Let the moon shine in
Die Geburt des Mondes
Carsten Münker und Mitarbeiter von der Universität Münster stützen ihre in Science vorgestellte Schlussfolgerung auf die vergleichende Analyse von Niobium (Nb) und Tantalum (Ta). Die Mineralogen haben Gesteinsproben vom Mond, der Erde, dem Mars und zahlreichen extraterrestrischen Körpern geprüft und finden unterschiedliche Nb/Ta Relationen. Für den Mond ermitteln sie einen höheren Quotienten (17,0) als für irdische Verhältnisse (14,0), und dennoch weniger als für den Mars und die übrigen "chondritischen" Körper aus unserem Sonnensystem (19,9).
Wie kann dieses Gefälle in eine logische Folge gebracht werden? Carsten Münker und Kollegen folgen der Hypothese, wonach der Mond ursprünglich ein Himmelskörper von der Größe des Mars war, der durch das Sonnensystem raste und mit der Erde kollidierte. Nur Computersimulationen lassen die Auswirkungen erahnen, die beispielsweise von einem Körper ausgeht, der mit 8 km/Sekunde angeflogen kommt. Selbst wenn man ins Kalkül zieht, dass über das 8fache des Erdradius die Temperatur auf mehr als 4.000 Kelvin ansteigt (A.W.G Cameron), bleiben Zweifel, ob die Erde in der Vorzeit so beschaffen war wie heute. Mehr und mehr Astronomen neigen dazu, dieser Zeit eigene Gesetzmäßigkeiten zuzugestehen, ganz so wie die Mediziner die Stammzelle für einmalig halten, weil das Material noch vielfältig formbar ist.
Die Mineralogen aus Münster datieren den Aufschlag in eine Phase, in der die Trennung von Erdmantel und Erdkern noch im Entstehen ist. Als wichtiges Indiz gilt der unterschiedliche Eisengehalt: der Mond ist eisenarm, die Erdinnere hingegen eisenreich. Niobium wiederum ist ein siderophiles Element und drängt zum Eisen. Angenommen, der gewaltige Zusammenprall und die enorme Hitzeentwicklung verstärken oder erzeugen den eisenhaltigen irdischen Erdkern, dann entsteht eine eisenhaltige Schmelze, in die Niobium leichter übergeht als in die silikathaltige Schmelze des Erdmantels.
Folglich wird vom ursprünglich chondritischen Körper, der mit unserem Planeten kollidiert, ein Teil des Niobiums in den Erdkern verschwinden. Aus dieser Sicht und weiteren mineralogischen Kenngrößen ziehen die Münsteraner den Schluss, dass 65 Prozent des Mondes aus dem Material des einschlagenden Himmelskörpers besteht. Da andere Forscher anhand von Isotopenuntersuchungen die Trennung in Erdkern und Erdmantel für einen Zeitraum vor 4,533 Milliarden Jahren datieren, muß der Mond mindestens so alt sein.
Die Theorien um die Entstehung des Mondes haben eine wechselvolle Geschichte. G. H. Darwin, der Sohn von Charles Darwin, vermutete, dass der Mond ursprünglich ein Bestandteil der Erde war und sich von dessen Kruste abspaltete. Andere sahen den Mond als Parallelentwicklung zur Erde, wobei die Gravitationskräfte ein geschwisterliches Planetensystem entstehen ließen. Wieder andere argumentierten, der Mond sei unabhängig von der Erde entstanden und zufällig im irdischen Gravitationsfeld gefangen geblieben. Dank der Apollo Mission, 1969 erstmals Mondgestein in die irdischen Labors brachte, erwies sich keine dieser Theorien schlüssig. Da kam den Astronomen ihre zunehmende Kenntnis über die frühen Phasen des Sonnensystems zu Hilfe.
Sie fanden Beweise für eine geradezu explosionsartige Entstehung, die zum Zusammenprall von Körpern führen musste. 1984, auf einer Konferenz in Kailua-Kona auf Hawaii wurde deutlich, dass zwei Arbeitsgruppen bereits über ein Jahrzehnt an der "impact hypothesis" der Mondentstehung arbeiteten, nämlich die Kollision eines großen Himmelskörpers mit der Erde, weil damit zugleich die Neigung der Erdachse erklärt werden konnte.
Alfred G. W. Cameron und William Ward (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, Massachusetts) datierten die Kollision auf einen Zeitraum, in dem die Erde nur halb fertig war. Ihr Argument war der Drehimpuls. Aus Computersimulationen schlossen sie, dass der Drehimpuls das Doppelte der gegenwärtigen Bedingungen für das Erde-Mond-System betragen müsste, sollte die Erde damals so groß gewesen wie heute. Falls die Erde erst 2/3 ihrer heutigen Dimension erreicht hatte, könnte ein Teil des kollidierenden Körpers, der den Mond gebar, wieder zurück geflogen sein. Diese Massen und spätere Einschläge von anderen Himmelskörpern sollten die Erde auf die heutige Größe gebracht haben.
William K. Hartmann und Donald Davis (Planetary Sciences Institute in Tucson, Arizona) stützten sich auf die Mondkrater als Residuen von Einschlägen sowie mineralogische Untersuchungen, nach denen die Erde im Unterschied zum Mond einen eisenreichen Kern besitzt. Sie vermuteten, dass die eisenhaltige Formation des Erdinneren schon bestand als der Aufprall erfolgte. Somit musste die Masse, die zurückgeschleudert wurde, von der eisenarmen Hülle stammen, was an der geringeren Dichte des Mondgesteins abzulesen sei. Der eisenhaltige Kern des kollidierenden Körpers sollte danach geschmolzen sein und sich mit dem Erdkern vermischt haben.
Carsten Münker und Mitarbeiter verknüpfen beide Aspekte zu einem Ganzen. Sie lesen aus dem Nb/Ta Quotienten ab, dass der Erdmantel zum Zeitpunkt des Aufschlages noch nicht abschließend gebildet war und zeigen, dass ein großer Teil des Himmelskörpers von der Erdoberfläche zurückgeprallte und nicht nur Brocken und Schutt.