Letzte Chance gegen Rechts? Linke setzt auf Zwangsbündnis in Spanien
- Letzte Chance gegen Rechts? Linke setzt auf Zwangsbündnis in Spanien
- Sozialdemokratie 2.0: Worauf man setzt
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Bei den Neuwahlen im Juli gilt ein Sieg der rechten Parteien als sicher: Die Sozialdemokratie 2.0 baut auf eine heftig zerstrittene Linke. Kommt ein Rechtsrutsch wie in Italien?
Eigentlich wollte neue spanische Linksbündnis Sumar (Summieren) nur bis Mittwoch über eine Koalition für die vorgezogenen Neuwahlen am 23. Juli verhandeln. Doch dann zog sich die zentrale Frage, ob sich auch die Linkspartei Podemos (übersetzt: "Wir können es") an dem Wahlbündnis beteiligt, bis Freitagmittag hin.
Dabei waren alle Beteiligten ohnehin davon ausgegangen, dass es, noch bevor die Einschreibefrist ins Wahlregister in der Nacht zum Samstag endete, eine Einigung geben würde. So war es dann auch. Allerdings hatte Podemos zwischenzeitlich für Unruhe gesorgt. Die Partei hat die Basis nämlich praktisch gesehen über ihre Selbstauflösung abstimmen lassen. Nur wusste die Basis davon nichts.
Letztlich haben 93 Prozent der Mitglieder abgestimmt. Niemandem der knapp 53.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war allerdings angesichts der diffusen Fragestellung klar, worüber eigentlich abgestimmt wurde.
Ein fatales Wahlbündnis
Die Frage war so formuliert, dass sie darauf abzielte, der Podemos-Führung einen Freifahrtschein dafür auszustellen, dass der Podemos-Koordinationsausschuss mit Sumar verhandelt und sich gegebenenfalls auf ein Wahlbündnis zwischen Podemos und Sumar einigt.
Realpolitisch geht es aber um eine Eingliederung und das hat niemand an der Basis beschlossen. Eigentlich hätte man die Basis über das Ergebnis der Verhandlungen abstimmen lassen müssen. So wurde auch bei Podemos Basisdemokratie nur simuliert.
Niemand wusste, unter welchen Bedingungen ein Bündnis geschlossen werden sollte.
Hätte die Podemos-Basis gewusst, dass die Partei keine eigene Fraktion im zukünftigen Bündnis bilden darf – anders, als es bisher in der Linkskoalition Unidas Podemos (Gemeinsam können wir es) üblich war, um den einzelnen Formationen Sichtbarkeit zu garantieren –, wäre das Ergebnis sicher anders ausgefallen.
So hat das Mitglied der Kommunistischen Partei (PCE), Yolanda Díaz, die volle Kontrolle über die Fraktion. Allerdings meint Díaz, sie sei nur noch aus "nostalgischen Gründen" PCE-Mitglied. Sie bezeichnet sich selbst als "sozialdemokratisch".
Das Ergebnis der Abstimmung wäre sicher auch anders ausgegangen, wenn die Podemos-Basis gewusst hätte, dass Podemos-Führungspersonen, die für viele an der Basis sehr bedeutsam sind, wie etwa die bisherige Gleichstellungsministerin Irene Montero, per Veto ausgeschlossen würden,
Zu diesem Kreis gehört auch der Parteisprecher Pablo Echenique, der nicht wieder ins Parlament einziehen kann. Das wurde Podemos von Sumar "aufgezwungen", machte er auf Twitter deutlich.
Irene Montero, die Lebensgefährtin des Podemos-Gründers Pablo Iglesias, schweigt sich bisher noch auf Twitter aus. Verzweifelt versucht derweil die Podemos-Chefin Ione Belarra das Veto gegen die Genossin aufzubrechen. "Das Veto muss aufgehoben werden", fordert sie. Sie macht deutlich, dass das Bündnis nur unter Erpressung zustande gekommen ist.
Uns wurde gedroht, dass wir aus der Wahlkoalition ausgeschlossen würden, wenn wir die Bedingungen nicht akzeptieren.
Ione Belarra
Yolanda Díaz hat das Heft in der Hand
Das Ansinnen von Belarra wird aber scheitern, da nun die Sumar-Gründerin Yolanda Díaz voll und ganz das Heft in der Hand hält. Deshalb wird vermutlich auch die derzeitige Sozialministein Belarra nicht wieder ins Parlament einziehen, weil sie gar nicht auf die Liste kommt oder nur auf einem schlechten Listenplatz.
Ausgerechnet die Podemos-Führungsfrauen sind für Díaz und ihr "feministisches Projekt" ein rotes Tuch. Um Feminismus geht es auch bestenfalls am Rande, es geht vielmehr um Macht.
Die Säuberungen haben also schon begonnen. Es war stets klar, dass Sumar auf das Aus von Podemos abzielt. Díaz hatte spalterisch bisher Podemos sogar komplett aus dem Prozess herausgehalten. Sie lenkte nur jetzt erst ein, weil sonst bei den Wahlen eine fatale Zersplitterung links der Sozialdemokraten zu erwarten gewesen wäre. Die wurde zum Beispiel in Huesca (Aragon) besonders deutlich.
Die "geeinte" Linke und ihre Gegner von Rechts
Dort traten, gleich vier Formationen links der PSOE an. Sie schwächten sich gegenseitig und stärkte die Rechte nur weiter. Keine der vier zog schließlich in den Stadtrat ein, obwohl sie insgesamt sogar auf fast 20 Prozent kamen. Dort kann nun die ultrakonservative Volkspartei (PP), wie in Madrid, Andalusien oder der Rioja sogar mit absoluter Mehrheit regieren.
Jetzt wird also unter dem Label "Movimiento Sumar" (Bewegung Summieren) eine "geeinte" Linke bei den kommenden Parlamentswahlen antreten, die natürlich trotz allem weiter völlig zerstritten ist. Die Konflikte werden mitgeschleppt, die über den Sumar-Gründungsvorgang sogar zugespitzt wurden, worüber Sumar weiter geschwächt wird. Dazu trägt auch die Eile bei.
Die war nur deshalb geboten, weil der sozialdemokratische Regierungschef Pedro Sánchez nach den fatalen Ergebnissen seiner Sozialdemokraten und der Linkskoalition Unidas Podemos die Parlamentswahlen eilig vom Dezember auf den 23. Juli vorgezogen hatte, um sich eine winzige Chance gegenüber der aufstrebenden Rechten zu wahren.
Seine Sozialdemokraten (PSOE) haben fast alle Regionen und großen Städte an die rechte Volkspartei (PP) abgeben müssen. Die kann nun bisweilen mit absoluter Sitzmehrheit regieren, wie schon zuvor in Andalusien.
Meist ist die Volkspartei, die von Ministern der Franco-Diktatur gegründet wurde und sich davon nie distanziert hat, aber auf die ultrarechte Abspaltung Vox angewiesen. Die Schwesterpartei der CDU hat mit den Ultras schon bisher gemeinsam in verschiedenen Regionen regiert.
Bei Sumar handelt es sich letztlich um eine erweitere Neuauflage von UP, allerdings unter völlig neuen Vorzeichen. Denn die Sumar-Gründerin Yolanda Díaz ist seit dem Abgang des Podemos-Gründers Pablo Iglesias längst UP-Chefin. Es war eine der vielen fatalen Fehlentscheidungen von Iglesias – zu diesen zählt vor allem sein politisches Aus bei den Regionalwahlen in Madrid vor zwei Jahren –, ausgerechnet Díaz als Nachfolgerin zu benennen.
Das geschah zudem per Fingerzeig, auch hier glänzte Basisdemokratie nur durch Abwesenheit. Den Fehler bereut Iglesias längst schwer.
Er und Podemos haben Díaz großgemacht, die ihn und sein Projekt nun definitiv beerdigt. Zuletzt hatte er noch alle Kraft aufgebracht, um gegen das Veto seiner Lebensgefährtin, Irene Montero, zu wettern. Er zieht, trotz seines unrühmlichen Abgangs, noch immer heimlich die Fäden bei Podemos und hatte deshalb auch großen Einfluss auf die UP-Koalition. Das geschah auch und besonders über Montero.
14 Formationen in einem Projekt
Nun mussten, wegen des halsbrecherischen Schachzugs des Hasardeurs Sánchez, aber eiligst 14 Formationen in einem Projekt vereint werden, dass ganz auf bisherige Vize-Ministerpräsidentin und Arbeitsministerin zugeschnitten ist. Díaz wollte Podemos heraushalten, um ihren Führungsanspruch in Sumar zu zementieren.
In dem angeblichen feministischen Bündnis soll nämlich wieder ihre Vereinte Linke (IU) und längst untergegangene Schwesterorganisationen wie ICV aus Katalonien den Ton angeben und nicht mehr Podemos. War die abgestürzte IU vor wenigen Jahren fast ausgelöscht, soll sie mit Díaz sozialdemokratisch gewendet, wieder die Führung links der Sozialdemokraten (PSOE) übernehmen. Das geschieht allerdings mit eher stalinistischen Methoden, die auch aus der PCE bekannt sind.
Der bekannte Schriftsteller Suso do Toro, der Díaz gut aus der gemeinsamen Heimatregion Galicien kennt, nennt Sumar ein "kommerzielles Experiment: ein Etikett ohne Programm, ohne Ideologie, ohne Organisation". Es drehe sich nur um "eine Figur, die Küsse verteilt".
Er wartet auf die Bekanntgabe der "Sponsoren", die für ihren Aufstieg werben. Eine Umbenennung in Sumar hält Díaz auch deshalb für nötig, da UP in der Regierungskoalition mit der PSOE von Sánchez eher sehr blass blieb.
Daran hatte aber Díaz einen starken Anteil, die den Positionen der PSOE nähersteht als denen von Podemos. Das zeigte sich auch am Streit über Waffenlieferungen in die Ukraine. Die lehnt Podemos ab und setzte sich für eine "radikale Diplomatie" ein.
Díaz befürwortet sie dagegen, wie den völlig aufgeblähten neuen Militärhaushalt. Die Arbeitsmarktreform der "Kommunistin" wurde mit den Unternehmerverbänden abgestimmt und vor allem von denen beklatscht, da 95 Prozent der Vorgängerreform erhalten blieben.
Versprochen hatten sowohl UP als auch die PSOE eine komplette Streichung der ultra-neoliberalen Reform, die den Kündigungsschutz beseitigt und Abfindungen massiv gesenkt hatte.
Podemos, die Díaz erst groß gemacht hatte, hatte stets auf eine "zentrale Rolle" in Sumar für eine Beteiligung an dem Projekt gedrängt. Podemos wollte demokratische Urwahlen zur Bestimmung der Spitzenkandidatin. Nun ging die Partei völlig in die Knie und ist zum Verschwinden verdammt.
Sumar, ohne Struktur, trat bei den Kommunal- und Regionalwahlen Ende Mai nicht an, weshalb es für die neue Formation wichtig war, wenigstens auf einen Teil der Podemos-Struktur zurückgreifen zu können.
Díaz wollte eigentlich noch die Zeit bis zum Jahresende nutzen, um eigen Strukturen zu schaffen. Auch deshalb musste UP in der Regierung Kröte um Kröte schlucken und verprellte immer neue Wähler, wie sich nun im Mai definitiv gezeigt hat.
Vor allem das von Sánchez gehätschelte Sumar-Projekt, das Sumar auch jetzt weiter hofiert, wurde durch dessen Manöver auf dem falschen Fuß erwischt, die Wahlen vorzuziehen. Er hat erreicht, was er wollte.
Er hat einen möglichen Konkurrenten geschwächt. Podemos als reale Alternative hatte seine PSOE stets zu eliminieren versucht, das ist nun geschehen.