Leistungsgesellschaft: Müssen Universitäten Gehirndoping verbieten?
Seite 2: Subjektive Effekte
Das heißt allerdings nicht, dass die Substanzen gar nichts bewirken. Die meisten Effekte sind aber eher subjektiv oder beziehen sich auf die Motivation. Wer sich müde fühlt oder Schwierigkeiten hat, den "inneren Schweinehund" zu überwinden, könnte hier noch am ehesten profitieren. Doch lesen Sie das bitte nicht als Empfehlung zum Drogenkonsum und denken Sie auch an die Nebenwirkungen.
In meiner Gehirndoping FAQ besprach ich die von deutschen Psychiatern durchgeführte Schachspieler-Studie im Detail. So realistisch wie dieser ist sonst kaum einer der pharmakologischen Versuche mit gesunden Versuchspersonen. Immerhin waren hier echte Schachexperten eingeladen, die immer wieder gegen einen Computer antreten mussten, der an ihr Niveau angepasst war.
Das beste Ergebnis kam hier mit dem Wirkstoff Modafinil zustande, der bei bestimmten Schlafstörungen verschrieben wird: Damit erzielten die Schachspieler 1,7 Prozent mehr Punkte als mit Koffein.
Statistisch signifikant war dieser Unterschied allerdings nicht. Zudem reagierten die Schachspieler unter Einfluss der Stimulanzien langsamer und verloren darum mehr Partien, weil ihnen die Zeit ausging. Das zeigt auch, wie stark solche Versuche von den Rahmenbedingungen abhängig sind.
Knapp 2 Prozent sind nicht die Welt – aber auch nicht nichts. Ehrlicherweise sollte man dazu sagen, dass das in einem Wettbewerb, in dem so gut wie alle gleichauf sind, den entscheidenden Unterschied machen kann. Das sahen wir gerade wieder bei den olympischen Winterspielen: Die minimalen Differenzen zwischen diesen Topsportlern wären im Alltag wohl irrelevant, bedeuten in ihrem Hyperwettbewerb aber die Welt.
Vieles am Gehirndoping oder Neuroenhancement ist also ein Hype. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, könnte es aber in der Praxis trotzdem eine entscheidende Rolle spielen. Wie sollen wir also damit umgehen?
Regulierung oder nicht?
Dieselben Neuroethiker, die der Welt seit Anfang 2000 weismachen, es handle sich um ein großes und wichtiges Problem (für das sie dann Forschungsanträge einreichen und bei entsprechender Finanzierung ihre Lösungen erarbeiten), meinen meistens, dass es keiner Regulierung bedürfe. Insbesondere handle es sich beim Konsum solcher Mittel nicht um Täuschung im akademischen Sinn, da es nicht gegen die Regeln sei.
Das kann man aber auch anders sehen: Amphetamin, Methlyphenidat, Modafinil – das sind laut Gesetzgeber alles Medikamente oder Drogen, für die es klare Richtlinien gibt. Und die besagen: Wenn überhaupt, dann darf man sie nur auf Rezept erhalten; und für die Vergabe solcher Rezepte muss sich auch die Ärzteschaft an bestimmt Regeln halten.
Das heißt: Entweder behandeln Ärztinnen und Ärzte damit eine psychische Störung beziehungsweise eine neurologische Erkrankung oder der Bezug der Mittel ist schlicht illegal. Im ersten Fall gehen die meisten Ethiker von keinem Problem aus, auch wenn man natürlich die explosionsartig gestiegene Verschreibung von Psychopharmaka kritisieren kann. Im letzten Fall braucht man eigentlich kein separates Verbot an Schulen oder Hochschulen, da es dann bereits ein strafrechtliches Verbot gibt.
Man muss beispielsweise an Unis auch nicht per Hausordnung verbieten, dass man seine Konkurrenten – ähh Kommilitonen – nicht ermorden darf. Immerhin ist Mord schon verboten. Und das Strafrecht gilt allgemein, nicht erst beim Betreten einer bestimmten Einrichtung.
Frei verfügbare Mittel
Anders ist das bei frei verfügbaren Nahrungs- oder Nahrungsergänzungsmitteln. Beispielsweise kann sich jeder in der Apotheke Koffeintabletten kaufen. Oder schlicht Kaffee, Tee oder auch Kola und Energydrinks kaufen.
Schon in unserer Abizeitung anno 2000 schrieben übrigens meine Mitschüler über mich: "Nimmt Koffein statt Schlaf." Meiner Erinnerung nach kam ich durch Koffeintabletten aber vor allem ins Schwitzen. Und weil der Schwarztee während des Studiums irgendwann zu Herzklopfen führte, stieg ich auf Grüntee um.
Ob das viel nutzt? Als gesellschaftliches Problem wird das eher nicht wahrgenommen. Tatsächlich scheint es beim Vergleich zwischen Koffein und den genannten Psychostimulanzien eher um einen graduellen als um einen kategorischen Unterschied zu gehen. Das machte auch die Studie mit den Schachspielern deutlich.