Leistungsgesellschaft: Müssen Universitäten Gehirndoping verbieten?

Seite 3: Kernfrage

Auch wenn Gehirndoping oder Neuroenhancement kein drängendes Problem zu sein scheint, wirft die Diskussion wichtige Fragen auf: Warum werden beispielsweise seit Jahrzehnten immer mehr Psychopharmaka verschrieben?

Paradebeispiel hierfür sind die immer häufiger diagnostizierten Aufmerksamkeitsstörungen (Kurioses über die Aufmerksamkeitsstörung ADHS). Aus pädagogischer Sicht kann man auch anders über das Problem denken (Nein, Ihr Kind ist nicht krank!). Ähnliches ließe sich über die "Volkskrankheiten" Burn-out oder Depressionen sagen.

Doch bleiben wir bei der Leistungsgesellschaft. Oder manche würden sagen: Hochleistungsgesellschaft. Gibt es irgendeine Grenze, bei der wir sagen: Bis hierhin und nicht weiter!

Die Diskussion um das Impfen hat gezeigt, dass manche Menschen einen kleinen Pikser als schweren Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit ansehen. Doch beim Substanzkonsum scheint der Widerstand weniger groß zu sein. Dabei gab es auch bei der Einführung des Kaffees vor mehreren Jahrhunderten ganz unterschiedliche Meinungen.

Müßiggängerische Adlige tranken lieber Kakao. Dieser war auch bei Katholiken beliebt, weil man so während der Fastenzeit Nahrung zu sich nehmen konnte, eben in flüssiger Form. Die Bürgerlichen, die für ihr Dasein arbeiten mussten, sahen im Kaffee aber ein willkommenes Mittel für die Konzentration. Und seit Luther war vielen Protestanten Arbeit ohnehin Gottesdienst.

Was ist natürlich?

Was ist hier natürlich? Was unnatürlich? Manche sehen Substanzkonsum zur Verbesserung bestimmter psychischer Eigenschaften als Verletzung ihres Wesenskerns. Andere wiederum denken, dass sie mit solchen Mitteln überhaupt erst diejenigen sein können, die sie wirklich sein wollen.

Wie eingangs erwähnt, sind Bildungseinrichtungen zur Verbesserung bestimmter psychischer Eigenschaften gedacht. Doch ist dafür jedes Mittel heilig? Ist nicht auch das Feierabendbier oder der Joint zur Entspannung häufig Ausdruck dafür, dass Menschen heute viel Stress erfahren?

Die Duke University im US-Bundesstaat North Carolina hat bereits reagiert: Die "unautorisierte Verwendung verschreibungspflichtiger Substanzen zur Verbesserung der akademischen Leistung" gilt dort ausdrücklich als Täuschung, so wie Plagiarismus oder die Angabe falscher Informationen.

Brauchen deutsche Schulen und Hochschulen eine ähnliche Regelung? Und wie ist das am Arbeitsplatz? Oder sollten wir es jedem Einzelnen – und damit auch dem Druck des Systems – überlassen? Wie weit darf der Leistungsdruck gehen? Oder haben wir wichtige Grenzen längst überschritten?

Hinweis: Dieser Artikel erscheint ebenfalls im Blog "Menschen-Bilder" des Autors.