Landtagswahl in Brandenburg: Warum (nicht) Woidke?

Porträt Dietmar Woidke mit nachdenklichem Blick zur Seite

Dietmar Woidke (SPD). Bild: photocosmos1 /shutterstock.com

Sozialdemokraten verringern Umfragen zufolge den Abstand zu den Rechtsnationalen. Doch genügt das für einen Sieg? Welche Positionen den entscheidenden Ausschlag geben könnten.

Im Vorfeld der Landtagswahl in Brandenburg spitzt sich der politische Wettstreit zwischen SPD und AfD zu. Laut einer aktuellen Umfrage des ZDF-Politbarometers hat die SPD mit 27 Prozent nur noch einen Prozentpunkt Rückstand auf die AfD, die derzeit bei 28 Prozent liegt.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte kürzlich erklärt, dass er im Falle eines Wahlsieges der AfD zurücktreten werde. "Ich habe im Amtseid geschworen, Schaden vom Land abzuhalten. Und das ist jetzt meine wichtigste Herausforderung", sagte Woidke in der rbb-Sendung "Ihr Plan für Brandenburg".

Sollte die AfD gewinnen, werde er die Verantwortung übernehmen und zurücktreten.

In einer überparteilichen Solidaritätsbekundung sicherte selbst der sächsische CDU-Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) Woidke seine Unterstützung zu und warb für den amtierenden Ministerpräsidenten. Kretschmer betonte die Bedeutung von Stabilität und Sicherheit, die Woidke für Brandenburg gewährleiste.

Neben prominenten Gesichtern wie Iris Berben und Henry Maske bekundete auch Schriftstellerin, Landes-Verfassungsrichterin und SPD-Mitglied Juli Zeh, die sich etwa in ihrem Roman "Über Menschen" mit einer brandenburgischen Affinität zur AfD auseinandergesetzt hatte, ihre Unterstützung für den Genossen.

"Dietmar Woidke ist der beste Mann fürs Land", appellierte die 50-Jährige an die Wähler, "gebt ihm eure Stimme, damit er weitermachen kann!"

Unmut eines Großteils der Brandenburger

Die AfD gewinnt mutmaßlich einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Zuspruchs daraus, dass sie sich gegenüber dem amtierenden Ministerpräsidenten als Anti-Establishment-Partei positioniert.

Woidke mit der Bundes-SPD in einen Topf zu werfen, die als Mitglied der Ampel-Regierung laut Alllensbach derzeit desaströse Zustimmungsergebnisse von drei Prozent in der Bevölkerung erzielt, würde allerdings zu kurz greifen.

So grenzte sich Woidke etwa Anfang August von der bisherigen SPD-Parteilinie ab, indem er sich für eine Vermittlerrolle Deutschlands im Ukraine-Russland-Konflikt einsetzte.

"Die Bundesregierung muss deutlich machen, dass sie alles dafür unternimmt, damit dieser schreckliche Krieg möglichst schnell zu Ende geht", sagte Woidke dem Tagesspiegel – und forderte eine verstärkte Nutzung diplomatischer Mittel zur Konfliktbeilegung.

Ob diese markanten Worte allein allerdings ausreichen, um den anscheinend wachsenden Unmut eines Großteils der Brandenburger zu besänftigen, ist fraglich.

Das Festhalten an einer "grünen" Zukunft

Auch in den Wahlprogrammen der beiden Parteien – obwohl in ihrer politischen Ausrichtung grundverschieden – auffallend ähnliche Fokus auf zusätzlichen Investitionen in Bildung, die Entlastung von Familien, weniger Bürokratie insbesondere zur Unterstützung des Mittelstands und des Handwerks sowie einer Aufholjagd in puncto Digitalisierung dürfte daran wenig ändern.

Denn die SPD betont in ihrem Wahlprogramm neben dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, insbesondere der Schiene nicht nur das Festhalten an einer "grünen" Zukunft beziehungsweise einem "klimaneutralen Umbau" der Wirtschaft, sondern auch den Erhalt des Asylrechts und die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt.

Das übrigens im Kontrast zum amtierenden Innenminister Brandenburgs und Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Michael Stübgen (CDU), der kürzlich mit seinem Vorschlag, das Grundrecht auf Asyl zumindest "formal" abzuschaffen, Aufsehen erregte.

Gehen AfD-Forderungen selbst der Kern-Klientel zu weit?

Die Unvereinbarkeit der Positionen von SPD und AfD dürften im Wesentlichen die Wahlkampf-Forderungen letzterer betreffen, die "Asylmigration" zu stoppen, das "Klimadiktat" zu beenden und den Ausstieg aus der Kohleverstromung rückabzuwickeln sowie den Medienstaatsvertrag zu kündigen und den Verfassungsschutz aufzulösen.

Zwar spricht sich auch die SPD angesichts der Vorfälle um den rbb und dessen entlassene Intendantin Patricia Schlesinger für eine Reform des Rundfunkstaatsvertrages inklusive "Deckelung der Gehälter" und "Beitragsstabilität" aus, das aber dürfte einigen AfD-Wählern wohl nicht weit genug gehen.

Dem Anspruch der SPD, "die gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt der Länder Berlin und Brandenburg" abzubilden, werden viele AfD-Wähler zudem misstrauisch gegenüberstehen.

Im Gesundheitsbereich plant die AfD außerdem die Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetzes und die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen, ein Punkt, der im Wahlprogramm der SPD nicht aufgeführt ist.

Zudem fordert die Partei ein Verbot der "Sexualpädagogik der Vielfalt in Kitas und Grundschulen" sowie ein Verbot der "Gendersprache" in Schulen.

Damit kann die AfD im Gegensatz zur SPD zumindest vorgeben, kursierenden Sorgen besonders des konservativen Teils der Landesbevölkerung zu begegnen, wenngleich Forderungen wie die nach einem Kopftuchverbot in öffentlichen Einrichtungen und der Begrenzung des Migrantenanteils in Schulklassen selbst die konservative Klientel aufgrund der Radikalität und der fragwürdigen Umsetzbarkeit vor den Kopf stoßen könnte.

Der Spitzenkandidat der AfD in Brandenburg

Außer Frage dürfte hingegen stehen, dass der Spitzenkandidat der AfD in Brandenburg, Hans-Christoph Berndt, klar dem rechtsextremen Teil der Partei nahesteht.

Das bezeugt zum einen seine Assoziation mit dem formal aufgelösten "Flügel" um den thüringischen AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke sowie den 2020 aufgrund rechtsextrem-neonazistischer Bestrebungen ausgeschlossenen Andreas Kalbitz, zum anderen auch sein Engagement für die als rechtsextrem eingestuften Bündnisse "Zukunft Heimat" und "Pegida".

Berndts Aussage anlässlich des Potsdamer "Geheimtreffens", es handle sich bei dem Konzept der "Remigration" nicht um einen Geheimplan, sondern um "ein Versprechen" dürfte in dem von Solingen angeheizten Gesellschaftsklima bei der konservativen Wählerschaft und anderen – ob nun zu Unrecht oder nicht – "besorgten Bürgern" wiederum eher verfangen.