Liberalismus im amerikanischen Sinne

Eine neue Partei will den deutschen Wählern eine sozialliberale Alternative bieten

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Letzte Woche hielten die Neue Liberalen einen Bundesparteitag ab und wählten einen Bundesvorstand: Er wird angeführt von Najib Karim, dem ehemaligen Vize-Vorsitzenden der FDP in Hamburg.

Herr Karim - warum haben Sie die Neuen Liberalen gegründet?

Najib Karim: In Deutschland fehlte bislang eine aktive sozialliberale Partei, die Freiheit als gesamtgesellschaftlichen Anspruch definiert.

Wie viele Mitglieder hat die Partei derzeit ungefähr?

Najib Karim: 300.

Kommen alle Mitglieder aus der FDP?

Najib Karim: Nein, die Mehrheit war bislang parteipolitisch überhaupt nicht aktiv. Viele kommen auch von den Piraten und den Grünen.

Haben Sie Angst, dass sie von U-Booten übernommen werden könnten, wie das den Piraten geschah?

Najib Karim: Die Gefahr besteht bei einer Neugründung immer, aber wir haben in der Satzung vorgesorgt für solche Fälle. Wir sind ja auch keine Protestpartei, in die man alles hineinprojizieren kann, sondern haben eine klare politische Ausrichtung.

Was wollen die Neuen Liberalen konkret anders machen als die FDP - und was genau so?

Najib Karim: Uns geht es darum, Freiheit nicht nur für uns oder bestimmte Gruppen zu verwirklichen, sondern uns für die Freiheit derer einzusetzen, die in unserer Gesellschaft am stärksten in der Freiheit eingeschränkt sind. Das bedeutet insbesondere, Freiheit aktiv zu ermöglichen. Es geht uns nicht so sehr darum, den Bürger nur vor dem Staat zu schützen, sondern der Staat kann die Freiheiten der Bürger auch befördern.

Das war jetzt ziemlich abstrakt. Was hätten die neuen Liberalen zum Beispiel anders gemacht, wenn sie an der letzten Regierungskoalition beteiligt gewesen wären?

Najib Karim: Wir hätten uns z.B. wahrscheinlich für ein Asyl von Herrn Snowden eingesetzt und nicht nur (wie die FDP) für eine Freilassung von Herrn Chodorkowski.

Gibt es theoretische Vordenker der Neuen Liberalen? Zum Beispiel Wilhelm Röpke? Oder Alexander Rüstow?

Najib Karim: Ja, aber wir speisen uns aus vielen Quellen. Ich persönlich bin durch amerikanische und britische Vordenker des New Liberalism geprägt, wie zum Beispiel Henry George.

Sind die Neuen Liberalen dann "Liberalism" im US-amerikanischen Sinne?

Najib Karim: Wir sind eindeutig sozialliberal. So wird in den USA Liberalism oft verstanden, ja.

Was wäre ein Beispiel für die soziale Komponente?

Najib Karim: Unsere Einstellung zu Monopolen, Steuern, Hartz IV und Bildung. Soll ich im Detail darauf eingehen?

Najib Karim. Bild: Public Address.

Wie ist ihre Position zu Hartz IV?

Najib Karim: Wir halten es für nicht menschenwürdig von Almosen zu leben, insbesondere wenn man in so einem System gefangen bleibt, ohne eine Perspektive zu haben. Deshalb unterstützen wir einen grundsätzlichen Umbau des Sozialsystems und wollen uns dabei am Bürgergeld (bzw. Grundeinkommen) orientieren.

Und bei welchen Monopolen sehen Sie Handlungsbedarf?

Najib Karim: Wir müssen nicht nur die staatlichen Monopole kritisch beäugen, sondern auch die privaten. Hier gibt es bedenkliche Konzentrationsprozesse im Medien- und Finanzbereich. Wir haben vielerorts nur noch Oligopole vorliegen, die ebenfalls sehr schädlich sind.

Ein oder zwei Namen dazu?

Najib Karim: Eine sehr wichtige Fragestellung zur Zeit ist die Situation bei Suchmaschinen und die Rolle von Google hierbei.

Was würden Sie im Fall von Google konkret vorschlagen?

Najib Karim: Google hat unheimlich viel zu unserer neuen digitalen Welt beigetragen, im positiven Sinne. Doch das haben seinerzeit Standard Oil und AT&T in ihren Geschäftsbereichen jeweils auch getan. Dennoch gab es einen Zeitpunkt, wo die Politik sagen musste, dass die Marktmacht reguliert werden musste. Ich sehe diesen Zeitpunkt für Google auch bald gekommen. Es kann sein, dass Googles Marktmacht im Sinne von mehr Wettbewerb regulativ eingeschränkt werden muss. Hierunter verstehe ich aber auf keinen Fall eine Verstaatlichung oder ähnliches.

Zum Schluss noch ein paar Worte zu Steuern und Bildung?

Najib Karim: Wir haben bei den Steuern das Problem, dass die gegenwärtigen Steuersätze weltweit Spekulationen fördern. Hier muss man an den Steuersätzen für kurzfristige Kapitalgewinne ansetzen. Es ist ja nicht so, dass es zu wenig flüssiges Kapital auf der Welt gäbe. Das Gegenteil ist der Fall. Im Gegenzug müssten die Steuern für andere Einkommen, insbesondere aus Arbeit, gesenkt werden.

Die Bildung ist das Fundament für faire Chancen. Hier sehen wir allerdings auch, dass sich die Schere bei den Bildungschancen nicht wirklich schließt. Sowohl an den Universitäten als auch in den Kindergärten. Wir brauchen auch hier eine neue Ressourcenverteilung. Mehr Investitionen in Bildung, aber vor allem auch mehr Ressourcen in die Fälle, wo Nachteile explizit ausgeglichen werden müssen, zum Beispiel in der Inklusion, aber auch in benachteiligte Stadtteile oder Regionen.

Hierzu gehört aber auch, dass wir den Bildungseinrichtungen mehr Freiheiten der Selbstorganisation geben müssen und dass Standards bundesweit stärker vereinheitlicht werden.

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