Libyen-Konferenz: Mit deutscher Fleißarbeit zur Ordnung im Chaos?

Seite 2: Ist das alles?

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Grundlegende Positionen der Mitspieler im libyschen Chaos, das, soweit herrscht Gewissheit, ganz sicher nicht im Interesse der Bevölkerung liegt und mit brutalen Menschenrechtsverletzungen einhergeht, haben sich nicht verändert.

Die Chancen für einen wirksamen Fortschritt hängen davon ab, wie viel Druck auf die beiden Anführer der gegnerischen Lager ausgeübt werden kann. Sarraj und Haftar sprechen nicht mehr miteinander, in Berlin wurden einzeln mit ihnen verhandelt. In Italien, als man ebenfalls die beiden zu einer Vereinbarung bringen wollte, kam es Anfang Januar zu einem Eklat, da Sarraj gekränkt seinen angekündigten Besuch absagte, nachdem er erfahren hatte, dass vor ihm schon Haftar in Rom war.

In Moskau weigerte sich Haftar vor kurzem, eine Waffenstillstandsvereinbarung zu unterzeichnen. Das wurde von Beobachtern als Zeichen dafür gelesen, dass der Druck auf den "Feldmarschall" Grenzen hat. Kann die Berliner Konferenz und die Folgemaßnahmen, auf deren Bedeutung man besonders hinweist ("Die Konferenz war ja nur ein Auftakt"), erreichen, was die russische Vermittlungspolitik nicht geschafft hat? US-Außenminister Pompeo, der ebenfalls anwesend war, ließ nichts Bedeutendes verlauten.

Würden Russland und die USA gemeinsam Druck auf Haftar ausüben, so hätte dies Auswirkungen auf die Unterstützung des Generals durch die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Ägypten. Bislang gibt es keine deutlichen Zeichen für eine nachlassende Unterstützung dieser Länder, von den Absichtserklärungen zur Konferenz abgesehen.

Die Ziele Haftars haben sich auch nicht geändert. Er will, dass die gegnerischen Milizen aufgelöst werden. Er hat die Waffenstillstandsvereinbarung in Moskau nicht unterschrieben, weil diese Forderung nicht aufgenommen worden war. Informationen von Experten zufolge forderte Haftar, "dass alle bewaffneten Gruppierungen im Land, die nicht in einer militärischen Ausbildungseinrichtung geschult wurden, aufgelöst werden".

Auf seine eigene Milizallianz würde dieses Kriterium nicht zutreffen, schon der Name "Libysche National Armee" verweist auf Haftars Anspruch, dass er Oberbefehlshaber "ordentlicher Streitkräfte" ist. Anzunehmen ist, dass Haftar auch die Berliner Erklärung, wonach die Milizen in Libyen am Ende des Prozesses aufgelöst und entwaffnet sein sollten, auf die gegnerischen Milizen bezieht und dass seine Streitkräfte künftig offiziell in die Armee übernommen werden.

Sein Vorteil gegenüber Sarradsch ist, dass er eine Menge Unterstützer hat - auch unter europäischen Ländern, Italien scheint umzuschwenken, Frankreich unterstützt ihn ganz offen. Auch die Unterstützung in der Bevölkerung spielt eine Rolle. Zudem ist er der starke Mann des Parlaments im Osten Libyens, das im Gegensatz zum Parlament in der Hauptstadt international anerkannt ist.

Die Hoffnungen von Sarradsch

Für seinen Gegenspieler Sarradsch liegt die Hoffnung militärisch bei der Türkei, finanziell bei Katar und politisch bei der Mitwirkung der UN, die ihn erst zum Regierungschef gemacht hat (ob der Berliner Fahrplan tatsächlich zu Neuwahlen führt, wie in der 55-Punkte-Erklärung anvisiert wird, steht noch völlig auf dünnen Boden).

Da die EU und Deutschland sehr darauf aufpassen, dass sie die Türkei nicht verärgern (siehe Die EU bestraft die Türkei? Ganz im Gegenteil: "Die Türkei hat die EU in Syrien und Libyen offen herausgefordert. Doch nun schlägt Brüssel zurück und kürzt Finanzhilfen? Schön wär’s"), kann Sarradsch weiter hoffen, zumal er auch von Russland wenn auch eingeschränkt - "im großen Rahmen" - unterstützt wird. Aus der Bevölkerung kommen wenig Zeichen für eine Unterstützung.

Machtdemonstrationen

Kurz vor der Konferenz zeigten Bilder, dass syrische Milizen in türkischen Flugzeugen nach Libyen gebracht wurden, und es gab die Nachricht, dass Ölhäfen geschlossen wurden und die Produktion in großen Ölfeldern gestoppt wurde.

Aus letzterem entwickelte sich ein Streit zwischen libyschen Beobachtern darüber, inwieweit dies allein auf Haftars Befehlskraft zurückzuführen ist oder auch auf Unzufriedenheiten in Fezzan, der Region im Süden Libyens, deren Stämme nicht unbedingt Anhänger und Befehlsempfänger Haftars sein müssen, aber auf jeden Fall Gegner einer Eimischung von außen.

"Angela Merkel stürmt auf ein neues Spielfeld"

"Wir verpflichten uns, uns nicht in den bewaffneten Konflikt in Libyen und in die inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen, und wir rufen alle internationalen Akteure auf, dasselbe zu tun", heißt es in Punkt 9 der Berliner Erklärung.

Angesichts der Interessen der Ölkonzerne, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Spaniens und Russlands, angesichts der ausländischen Truppen (einschließlich Frankreichs) und Waffen, die schon in Libyen sind, und angesichts der Überwachung, die im Falle eines Waffenstillstands möglicherweise nötig wird, zeigt sich wie abgehoben die Forderung ist.

Aber anscheinend hat sie der Berliner Regierung zu politischem Profil verholfen. Gabor Steingart klingt begeistert: "Angela Merkel legt im Spätherbst ihrer Kanzlerschaft ihren lakonischen Pragmatismus ab und stürmt mit der Libyen-Initiative auf ein neues Spielfeld der Weltpolitik. Man wird sehen, ob ihr Mut sie auch in ein mögliches robustes UN-Mandat mit deutscher Beteiligung führt."