Licht und Schatten
Die Energie- und Klimawochenschau: Des Jahresrückblicks zweiter Teil
2012 liegt hinter uns. In Süddeutschland verabschiedete es sich mit Rekordtemperaturen, während weite Teile Russlands von einer extremen Kältewelle heimgesucht wurden, die zahlreiche Todesopfer forderte. Es sieht ganz so aus, als wollte uns die Natur zum Ausgang des alten Jahres noch einmal zeigen, was sie an Kapriolen auf Lager hat.
Die globale Mitteltemperatur, ein Indikator für die Wärmeenergie, die im Klimasystem gespeichert ist, dürfte derweil das Jahr erneut zu einem der zehn wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen gemacht haben, auch wenn die Daten für Dezember noch nicht zur Verfügung stehen. In den ersten elf Monaten lag die globale Temperatur bei rund 14,54 Grad Celsius. Das hört sich nicht nach viel an, aber ist wie gesagt ein übers ganze Jahr und den ganzen Planeten gemittelter Wert. Nichts ist unsinniger, als diesen mit einem lokal und zeitlich begrenzten Ereignis vergleichen zu wollen, nach dem Motto: Wäre doch ganz nett, wenn es hier im Sommer etwas wärmer würde. Die globale Erwärmung wird unter anderem daran ersichtlich, dass im vergangenen Jahrhundert nur ein einziges Jahr geringfügig wärmer (14,59 Grad Celsius) war, und zwar 1998. Aber das war dominiert von einem ungewöhnlich starken El-Niño-Ereignis mit einer weitflächigen Erwärmung im tropischen Pazifik.
Derweil mag es hierzulande, wie im ersten Teil des Jahresrückblicks beschrieben, mancherlei Angriff auf den Ausbau der erneuerbaren Energieträger geben, im globalen Maßstab war das Bild 2012 jedoch gemischt. Auf der einen Seite treten die Investitionen in Sonne, Wind & Co. eher auf der Stelle, allerdings auf bereits relativ hohem Niveau. Auf der anderen Seite entwickelte sich der Markt für Windkraftanlagen in den USA, dem nach China zweit wichtigsten Land für diese Branche, stürmisch. Mehr als 12 Gigawatt (GW) sind dort neu installiert worden, was ein neuer Rekord ist.
Mehr noch: Jenseits des Atlantiks startet das Jahr mit besten Nachrichten für die Windindustrie, denn die Steuerrabatte, mit der die Windenergie eine Förderung von rund 2,2 US-Cent pro erzeugter Kilowattstunde erhält, wurden laut einer Meldung von USA Today für 2013 verlängert. Damit sind gute Voraussetzungen geschaffen, dass der Weltmarkt für Windenergieanlagen weiter expandiert.
Die Welt wird elektrifiziert
Auch sonst gab es jenseits des europäischen Gartenzauns 2012 manche gute Nachricht in Sachen Ausbau der Erneuerbaren. Mittlerweile gibt es in einer ganzen Reihe von Entwicklungsländern Programme, die Solarenergie in Dörfer bringen, die nicht ans elektrische Netz angeschlossen sind. Fotovoltaik ist dort inzwischen oft die günstigste Möglichkeit der Elektrifizierung und hat außerdem das Potenzial, die Abhängigkeit von Erdölimporten für Dieselgeneratoren zu vermindern.
Für die Ökonomien jener Entwicklungsländer, die ihren Energiebedarf größtenteils importieren müssen, sofern er nicht mit Holz gedeckt wird, wäre das ein erheblicher Vorteil, denn Öl ist inzwischen ziemlich teuer und aller Voraussicht nach ist bei den Preissteigerungen das Ende der Fahnenstange noch lange nicht in Sicht. Für die in der Nordsee geförderte Sorte Brent, die in Europa als Referenz gilt, oszilliert der Barrel-Preis seit Anfang 2011 um 110 US-Dollar. Hierzulande führt das übrigens aufgrund der von der Bundesregierung betriebenen Schwächung des Euros inzwischen zu Rekordpreisen für den Kraftstoff.
Die Dorfelektrifizierung bringt derweil auch einen erheblichen Entwicklungsschub mit sich: Nun kann dank der Batterien, die mit den Solaranlagen installiert werden, auch in der Dunkelheit gearbeitet und gelernt werden. Außerdem wird die Kommunikation erleichtert, denn die inzwischen sehr weit verbreiteten Handys können leichter aufgeladen werden. Alles in allem erlebt die Produktivität der nun versorgten Dörfer einen kräftigen Sprung.
Solarer Preisverfall
Unter anderem profitiert von der Elektrifizierung auch die medizinische Versorgung, da nun Medikamente besser gekühlt werden können und Ärzte auch abends praktizieren. Auch die sanitären Bedingungen lassen sich verbessern. In Indien wurde zum Beispiel zum Jahresanfang 2013 ein Programm angekündigt, das rund 1700 entlegene Walddörfer mit Hilfe von mit Solarstrom betriebenen Pumpen mit sauberem Trinkwasser versorgen soll.
Möglich gemacht hat diese Entwicklung ein dramatischer Preisverfall der Solarmodule. 2011 hatten deren hiesige Großhandelspreise um rund 40 Prozent nachgegeben, und in den ersten elf Monaten 2012 ging es noch einmal um 14,7 bis knapp 30 Prozent weiter in den Keller. Ursache für den erfreulichen Preisverfall ist zum einen eine dramatische Überproduktionskrise, die dazu führt, dass die meisten Hersteller ums Überleben ihrer Betriebe kämpfen und sich gegenseitig unterbieten, zum anderen aber auch erhebliche Steigerungen der Produktivität. Die Solartechnik ist endgültig in die Massenfertigung mit ihren Preisvorteilen eingetreten. Gerade in diesem Augenblick versuchen FDP und CDU-Politiker ihren weiteren Ausbau zu verhindern, damit billiger Solarstrom nicht den großen Energiekonzernen Konkurrenz machen kann.
Die Kälte, die aus der Wärme kommt
Hierzulande hielt 2012 mit klirrendem Frost Einzug. Insbesondere in der ersten Februarhälfte sanken die Temperaturen ziemlich tief. Allerdings waren das keineswegs neue Minusrekorde, wie seinerzeit in der Wochenschau erläutert (vgl. Die Kälte, die aus der Wärme kam). Wir wiesen darauf hin, dass derartige kalte Wetterlagen in Mitteleuropa von fehlendem Eis auf dem Barentmeer nordöstlich von Skandinavien und der östlich anschließenden Karasee begünstigt werden. Und diese Situation könnte sich in diesem Winter wiederholen. Derzeit ist auf den genannten Meeren die Eisbedeckung ganz ähnlich unterentwickelt wie vor einem Jahr, und man darf daher gespannt sein, ob dieser Winter vielleicht nicht noch ein paar eisige Überraschungen bereithält.
Die wissenschaftliche Diskussion über die Auswirkungen des Eisschwundes in der Arktis auf das Klima in Europa und Nordamerika gehörte 2012 vielleicht zu den interessanten Aspekten der Klimadebatte. Wird der Verlauf der Luftströmungen durch das fehlende Eis verändert? Wird der Polar-Jet, eine starke West-Ost-Strömung in einigen Kilometern Höhe, an der die Tiefdruckgebiete entlang ziehen, sich verlagern und stärker schlängeln? Einige Klimaforscher wie Jennifer Francis vom Institut für Marine- und Küstenwissenschaften der Rutgers University in New Jersey, USA oder
Vladimir Semenov vom Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozean Forschung vertreten diese Ansicht, aber die wissenschaftliche Debatte ist noch nicht abgeschlossen.
Eisschwund
In den nächsten Jahren könnte sie zunehmend an Bedeutung gewinnen, denn das Eis auf dem Polarmeer wird immer dünner. Sein Volumen nimmt sogar noch stetiger und schneller ab, als die sommerliche Bedeckung. Diese sorgte allerdings im August und September erneut für Schlagzeilen, denn in keinem Jahr zuvor war eine so große Fläche der Nordmeere eisfrei. Am 16. September 2012 wurde das Minimum erreicht. Die Eisausdehnung, dis zu zehn Prozent oder mehr bedeckte Wasserfläche, war nur noch 3,41 Millionen Quadratkilometer groß. Das waren gut 500.000 Quadratkilometer weniger, als beim vorherigen Minusrekord im September 2007.
Zu den möglichen Auswirkungen des Eisschwundes und der Erwärmung in der Arktis ist auf Telepolis wiederholt geschrieben worden. (Siehe zum Beispiel Das große Tauen) Während die oben erwähnten Auswirkungen auf das Wetter eher regional, wenn auch hierzulande durchaus nicht zu vernachlässigen sein werden, sind die Gefahren, die von zusätzlichen Treibhausgasemissionen ausgehen, sicherlich am bedrohlichsten. Unter den seichten sibirischen Küstenmeeren und im bisher dauerhaft gefrorenen Boden der arktischen Tundren lagern gewaltige Mengen an Methan und Kohlenstoff, die sich für das globale Klima als Brandbeschleuniger erweisen könnten. Wissenschaftlern aus einer ganzen Reihe von Ländern arbeiten fieberhaft daran, ihr Potenzial abzuschätzen (vgl. 1.700 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Permafrostböden gespeichert)
Um so deprimierender ist es da, dass die diesjährige Klimakonferenz mal wieder weit hinter dem eigentlich Nötigen zurückblieb (vgl. Doha: Klimakonferenz zu Ende). Immerhin gab es interessante Vorschläge von Entwicklungsländern wie Ecuador, das eine kleine Abgabe auf die Ölförderung vorschlug, die in einen Klimaschutzfonds eingezahlt werden muss. Ansonsten wird es aber inzwischen sehr eng für das Ziel, die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Dafür müsste der weitere Anstieg der globalen Treibhausgasemissionen spätestens 2020 angehalten werden und danach der Ausstoß der Klimagase zügig zurück gehen.
Immerhin scheint aber in den USA, seit vielen Jahren der größte Bremser in Sachen internationaler Klimaschutz, die Öffentlichkeit durch eine Reihe extremer Wetterereignisse aufgewacht zu sein. Beigetragen haben dazu unter anderem eine Hitzewelle im Frühjahr (vgl. Nordamerikanisches Treibhauswetter), eine lang anhaltende Dürre im Mittleren Westen (vgl. Welternährung: Preise klettern in extreme Höhen) und natürlich nicht zuletzt Hurrikan "Sandy" (vgl. Tropensturm "Sandy": Rückenwind für Obama), der den New Yorkern zeigte, wie wenig ihre Infrastruktur gegen einen steigenden Meeresspiegel geschützt ist. Meinungsumfragen zeigen, dass nach vielen Jahren der wissenschaftsfeindlichen Propaganda der Ölindustrie eine zunehmende Zahl von US-Bürgern den Klimawandel nun wieder ernster nimmt.
Unterdessen war 2012 für die großen Stromkonzerne, die im Konzert mit den Spitzen der Industrie derzeit versuchen, die Energiewende auszubremsen, ein ziemlich erfolgreiches Jahr. Eon rechnet mit einem Jahresgewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibung (EBITDA) von 10,4 bis 11 Milliarden Euro, sodass man davon ausgeht, eine Dividende von 1,10 Euro pro Aktie ausschütten zu können.
Für 2013 erhoffte sich der Vorstand ursprünglich eine Steigerung des EBITDA auf 11,6 bis 12,3 Milliarden Euro, glaubt aber angesichts "der erheblichen wirtschaftlichen Unsicherheiten und strukturellen Änderungen des Sektor-Umfeldes" nicht mehr, dass dies erreichbar ist. Immerhin ein kleiner Lichtblick, dass sich die Energiewende trotz der Bemühungen der Bundesregierung nicht so einfach mehr abwürgen lässt.
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