Land unter: Wie wir uns in Zukunft vor Hochwasser schützen können

Auch die Lahn, ein Nebenfluss des Rheins, trat an den Feiertagen über ihre Ufer. Foto: Whgler / CC-BY-4.0

Landschaften sind überflutet, Menschen und Tiere werden evakuiert. Ernten dürften leiden. So könnte effizienter Schutz aussehen.

Seit rund zwei Wochen stehen in Deutschland ganze Landstriche unter Wasser. Große Teile Niedersachsens, wie etwa die Landkreise Göttingen, Northeim, Celle, Oldenburg sind komplett überflutet. Aus Äckern und Flüssen wurden gigantische Seenlandschaften.

Unter Wasser stehen auch die landwirtschaftlichen Flächen entlang der Weser, der Aller und der Ems. In Thüringen haben vier Pegel den Meldebeginn der Flüsse überschritten: die Werra, die Nahe, die Unstrut, Saale in Saalfeld-Remschütz und die Bere.

Auch in Teilen Nordrhein-Westfalens sowie in Sachsen-Anhalt haben Anwohner mit den Wassermassen zu kämpfen. Mehr als 100.000 Menschen, neben der Feuerwehr auch freiwillige Helfer, sind mit Sandsäcken und Pumpen im Einsatz.

Nutztiere werden gerettet, für Wildtiere wird Lebensraum knapp

Besitzer von Weidetieren stehen allerdings vor der Herausforderung, ihre Tiere auf höher liegende Weiden oder im Stall unterzubringen. In Telgte im Kreis Warendorf (NRW) hat ein Landwirt an Weihnachten selbst einen Deich gegen das Hochwasser der Ems gebaut.

Als das Wasser näher kam, errichteten sie mit Hilfe eines Baggers einen ersten improvisierten Deich aus aufgeschütteter Erde. Der Deich verschaffte der Familie immerhin ausreichend Zeit, ihre 90 Tiere und die Maschinen in Sicherheit zu bringen. Ein zweiter Deich, gebaut aus Sandsäcken, soll das Haus zusätzlich schützen.

Auch die Wildtiere fliehen vor dem Wasser. Dafür müssen sie ihren angestammten Lebensraum verlassen und finden immer weniger Nahrung. Für die Region Hannover rief der Kreisjägermeister eine sogenannte Notzeit aus. Das bedeutet, das Ausüben der Jagd in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten ist derzeit nicht erlaubt.

Zusätzlich sind Anwohner aufgerufen, Hochwasser- sowie die Rückzugsgebiete, die dem Wild noch zur Verfügung stehen, insbesondere mit Hunden zu meiden, um die Tiere nicht zusätzlich aufzuschrecken.

Wiesen und Felder sollen das Wasser puffern

Mancherorts wird auch Wasser auf Wiesen oder Felder abgeleitet, um Wohngebiete zu schützen. Damit nimmt man allerdings auch in Kauf, dass Ackerkulturen vernichtet werden. Darüber hinaus kann es zu kleinräumige Überstauungen kommen, welche ebenfalls zu Ertragsverlusten führen.

Besonders problematisch ist das Hochwasser für Ackerbaubetriebe auf schweren Böden, die ohnehin zu Staunässe neigen, denn Staunässe erzeugt Sauerstoffmangel im Boden. Aufgrund dessen können die Pflanzen weniger Nährstoffe aufnehmen.

Betroffen sind vor allem Winterweizen, Wintergerste und -Raps. Staut sich das Wasser über längere Zeit, kann dies den Ertrag stark beeinträchtigen. Wie groß der Schaden ist, hängt davon ab, wie schnell die Überstauungen zurückgehen und wie sehr der Witterungsverlauf in Frühjahr eine Regeneration der durch die Überstauung gestressten Pflanzen ermöglicht.

Wegen Dauerregen weniger Getreide ausgesät

Bereits im Herbst war es vielerorts zu nass, sodass Landwirte nichts aussäen konnten, weil sie wegen des Dauerregens nicht auf die Flächen kamen. Neben dem Dauerregen erschwerten auch überfrorene Felder die Aussaat.

Seit den geplanten Saatterminen mit regional sehr feuchter Witterung hat es teils immer weiter geregnet und vielerorts geschneit.

Die Äcker waren nicht mehr befahrbar, oder das Befahren der durchnässten Böden wurde erheblich erschwert. Glaubt man dem Statistischem Bundesamt, wurden im Herbst Wintergetreide auf 4,9 Millionen Hektar Ackerland für die kommende Erntesaison ausgesät.

Aussaatfläche kleiner als im Vorjahr

Somit ist die Aussaatfläche für Wintergetreide in diesem Jahr um 196.500 Hektar (rund vier Prozent) kleiner als die Anbaufläche des Jahres 2023. Demnach kamen rund sieben Prozent weniger Weizen in den Boden. Betroffen sind Winterweizen, Wintergerste, Roggen und Wintermenggetreide sowie die Weizen-Roggen-Kreuzung Triticale.

Die größten Abnahmen an Flächen sind in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und in Bayern zu verzeichnen. Bei Roggen und Wintermenggetreide meldet Destatis 27.400 Hektar ( 4,4 Prozent) weniger Aussaatfläche, so dass 600.700 Hektar Anbaufläche verbleiben. Winterraps wurde auf 1,1 Millionen Hektar gesät.

Damit verringerte sich die Fläche um 4,7 Prozent. Die hochgerechneten Aussaatflächen zur Ernte 2024 beruhen allerdings auf freiwilligen Meldungen von Ende November 2023 und zeigen somit nur Tendenzen auf.

Hochwasserschutz durch technische Lösungen

Eine aktuelle Studie an der Technische Universität Clausthal empfiehlt den Bau von vier neuen Pumpspeicherkraftwerken in Westharz. Diese könnten unter anderem zur Energiespeicherung sowie zur Bereitstellung von Trinkwasser im niedersächsischen Harz beitragen.

Mit dem Ausbau der Granetalsperre oder den Bau einer neuen Talsperre im obersten Innerstetal, könnten die zunehmender Winterniederschläge aufgefangen werden, glauben die Wissenschaftler, die das Wasser- und Energiemanagement in der Region beobachten.

Renaturierung von Flüssen, Schutz der Auenlandschaften

Die Technik der Vergangenheit sei nicht mehr ausreichend, um künftigen Hochwasser-Ereignissen zu begegnen, ist der Hydrologe Ralf Merz vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle überzeugt. Er verweist darauf, dass es immer weniger Flussauen und somit natürliche Überschwemmungsgebiete gibt.

Ufernahe Deiche haben in den vergangenen Jahrhunderten viele Überschwemmungsflächen von den Flüssen abgeschnitten, kritisiert auch das Umweltbundesamt.

So sind an den großen Strömen Rhein, Elbe, Donau und Oder, sowie an kleineren Flüssen wie Dosse, Ohre, Unstrut und Schwarzer Elster nur noch zwanzig Prozent der natürlichen Überschwemmungsflächen vorhanden.

Diese so genannten Hochwasserretentionsflächen haben im Fall von Hochwasser eine wichtige Funktion: Indem sie Wasser zwischenspeichern und in der Fläche zurückhalten, dämpfen sie den Verlauf einer Hochwasserwelle.

Diese Maßnahmen wären nötig

Schon an den Quell- und Nebenflüssen im ⁠Einzugsgebiet⁠ eines größeren Flusses müsse das Wasser zurückgehalten werden. Dafür nötig wären folgende Maßnahmen:

- Renaturierungsmaßnahmen an Bächen und Flüssen sowie den Schutz von Auwäldern.

- konservierende Bodenbearbeitung

- Schaffung von Grünland in der Landwirtschaft,

- nachhaltige Waldbewirtschaftung und Aufforstung mit resilienten Baumarten sowie

- Wiedervernässung von ehemaligen Feuchtgebieten und Mooren.

- Entsiegelung von Flächen, damit Wasser dezentral versickern kann.

Umdenken auch in der Stadt erforderlich

Ein Umdenken braucht es auch in urbanen Räumen: Wenn Regenwasser über Kläranlagen aufbereitet und gespeichert wird, könnte dieses in Dürreperioden als Gießwasser zur Verfügung stehen. Dafür müsste das Regenwasser durch speziellem Asphalt versickern können, beziehungsweise im Untergrund oder in Zisternen aufgefangen werden.

Pläne zur Umsetzung gibt es zuhauf. So zeigt ein 130-seitiges Papier von 2016 mit dem Titel "Wassersensible Stadt- und Freiraumplanung" Handlungsstrategien und Maßnahmenkonzepte zur Anpassung an Klimatrends und Extremwetter in Stuttgart auf.

Aussetzen der Schuldenbremse wieder im Gespräch

Noch sei das gesamte Ausmaß der Flutschäden nicht absehbar, erklärt Dennis Rohde, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Doch für genau solche Fälle gäbe es laut Grundgesetz die Möglichkeit, die Schuldenbremse auszusetzen.

Ob diese finanzielle Dimension erreicht würden, werde man genau prüfen. Bestätigt sieht er sich darin von einem Parteikollegen, SPD-Bundestagsabgeordneten Andreas Schwarz.

Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Im Fall von Naturkatastrophen oder anderen Notlagen kann sie jedoch ausgesetzt werden - falls die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt wird.

Derzeit prüft die Bundesregierung, ob die Fluthilfen nach der Hochwasserkatastrophe 2021 im Ahrtal ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse in diesem Jahr rechtfertigen.

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