Leben in der toten Welt

Postapokalypse aus Ego-Sicht: "Metro: Last Light" ist – visuell beeindruckender Survival-Horror für PC und Konsolen

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Endzeitvisionen aus Sicht der Kunst siedeln meist zwischen Fantasy und Science-Fiction: In einer von Atomkrieg oder Pandemie zerstörten Welt herrscht Chaos und Anarchie und nur wenige Überlebende kämpfen um die verbliebenen Ressourcen. Typische postapokalyptische Gefahren wie gegnerische Parteien und alptraumhafte Mutanten bedrohen das Leben ebenso wie Ernährungsmangel, Krankheiten und Umweltkatastrophen. Hinter jeder Ecke lauert der Tod.

Action-geladene Filme wie die Mad Max-Trilogie mit Mel Gibson (deren Fortsetzung Mad Max: Fury Road mit Tom Hardy 2014 in die Kinos kommen soll) oder Danny Boyles 28 Days Later mit Cillian Murphy sowie große oder kleinere Produktionen nach Literaturvorlagen wie I am Legend (Buch: Ich bin Legende von Richard Matheson) mit Will Smith oder das realistischere The Road (Buch: Die Straße von Cormac McCarthy) mit Viggo Mortensen zeichnen bedrückende Szenarien, die sich Spieleentwickler zu nutzen machen.

In Action-Krachern wie Gears of War (aktuell: Gears of War: Judgment), Rage und Borderlands (aktuell: Borderlands 2) oder im Open-World-Rollenspiel-Shooter Fallout (zuletzt: Fallout: New Vegas) – erwachen diese toten Welten glaubhaft zum Leben. Dass der Spieler dabei virtuell in der Haut des Protagonisten steckt, ist ein Vorteil für noch mehr Immersion.

Mit Metro: Last Light (PC, Xbox 360, Playstation 3) gibt es nun wieder ein recht aufwendig inszeniertes Spiel aus dem Genre der postapokalyptischen Survival-Ego-Shooter – der neueste Teil einer Reihe, die sich zuletzt mit Metro 2033 (2010) einen Namen gemacht hat. Wie bei seinem Vorgänger hat das ukrainische Entwicklerstudio 4A Games Metro: Last Light auf den Romanen des russischen Autors Dmitri Alexejewitsch Gluchowski aufgebaut. Anders als zuvor basiert die Story jedoch auf keiner bestehenden Geschichte, sondern spielt zwischen Metro 2033 und der offiziellen Buchfortsetzung Metro 2034: An der beklemmenden Situation der Bevölkerung von Moskau hat sich zwei Dekaden nach dem Atomkrieg nichts geändert. Nach wie vor schützen sich die Überlebenden in den Katakomben der Metro vor der toxischen Atmosphäre.

In dem modernen Tunnelsystem der Metropole, das an ein älteres verzweigtes Tunnel- und U-Bahnsystem angeschlossen ist, lebt das Volk des vom Vorgänger bekannten Helden Artjom, der erneut das Schicksal der Metro-Bewohner sichern muss: Feindliche politische Gruppierungen aus Nazis und Kommunisten wollen die Herrschaft an sich reißen und versuchen eine Massenvernichtungswaffe in die Finger zu kriegen. Das soll Artjom verhindern.

Wer nun ein stumpfes Wege-frei-Schießen im Stile von Kassenschlagern wie Call of Duty erwartet, wird positiv überrascht. Spielerisch wechselt Metro 2033 zwischen der taktischen Schleich-Action von Genreklassikern wie Splinter Cell und ressourcenschonenden Schussgefechten à la S.T.A.L.K.E.R.. Diese Mischung verbindet 4A Games mit dem erzählerischen Tiefgang eines Half-Life 2.

Obwohl Artjom nur während der Ladevorgänge zwischen den Abschnitten spricht, funktioniert die Immersion mit dem Spieler tadellos. Denn der Held ist zu mehr als bloß Ballern fähig. Nachdem er zu Beginn am Schießstand zwischen mehreren Waffen wählen kann, darf der Spieler sie noch mit Upgrades wie Magazingröße, Schalldämpfer oder Zielfernrohr auf seine spezielle Spielart einstellen. Zur weiteren Standardausrüstung gehören Wurfgeschosse wie Granaten, Messer oder Brandbomben sowie eine Lampe, ein Generator, ein Nachsichtgerät, ein Feuerzeug oder ein einfacher Kompass.

Auf dem Weg zu seiner ersten Mission klettert Artjom durch den Gully zur Oberfläche. Die Ruinen von Moskau liegen ihm zu Füßen und über ihm kreisen Flugmutanten wie Geier auf der Suche nach Futter: – eine düstere Aussicht in malerischem Detail. Nun gilt es der Nadel des Kompasses zu folgen und zwischen Matsch, Schutt und Schrott einen Weg in die Höhle des Löwen zu finden. Natürlich bleibt Artjom nicht unentdeckt. Zuerst kriechen riesige, wenn auch lichtscheue Spinnen aus ihren Löchern und springen ihm an den Hals. Ähnlich wie in Alan Wake muss der Spieler sie zunächst mit dem Lichtkegel seiner Taschenlampe verfolgen und in eine Ecke drängen. Bei längerer Bestrahlung fallen sie betäubt und qualmend auf den Rücken und lassen sich schließlich den Todesstoß geben. Anders verhalten sich Hundemutanten: Schnell und wendig hüpfen sie aus dem Schussfeld, umkreisen Artjom und beißen ganz gern von hinten zu.

Wo hier die KI (künstliche Intelligenz) noch natürlich erscheint, schwächelt sie etwas bei menschlichen Gegnern. Statisch folgen sie ihren Laufwegen in düsteren Räumen, die Artjom durch das Ausschießen oder Ausschalten von Lichtquellen noch dunkler machen kann, um unentdeckt zu bleiben. Es bleibt dem Spieler überlassen, ob er Feindessoldaten leise betäubt, flink niedermäht oder ihnen durch Lüftungsschächte oder erhöhte Plattformen auszuweichen versucht. Jede Spielart hat ihren Reiz und löst Reaktionen beim Gegner aus.

Der Rambo-Spielstil veranlasst sie z.B., Alarm auszulösen und den Raum mit Giftgas zu strömen. Wer daraufhin nicht zur Gasmaske greift, überlebt die nächsten Sekunden nicht. Auch verseuchte Gebiete, wie die gesamte Oberfläche unter freiem Himmel, sind nur mit Gasmaske zu betreten. Wird ihr Sichtfenster beschädigt, rettet nur noch eine neue Maske oder die Flucht in eine sichere Zone. Außerdem verbraucht sich auf Dauer der Filter der Maske. Fünf Stück darf der Spieler mit sich tragen, sobald Artjom schwer zu atmen beginnt und langsam immer qualvoller keucht, wird es Zeit, ihn zu erneuern.

Artjoms Odyssee ist eine abwechslungsreiche Tour de Force mit laufend wechselnden Schauplätzen. Seien es aschgraue Sumpfgebiete, einsame Bunker, brüchig befestigte Bergwerksschächte, ölige Maschinenräume, unterirdische Märkte oder überfüllte Sitzungssäle: – der Spieler wird von einer Situation und der mit ihr verbundenen Stimmung zur nächsten geleitet. Obwohl der Ablauf von Metro: Last Light, abgesehen von einigen Nebenmissionen, linear verläuft, kommt nur selten das Gefühl auf, in eine unausweichliche Richtung gedrängt zu werden. Die Suche nach Ausgängen in Gebäuden, Außenlevels oder Tunnelsystemen und die Möglichkeit, die meisten Aufgaben im eigenen Stil zu lösen, eröffnen dem Spieler genau das richtige Maß an Entscheidungsfreiheit.

Leben in der toten Welt (10 Bilder)

Schön ist auch die Art und Weise, wie die ukrainischen Entwickler die Stärken der Ego-Perspektive nutzen: Die meiste Zeit ist mindestens eine Hand von Artjom im Bild, die auch ohne Befehl von außen „lebt“. Generell äußert sich Interaktion nicht nur im Abfeuern der Waffe. Der Held kann ein Feuerzeug zünden, um sein Notizbrett mit Infos zur laufenden Mission zu beleuchten und muss sich Blut und Dreck vom Sichtfenster seiner Gasmaske wischen. Um in dunklen Gängen und Höhlen Licht zu haben, muss er die Waffe beiseitelegen und den Generator für die Lampe antreiben. Auch Luftdruckwaffen muss er manuell aufpumpen, um Geschossen den richtigen Wumms zu geben. Sinkt die Lebenskraft des Helden im Kampf, kann der Spieler ihm Medizin in den Arm spritzen. Das und noch viel mehr zeigt, wie immersiv die Ego-Perspektive ein Spiel machen kann. Und dadurch, dass dies als so ungewöhnlich auffällt, werden die meisten anderen Ego-Shooter von heute alle ein wenig bloßgestellt. Ja, Metro: Last Light ist ein gutes Spiel.

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