Leben aus dem Weltall
Bei einem Experiment von britischen und indischen Wissenschaftlern soll der erste Beweis für außerirdische Bakterien gefunden worden sein
Schon seit mehr als 30 Jahren treten Fred Hoyle und Chandra Wickramasinghe, Astronomen an der School of Mathematics der britischen Cardiff University, für die umstrittene, allmählich allerdings anerkanntere These, die Panspermientheorie, ein, dass das irdische Leben aus dem Weltall stammt und dass noch immer neue Bakterien auf die Erde herabrieseln, die den kosmischen Staub bilden, der auch aus den Kometen ausgestoßen wird. Jetzt meldet Wickramasinghe, dass im Filter eines Stratosphärenballons Bakterien entdeckt worden seien, die es auf der Erde nicht gibt, und verkündet den ersten Beweis für die Panspermientheorie.
Gerade erst ist bei 2001 ein Buch von Fred Hoyle und Chandra Wickramasinghe - "Leben aus dem All" - erschienen, indem sie ihre Theorie und die Indizien auf ihre mögliche Richtigkeit vorstellen, aber auch, wie das bei verkannten oder abgelehnten Theorien oft der Fall ist, den Hang der etablierten Wissenschaft und der Gesellschaft kritisieren, nicht ins Weltbild passende Erkenntnisse beiseite zu schieben. Die Menschen haben, so die Autoren, die kopernikanische Revolution noch nicht richtig verdaut und seien gar noch arroganter geworden. Für sie übernimmt jetzt gar vor allem der Darwinismus die einstmals von der Religion gelehrte geozentrische Weltanschauung.
"Das Dogma hat sich lediglich vom geozentrischen Weltbild zu der ebenso unwahrscheinlichen Vorstellung verschoben, wonach das Leben, das komplexeste und komplizierteste Phänomen im ganzen Kosmos, sein Zentrum auf der Erde habe. Das neue Dogma ist jüdisch-christlichen Ursprungs, aber seine heutigen Wächter sind nicht mehr die Hohepriester der Kirche, sondern Wissenschaftler."
Das Buch ist eine lohnende Lektüre und außergewöhnlich klar geschrieben. Die Autoren führen gar Grippeepidemien auf Bakterien aus dem Weltraum zurück (Grippeviren aus dem Weltall?). Wie immer man zur Panspermientheorie steht, die seit der Vermutung von NASA-Wissenschaftler im Jahr 1996 weiter verbreitet wurde, dass auf dem Meteoriten ALH84001 vom Mars Spuren von Leben zu sehen seien, und durch Belege verstärkt wurde, dass Bakterien durchaus Reisen durchs All und das Eintauchen in die Atmosphäre in Meteoriten überstehen könnten (Leben auf oder vom Mars?), so verschiebt sie unbefriedigenderweise nur das Dilemma: Wenn das irdische Leben nicht zufällig oder notwendig aufgrund bestimmter Bedingungen auf der Erde vor vier Milliarden entstanden ist, sondern von außen eingeschleppt wurde, dann wird dadurch noch nicht die Frage gelöst, wie Leben überhaupt entstehen konnte. Das ist vermutlich weitgehend der Grund für die misstrauische Haltung vieler gegenüber der Panspermientheorie.
Neben der Unwahrscheinlichkeit der zufälligen Entstehung des Lebens und den "außerirdischen" Eigenschaften mancher Bakterien wie Deinococcus radiodurans (With a little help from my friends ...), extreme Bedingungen wie Ultraviolettstrahlung auszuhalten, ist für die Autoren vornehmlich das organische Material, das man ihm kosmischen Staub findet, ein Indiz für ihre Theorie (Organische Riesenmoleküle im Weltraumstaub gefunden). Trotz ihrer Robustheit würden Bakterien, die aus irgendeiner galaktischen Quelle in den interstellaren Raum gelangen, wenn sie ungeschützt sind, durch die kosmische Strahlung zerstört. Sie zerfallen nach Ansicht der Wissenschaftler zu freien organischen Molekülen und Polymeren, für deren Entstehung aus anorganischer Materie es noch keine befriedigende Erklärungen gebe.
"Die Theorie der kosmischen Panspermie, die wir vorschlagen, führt uns zu dem Gedanken, der interstellare Raum könne gleichermaßen Grab und Wiege kosmischen Lebens sein. Nur ein winziger Bruchteil (weniger als Billionstel) der interstellaren Bakterien in kleinen, dichten und dadurch vor der Strahlung geschützten Wolken müsste lebensfähig bleiben, damit die kosmische Panspermie in Gang käme."
So sollen etwa die Streuungseigenschaften von gefriergetrockneten Bakterien mit dann kleineren, hohlen Körpern den Bestandteilen des interstellaren Staubs entsprechen. Wenn dies denn so wäre, würde die Gesamtmasse dieses bakteriellen Materials an die 1033 betragen. Auf die Erde kommen Bakterien für die Wissenschaftler vorwiegend durch Kometen, von denen es in unserem Sonnensystem 100 Milliarden mit einer Masse geben soll, die so groß ist wie die von Uranus und Neptun zusammen. Kometen stoßen die organischen Teilchen aus. Untersuchungen des Kometen Halley im Jahr 1986 durch die russischen Vega-Sonden und die europäische Raumsonde Giotto haben ergeben, dass dieser in seiner aktiven Phase etwa eine Million Teilchen pro Tag an Teilchen freisetzt, bei denen Verbindungen mit Wasserstoff, Stickstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff vorherrschen. Die Größe entspreche der von Bakterien. Es handele sich höchstwahrscheinlich um komplexe organische Verbindungen. Ähnliche Erkenntnisse hätten sich bei den Kometen Hyakutake und Hale-Bopp ergeben. Da auf die Erde am Tag durchschnittlich 500 Tonnen Kometentrümmer heruntergehen, könnte dadurch unser Planet nicht nur vor vier Milliarden Jahren geimpft worden sein, sondern immer noch weiteren Zuzug erhalten.
Nachdem die NASA-Raumsonde Stardust, die im Februar 1999 gestartet wurde und 2004 dem Kometen Wildt begegnen soll, zwar Kometenstaub einsammeln soll, aber nicht darauf ausgerichtet ist, Mikroorganismen einzufangen, wäre es wahrscheinlich eher Zufall, wenn man bei seiner Rückkehr im Jahr 2006 womöglich Spuren toter Bakterien oder lebende Zellen finden würde. Daher haben die beiden Wissenschaftler zusammen mit indischen Wissenschaftler der Raumforschungsorganisation ISRO und dem Inter-University Centre for Astronomy and Astrophysics (IUCAA) Experimente geplant, um "ein für alle Mal" die Frage entscheiden zu können, ob es Bakterien im Weltraum gibt.
Kosmischen Staub gibt es nicht nur bei weit entfernten Kometen, sondern auch praktisch vor der eigenen Haustüre, nämlich die Partikel, die auf die Erde regnen. Nachdem bereits in den 60er Jahren in Luftproben aus über 30 Kilometern Höhe Spuren gefunden wurden, die auf Mikroorganismen hinwiesen, wobei offenbar mit steigender Höhe auch die Dichte der Mikroorganismen zunahmen, wurde jetzt auch ein Ballon im Zuge des indischen Experiments gestartet, in dessen Filter man bei einer Luftprobe aus 15 Kilometern Höhe Bakterien gefunden haben will, die auf der Erde unbekannt seien. Diese Entdeckung, so Chandra Wickramasinghe, sei das erste Mal, "dass wir einen direkten Beweis für die Hypothese besitzen, das Kometen andere Leben mit Leben impfen." Die Bakterien würden sich so sehr von den bekannten Arten unterscheiden, dass es dafür nur zwei Erklärungen geben könne.
Entweder seien "die Organismen von der Erdoberfläche in solche Höhen gehoben worden, haben sich vermehrt und sich mit der Zeit verändert", oder sie sind eben ein lebendiger Beweis für außerirdisches Leben. Dass die Luftproben von irdischen Organismen kontaminiert gewesen sein könnten, schloss Wickramasinghe aus. Die Luftproben werden durch eine Vakuumpumpe in sterilisierte Kammern gepresst und auf eine Temperatur von flüssigem Neon abgekühlt. Für die Sterilisierungstechnik bei der ist David Lloyd, gleichfalls von der Cardiff University. Die von ihm entwickelte Technik soll so leistungsfähig sein, dass "selbst die Anwesenheit eines einzigen kontaminierenden Mikroorganismus" verhindert werden kann. Gleichzeitig sorgt die Verwendung von fluoreszierendem Farbstoff, der auf das Membranpotential reagiert, für die Erkennung jeder einzelnen Zelle in den Proben.
Um irdische von möglichen außerirdischen Bakterien unterscheiden zu können, wird man die Proben auf das Isotopenverhältnis von C12 und C13 untersuchen. Schließlich könnten in Proben durchaus von außen auf die Erde strömende und von der Erde in die Stratosphäre gelangte Mikroorganismen eingefangen werden. Dass Bakterienkulturen auch in Wolken hausen, wurde erst unlängst entdeckt (High Life).
Und am 24.11. berichten die beiden Wissenschaftler, dass ein Infrarotspektrum des Schweifs des Leonidenmeteoritenschwarms im November 1999 ein Ergebnis zeige, das genau identisch mit dem eines Bakteriums sei.