Laternenfische: Wanderer im Restlicht der Meere

Seite 2: Die Fischerei auf Laternenfische steckt seit 40 Jahren in den Kinderschuhen

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Aus Sicht der Industrie, besonders bei den Herstellern von Fischmehl und Fischöl, sieht man einen Bedarf nach mehr Rohstoffen - die anhaltende Nachfrage übersteigt das Angebot. Und sie wird voraussichtlich mit der globalen Verbreitung der Aquakultur weiter wachsen. Noch sind vor allem durch den Fischereiaufwand diktierte wirtschaftliche Aspekte ein Hemmnis: Der Fang der Bewohner des Mesopelagials wäre im Vergleich mit den heute zu Fischmehl- und Öl reduzierten Fischen teurer, und es müssten eine Reihe wissenschaftlich fundierter Regeln für ihre Entnahme her, um die Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Umwelt oder das Ökosystem zu zerstreuen.

Eine im Gegensatz zu den Laternenfischen etablierte Tiefsee-Fischerei ist die auf den Blauen Wittling, ein Schwarmfisch des Nordostatlantiks, der in Tiefen von bis zu 1000 Metern vorkommt und der den kleineren Beutefischen auf ihren täglichen Vertikalwanderungen folgt. Er wird in großen Mengen gefangen und vor allem zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet. In einigen Ländern wie beispielsweise Portugal wird er als Speisefisch geschätzt. Der Bestand hat episodisch mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Verschiedene Fischereien auf den Blauen Wittling sind vom Marine Stewardship Council (MSC) als nachhaltig zertifiziert worden. Bild: Sea around us

Weltweit wurden Tiefseefischereien auf verschiedene Zielarten etabliert, doch Laternenfische sind davon bisher kaum betroffen. Dass die Befischung der kleinen Fische des Mesopelagials prinzipiell möglich ist, wurde und wird auf den Weltmeeren gezeigt. Die technologischen Herausforderungen sind groß und reichen von geeigneten Fanggeschirren über die Lagerung des Fangs bis hin zu seiner Verarbeitung. Das Ausmaß der aktuellen Befischung ist gering und hat den Charakter einer Experimentalfischerei, die bisher den Beweis schuldig geblieben ist, dass diese Fische in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen nachhaltig zu fangen sind. In der Vergangenheit hatte es bereits mehrere Versuche dazu gegeben.

Lampadena luminosa. Bild: NOAA Photo Library, SEFSC Pascagoula Laboratory; Collection of Brandi Noble, NOAA/NMFS/SEFSC / CC-BY-2.0

Ab 1977 befischten Trawler der Sowjetunion im südwestlichen Indischen Ozean und im Südatlantik die für essbar gehaltenen Arten Diaphus coeruleus und Gymnoscopelus nicholsi, zuletzt in einer Größenordnung von 50.000 Tonnen. Die Fischerei wurde 1992 eingestellt. Die UdSSR unternahm außerdem zahlreiche Forschungsreisen, ohne Massierungen mesopelagischer Fische zu finden, deren Dichte eine industrielle Befischung erlaubt hätte. Am ehesten kamen noch die Gewässer über dem Kontinentalabhang östlich der Grand Banks in Frage, außerhalb der kanadischen Hoheitsgewässer. Eine industrielle Ringwadenfischerei von Hectors Laternenfisch (Lampanyctodes hectoris) vor der Küste Südafrikas fing bereits 1973 mehr als 40.000 Tonnen.

Momentan werden Laternenfische der Gattung Benthosema pterotum im Golf von Oman befischt. Der Iran beabsichtigt langfristig, seine jährlichen Importe von 130.000 Tonnen Fischmehl durch Biomasse aus den eigenen Gewässern zu ersetzen. Dänen und Norweger erforschen die Fischerei des Mesopelagials im Indischen Ozean und in der Arktis, weitere Versuche finden in sub-antarktischen Gewässern statt. Vor Island hatte man 2008 mit der experimentellen Befischung des Lachsherings (Maurolicus muelleri) begonnen, einem Vertreter der Familie der Tiefsee-Beilfische.

Lachshering (Maurolicus muelleri), Seitenansicht (oben), Bauchansicht mit Leuchtorganen (unten). Bild: Edd48 / CC-BY-SA-3.0

2009 wurden 46.000 Tonnen gefangen, danach gingen die Fänge rapide zurück. Denn obwohl dann immer noch 30.000 Tonnen gefangen werden durften, wurde später kein Gebrauch mehr von der Quote gemacht. Nur wenig ist über die Bedeutung des Lachsherings als Nahrungsquelle für andere Arten bekannt, es gibt weder gesicherte Informationen über die Größe des Bestands, noch zu seiner Produktivität.

Rohstoffdienstleister Laternenfisch

Ressourcen-Strategen haben die Tiefe des Meeres als noch ungenutztes Potential an der Rohstoff-Front identifiziert. Auch in der EU denkt man über eine Intensivierung der Ausbeutung der Meere nach, im Rahmen der langfristig angelegten "Strategie des Blauen Wachstums".

Die proteinreichen Laternenfische sind von vornherein nicht unmittelbar für die menschliche Ernährung vorgesehen. Sie sollen vielmehr in die Aquakultur und in die Fischöl-Produktion wandern. Die schiere Menge ihrer Bestände lädt einige Beobachter zum Träumen über die Beendigung des Hungers auf der Erde ein. Darüber hinaus sollen Laternenfische als neue Quelle von Omega-3-Ölen und anderer angesagter Nahrungsmittelergänzungen dienen - der Neusprech unserer Epoche sieht in den Laternenfischen ein beträchtliches "Blue Growth nutraceutical potential".

Für die Industrie wäre das eine deutlich werthaltigere Verwendung als Fischmehl, noch dazu, wenn sich die aufwändige Reinigung mancher PCB- und dioxinbelasteter Fischöle des Nordatlantiks damit vermeiden ließe. Noch ist das Zukunftsmusik. Um den Kampf gegen den Welthunger geht es dabei allerdings dann nicht mehr, sondern nur noch ums Geschäft.