erklärung von Bayer dazu ist mehr als vage. Das Unternehmen erklärte:

Diese Spuren stehen in Verbindung mit einem Entwicklungsprojekt, das im Vorfeld einer möglichen Vermarktung von gentechnisch verändertem Reis durchgeführt wurde.

Auf der Pressekonferenz von Mike Johanns zeigten sich darüber hinaus noch viele andere Leerstellen im Aufklärungsprozess. Johanns sagte, er hätte nicht danach gefragt, woher der verunreinigte Reis stammt. Auch wüsste er nicht, welche US-Staaten insgesamt davon betroffen sind oder ob kontaminierter Reis in den Handel gelangt ist. Das US-Internet-Portal foodnavigator zitiert ihn mit folgenden Worten:

In terms of the location of this sample and the information I've provided I can tell you very candidly, I didn't ask where this sample came from. I know it's long grain rice. I can't tell you if that came from this state or that state. The information that was provided to me was sufficient for purposes of ascertaining the safety of this, and I wanted to know where the process was at, and had it been through the process, and a whole list of things.

Bayer betont indes, dass das in LLRice 601 vorkommende Protein „von den Zulassungsbehörden vieler Länder darunter auch in der EU, Japan, Mexiko, USA und Kanada für eine Anzahl von Kulturpflanzen als sicher für den Einsatz in Nahrungsmitteln und Tierfutter eingestuft worden sei“.

Der EU schien das dennoch zu wenig. Ob nun aus Sorge um die Gesundheit von Tier und Mensch oder um einfach die Gelegenheit zu nutzen, den USA in diversen Handelsstreitigkeiten wieder einmal eins auszuwischen, reagierte sie jedenfalls rasch. Wenige Tage nach Bekanntgabe der Verunreinigung wurde beschlossen, von Reis-Importeuren künftig Zwangstests zu fordern. Die EU-Bedingungen für die Unbedenklichkeitsprüfungen würden, so die Begründung, nicht erfüllt werden:

The US authorities have said that these traces of the unauthorised GM rice in commercial rice do not pose safety concerns, and similar lines are legally on the US market for human and animal consumption. However, the EU practices a very strict policy of only allowing GMOs which have undergone full scientific assessment and authorisation in the EU. Under EU legislation, even traces of unauthorised GMOS are illegal. Therefore, any product containing GMOs which have not been authorised in the EU, such as the LL Rice 601, will be blocked from the EU market. This is to ensure that the highest possible level of consumer protection is maintained in the EU.

In den USA hat Bayer – obwohl eine Kommerzialisierung in diesem Land offensichtlich nicht erwägt wurde – eine nachträgliche Zulassung veranlasst. Amerikanischer Praxis zufolge könnte diese auch rasch erteilt werden. Denn offizielle Stellen wollen sicher auch einen Skandal wie StarLink vermeiden. Damals war eine nicht zugelassene Gentech-Maissorte in den Handel gelangt. Die Rückrufaktion kostete nicht nur die amerikanische Wirtschaft Millionen. Auch die öffentliche Hand musste mit erheblichen Summen einspringen.

Für gentech-kritische NGOs ist der neue Verunreinigungsskandal eine weitere Bestätigung ihrer Position, dass, einmal ausgesät, Gentech-Varianten schwer kontrollierbar sind. Verunreinigungen können schließlich nicht nur über Pollenflug verursacht werden, sondern über eine Vielzahl anderer Wege im langen Prozess von der Saat über Ernte und Verarbeitung bis zum käuflichen Endprodukt. Friends of the Earth gratulierte der EU zur prompten Reaktion und kritisierte die Biotech-Industrie als außer Kontrolle:

This incident highlights once again that the biotech industry is out of control. In Europe, we should learn a lesson from this and be extremely cautious about growing genetically modified crops ourselves.

Unabhängig von der jeweiligen Einschätzung ist Langkorn-Reis definitiv ein sensibles Produkt. Denn während das meiste an heute produzierten Gentech-Pflanzen - auch in den USA - in Futtertröge wandert, ist Reis ein Grundnahrungsmittel für viele Teile der Welt. Vor Gentech-Manipulationen warnen deshalb zahlreiche Experten. Die internationale Verflechtung des Reishandels könnte rasch zu einer Ausbreitung von Gentech-Reis führen.