Labour-Regierung unter Duldung der Scottish National Party?

... oder Große Koalition nach deutschem Vorbild?

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Obwohl (oder vielleicht auch weil) sie das Unabhängigkeitsreferendum im Herbst verloren hat, kann die Scottish National Party bei der britischen Unterhauswahl am 7. Mai aktuellen Umfragen nach darauf hoffen, die große Mehrheit der 59 schottischen Sitze im House of Commons abzuräumen und die Zahl ihrer Abgeordneten von 6 auf bis zu 56 (von UK-weit 650) zu steigern. Das würde vor allem zu Lasten der Labour Party gehen, bei der derzeit 41 Unterhausabgeordnete aus Schottland kommen.

Weil die Tories damit rechnen müssen, einen größeren Teil ihrer bislang zusammen 303 Sitze einzubüßen, könnte es erneut sein, dass keine der beiden großen Parteien über eine Mandatsmehrheit verfügt - und dass die Sitze der wahrscheinlich halbierten oder noch stärker gerupften Liberaldemokraten nicht ausreichen, um mit deren Unterstützung auf die erforderlichen 326 Mandate zu kommen.

Reicht es auch nicht für eine Koalition aus Tories und EU-kritischer UKIP (bei der die EU-euphorischen Liberaldemokraten kaum mitmachen dürften), dann könnte es sein, dass die SNP das Zünglein an der Wage wird. Dass sie mit den in Schottland sehr unbeliebten Tories zusammenarbeiten, haben SNP-Politiker wie Stewart Hosie bereits ausgeschlossen. Eine Kooperation mit der Labour Party wird dagegen eifrig diskutiert.

Am Wochenende forderte Premierminister David Cameron den Labour-Spitzenkandidaten Ed Miliband dazu auf, solch eine Zusammenarbeit auszuschließen, weil man das Vereinigte Königreich seiner Ansicht nach nicht einer Partei ausliefern kann, die es zerbrechen will. Gleichzeitig brachte der ehemalige Tory-Vorsitzende Lord Baker of Dorking eine gemeinsame Regierung von Tories und Labour ins Spiel und nannte dabei explizit die Große Koalition in Deutschland als Vorbild.

Anders als deutsche Sozialdemokraten ließ sich Milliband allerdings trotz entsprechender Aufforderung aus den Reihen der Labour-Abgeordneten aus Schottland nicht zu einer Einschränkung der eigenen Machtoptionen drängen. Er verlautbarte stattdessen, sein Ziel sei eine absolute Labour-Mandatsmehrheit und darauf konzentriere er seine Anstrengungen.

Alex Salmond - in Schottland so beliebt wie früher Franz-Josef-Strauß in Bayern. Und ähnlich selbstbewusst. Foto: Irekia. Lizenz: CC BY 2.0

Die meisten Beobachter in britischen Medien glauben, dass die Duldung einer Labour-Regierung wahrscheinlicher ist als der Einstieg in eine formelle Koalition - unter anderem deshalb, weil man sich Alex Salmond, den ehemaligen schottischen First Minister und wahrscheinlich neuen SNP-Anführer in Westminster, nur schwer in ein britisches Kabinett eingebunden vorstellen kann. Das würde nach Meinung der BBC sowohl dem Image von Labour in England, als auch dem der SNP in Schottland schaden.

Eine Duldung könnte auf einem formalen Abkommen basieren, in dem Labour der SNP Zugeständnisse macht. Salmond meinte dazu bislang nur, es müsse "Fortschritt" für Schottland geben. Konkreter wurde Nicola Sturgeon, die aktuelle SNP-Vorsitzende. Sie forderte mehr Selbständigkeit für das schottische Regionalparlament und die schottische Regionalregierung, mehr Geld aus London und eine langfristige Verschrottung der in Clyde stationierten Trident-Atomwaffen. Nachdem der Guardian berichtete, sie habe die letzte dieser Forderungen fallen gelassen, twitterte Sturgeon, tatsächlich habe sie lediglich gesagt, es werde nie ein SNP-Abgeordneter für Trident stimmen.

Können sich die SNP und Labour nicht auf einen "Confidence-and-Supply-Deal" einigen, wäre vorstellbar, dass sich eine Labour-Minderheitsregierung die nötigen Mehrheiten bei jeder Entscheidung neu holt. Dieses Modell gab es von 2007 bis 2011 im schottischen Regionalparlament. Dort bekam die SNP-Minderheitsregierung die fehlenden Stimmen meistens von Labour - und manchmal von den Tories.

Inzwischen hat die SNP die absolute Mehrheit im Pàrlamaid na h-Alba und macht sich daran, die Spätfolgen der Highland Clearances im 18. und 19. Jahrhundert zu beseitigen. Damals wurden Nominaltitel von schottischen Klanherrn in englische Eigentumstitel an Land umgewandelt. Das hatte zur Folge, dass heute 432 Lords und Earls die Hälfte des schottischen Bodens gehört. Weil viele davon in London leben und kein großes Interesse an der Entwicklung der Flächen zeigen, sollen unter anderem Änderungen im Erbrecht dazu beitragen, dass das Land an die Gemeinden oder in produktivere Hände geht.

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