Lebendige Bakterien im Weltall
Indische und britische Wissenschaftler behaupten, in Luftproben aus der Stratosphäre lebendige extraterrestrische Mikroorganismen gefunden zu haben
Die Pansperimentheorie, die seit einiger Zeit mehr Aufmerksamkeit findet, geht davon aus, dass irdisches Leben aus dem Weltall stammt. Bislang aber konnte noch kein außerirdisches Leben gefunden werden. Indische und britische Wissenschaftler behaupten jetzt, das erste Mal die Existenz von Bakterien aus dem Weltraum nachweisen zu können. In Proben, die von Ballons der Indian Space Research Organisation (ISRO) am 21. 1. 2001 aus der Luft der Stratosphäre entnommen wurden, fanden die Wissenschaftler "Klumpen lebensfähiger Zellen".
Schon seit mehr als 30 Jahren treten Fred Hoyle und Chandra Wickramasinghe, Astronomen an der School of Mathematics der britischen Cardiff University, für die Panspermientheorie ein. Sie besagt nicht nur, dass das irdische Leben aus dem Weltall stammt, sondern auch, dass noch immer neue Bakterien auf die Erde kommen. Große Mengen an Bakterien seien im kosmischen Staub enthalten, der fortwährend auf die Erde regnet und dadurch kontinuierlich extraterrestrische Bakterien mit sich bringt (Grippeviren aus dem Weltall?).
Im Staub des Leonidenschauers im Jahr 1999 hätten Messungen mit dem Massenspektrometer indirekt die Anwesenheit von lebendigen Zellen bestätigt. Ende des letzten Jahres hatten die beiden britischen Wissenschaftler zusammen mit Forschern der ISRO und dem Inter-University Centre for Astronomy and Astrophysics (IUCAA) in Luftproben aus 15 Kilometern Höhe angeblich Bakterien gefunden, die auf der Erde unbekannt sind (Leben aus dem Weltall). Dass die Luftproben von irdischen Organismen kontaminiert gewesen sein könnten, schlossen die Wissenschaftler damals ebenso aus, wie sie dies bei ihrem neuen Fund machen. Die Luftproben werden durch eine Vakuumpumpe in Kammern "unter strengsten aseptischen Bedingungen" gepresst und auf eine Temperatur von flüssigem Neon abgekühlt. Die von David Lloyd, Cardiff University, entwickelte Technik soll so leistungsfähig sein, dass "selbst die Anwesenheit eines einzigen kontaminierenden Mikroorganismus" verhindert werden kann. Gleichzeitig sorgt die Verwendung von fluoreszierendem Farbstoff, der auf das Membranpotential reagiert, für die Erkennung jeder einzelnen Zelle in den Proben.
Die Proben, die am Beginn des Jahres in der Höhe zwischen 20 und 41 Kilometer von Ballons entnommen wurden, die von Hyderabad starteten, werden sowohl in Indien als auch in Großbritannien unabhängig voneinander untersucht. Die Wissenschaftler von der Cardiff-Universität haben jetzt einen vorläufigen Bericht über die erste Auswertung vorgelegt, in dem sie angeblich untrügliche Beweise für die Existenz von lebendigen Zellen fanden. Eine Analyse der mikroporigen Filter, auf denen die Proben gesammelt wurden, wurde mit einer fluoreszierenden kationischen Carbocyanin-Lösung oder einer anionischen Oxonol-Lösung durchgeführt. Kationen durchdringen die Membranen von lebendigen, aber nicht von toten Zellen, während Anionen nur durch die Membranen von toten Zellen gelangen können. Lebendige Zellen, in die die fluoreszierende Lösung gelangt sind, zeigen entsprechende leuchtende Punkte unter ultraviolettem Licht.
Bei der Analyse wurden fluoreszierende Punkte in Form von Klumpen gefunden, die zwischen 5-15 Mikrometer groß waren. Die vermeintlichen Bakterien in diesen Klumpen seien zwischen 0,3 und 1 Mikrometer groß. Die Untersuchung mit der anionischen Lösung habe den Hinweis auf eine entsprechende Zahl von toten Zellen ergeben. Gefunden wurden lebendige Zellen auf allen Höhen, auf denen Proben entnommen wurden. Da die lokale Tropopause in Indien bei 16 Kilometer liegt - auf dieser Wetterschicht, über die hinaus normalerweise keine Luft von der Erde transportiert wird, ist der Großteil des Wasserdampfs zu finden -, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass in en Proben, die ab einer Höhe von 24 Kilometer gesammelt wurden, keine irdischen Bakterien mehr zu finden sind. Das sei natürlich besonders bei der Probe der Fall, die in 41 Kilometern Höhe entnommen wurde.
Nach der Menge der gefundenen Klumpen an Zellen in den Proben sagen die Wissenschaftler, dass auf die Erde täglich ungefähr eine Drittel Tonne an Biomaterial herabregnet. Chandra Wickramasinghe freut sich über die vorläufige Bestätigung der Panspermientheorie: "Wir haben seit mehr als zwei Jahrzehnten gesagt, dass das irdische Leben von Kometen stammt und dass Kometenmaterial, das Mikroorganismen enthält, uns noch immer in großen Quantitäten erreicht." Zur endgültigen Bestätigung müssten aber noch weitere Analysen vorgenommen werden.
Die Wissenschaftler waren bislang nicht in der Lage, die eine Kultur der angeblichen Bakterien anzulegen. Doch das macht Wickramasinghe noch sicherer, tatsächlich außerirdische Bakterien eingefangen zu haben, da normale irdische Bakterien leicht zu züchten seien. Kritiker wollen zunächst ausgeschlossen sehen, das eine Kontamination der Proben möglich gewesen ist.