Liebesgrüße aus Damaskus
Warum sich Israel und Syrien nicht näher kommen, obwohl beide Seiten das eigentlich wollen
Der Lagebericht: Zweieinhalb Jahre lang haben Israelis und Syrer aus dem Dunstkreis der beiden Regierungen hinter verschlossenen Türen miteinander gesprochen und einen Plan für einen Friedensschluss entworfen. Der wurde dann am Ende Mitte Januar in der Zeitung HaAretz veröffentlicht und ist ein ziemlich ausgereiftes Grundlagenpapier, mit dem beide Seiten recht gut leben könnten: Syrien würde die Golan-Höhen zurück bekommen, die dafür zu einem visafrei zugänglichen Park würden, und eine entmilitarisierte Zone unter internationaler Überwachung würde künftige Eskalationen verhindern. Im Gegenzug würde Syrien seine Unterstützung für die Hisbollah im Libanon einstellen und die Büros von Hamas und Islamischem Dschihad in Damaskus schließen.
Die Zustimmung dazu ist zumindest in der israelischen Öffentlichkeit groß: Verschiedenen Umfragen zufolge sind zwischen 60 und 70 Prozent aller Wahlberechtigten für Verhandlungen mit Syrien, zumal der dortige Präsident Baschar al Assad in den vergangenen Monaten immer wieder mit freundlichen Äußerungen lockte. Doch Israels Regierungschef Ehud Olmert lehnt vehement ab, denn er steht unter großem Druck: Die amerikanische Regierung ist gegen Verhandlungen. Erst in der vergangenen Woche forderte Außenministerin Condoleeza Rice Jerusalem erneut dazu auf, sämtliche Kontakte sofort einzustellen - Syrien unterstütze den internationalen Terrorismus.
Dies ist die Geschichte einer schief gegangenen ménage à trois. Die Hauptakteure: Ein Regierungschef, der dringend einen Erfolg braucht, wenn er sein Amt behalten will. Eine Außenministerin, die gerne Präsidentin wäre, aber zunächst einmal zwei Probleme hat, nämlich ihren Chef und einen ziemlich verfahrenen Krieg. Und ein Präsident, der sich plötzlich mit einem Partner wiederfand, den er nicht liebt. Die Lösung, finden er und der Regierungschef, könnte sein, sich zusammen zu tun. Aber leider steht die Außenministerin dazwischen – und das ist die Frau mit dem Geld. Dies ist die Geschichte der syrisch-israelischen Beziehungen im Jahr 2007.
„Es hätte eine schöne Geschichte werden können“, sagt Avner Gold, Experte für internationale Beziehungen an der Universität Tel Aviv und lacht über den Einstieg:
Obwohl das alles ja eigentlich zum Heulen ist. Stellen Sie sich das mal vor: Wir haben einen Krieg hinter uns, und die Medien rätseln schon darüber, wann der nächste ausbrechen wird. Die Einzigen, die das verhindern können, sind die Syrer. Also würde man als normaler Mensch doch sagen: ,Lass' uns mit denen reden, bevor es zu spät ist.
Es wurde geredet, viel geredet sogar, dem Vernehmen nach mehr als zwei Jahre lang, also so viel, dass im Januar in der Zeitung HaAretz ein sehr weit ausgereifter Entwurf für ein Abkommen zwischen Syrien und Israel veröffentlicht wurde. „Die Hinrichtung einer Friedensinitiative“ nannte die Zeitung Jedioth Ahronoth die Veröffentlichung damals in ihrer hebräischen Ausgabe, denn in der reinen Lehre der Nahost-Diplomatie ist alles, was vor seiner Zeit das Licht der Öffentlichkeit erblickt, zum Tode verurteilt.
Doch heute ist ziemlich sicher, dass in dieser Sache kaum etwas der reinen Lehre entsprach:
Ich glaube fest daran, dass jemand, der bei den Gesprächen dabei war, das Dokument an die Medien gegeben hat. Nach den ablehnenden Reaktionen aus Jerusalem und Washington auf die Signale aus Damaskus war die einzige Möglichkeit, die Initiative am Leben zu erhalten, den Plan den Öffentlichkeiten auf beiden Seiten zur Abstimmung vorzulegen.
Avner Gold
Denn trotz allem betont Israels Premierminister Ehud Olmert bis heute, Syrien sei nicht bereit für Verhandlungen, müsse zunächst die Unterstützung für die Hisbollah im Libanon einstellen und das Büro der radikalislamischen Hamas in Damaskus schließen – Forderungen, die Beobachter vor allem auf Druck aus den USA zurück führen, denn Olmert, der sich bislang durch nichts als Stillstand ausgezeichnet hat, könnte von Verhandlungen mit Syrien nur profitieren: Die Öffentlichkeit will nicht nur sehen, dass er mal irgendwas tut, sondern auch, dass er einen neuen Krieg an der Nordgrenze verhindert.
Nach Aussage von Mitarbeitern des dritten Mannes (nach dem Präsidenten - momentan im Zwangsurlaub - und dem Parlamentssprecher - im Moment eine Frau) wäre er deshalb durchaus zu Gesprächen bereit, denn immerhin hatte ja bereits sein politischer Zielvater Ariel Scharon die geheimen Kontakte abgenickt, aber ein öffentliches Bekenntnis dazu ist nicht so einfach, wie es aussieht, denn die amerikanische Regierung, die Israel mit an rund acht Milliarden Euro im Jahr unterstützt, ist dagegen: Außenministerin Condoleeza Rice betont immer wieder, Israel müsse sämtliche Kontakte mit Syrien sofort einstellen, und erinnert daran, dass die Regierung des Landes Terroristen unterstütze. Die implizite Drohung, dass die Wirtschafts- und Militärhilfe für den jüdischen Staat nicht in Stein gemeißelt ist, schwingt dabei immer mit:
Es ist nicht so, dass Israel ohne die Hilfen nicht überleben könnte, aber es wäre schwierig, von heute auf morgen darauf verzichten zu müssen. Mittelfristig wären wir ohne sie vermutlich sogar besser dran, und das nicht nur, weil Israel daran gebunden ist, Produkte in den USA einzukaufen, die genauso gut auch hier produziert werden könnten, sondern auch weil die Regierung dann in vielen außenpolitischen Fragen viel unvoreingenommener handeln könnte.
Avnar Gold
Im Moment müsse Jerusalem zu viel Rücksicht auf Washington nehmen, und das sei problematisch, weil sich die Interessen der beiden Staaten immer öfter miteinander beißen.
„Das Problem für die USA ist, dass syrisch-israelische Verhandlungen das derzeitige Machtgefüge im Nahen Osten aus der Balance bringen könnten“, erläutert Ori Ben-Ami vom israelischen Fernsehsender Kanal 10, „und das könnte negative Auswirkungen auf die Lage im Nahen Osten und damit auch auf den Wahlkampf in den Vereinigten Staaten haben.“
Es seien vor allem zweierlei Dinge, die der US-Regierung Sorgen bereiteten: der Krieg im Irak und der Atom-Konflikt mit dem Iran. „Die Situation ist in beiden Fällen jetzt schon schlecht“, sagt Ben-Ami: „Wenn die Republikaner sich aber auch nur einen Hauch von einer Chance bewahren wollen, die nächste Präsidentschaftswahl zu gewinnen, darf es auf keinen Fall zu einer weiteren Verschlechterung kommen.“
Im Moment besteht zwischen Syrien und dem Iran eine strategische und wirtschaftliche Allianz, die nach einem Friedensschluss mit Israel obsolet werden würde (Zukunftsweisende Allianz zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Syrien?). Dies könnte die Islamische Republik dazu veranlassen, sich neue Partner in der Region zu suchen, möglicherweise verstärkt schiitische Aufständische im Irak zu unterstützen. Ein anderes Szenario wären eine Destabilisierung Syriens und/oder ein möglicher Putsch gegen die derzeitige Regierung. Auch wenn Washington Demokratisierungsbestrebungen von Exil-Politikern offiziell unterstützt, sei man an einem gewaltsamen Umsturz derzeit „nicht interessiert“, heißt es dazu aus dem dortigen Außenministerium: „Wir sind für einen geordneten Systemwechsel. Wir wollen keinen neuen Krisenherd im Nahen Osten.“
Beobachter in Syrien vermuten ebenfalls, dass vor allem die vermuteten Präsidentschaftsambitionen von Condoleeza Rice hinter der Zurückhaltung stecken: „Die Frau ist einfach über vorsichtig, will kein Risiko eingehen“, sagt ein syrischer Journalist, der darum gebeten hat, seinen Namen nicht zu veröffentlichen: „Das ist vor allem deshalb schade, weil hier offensichtlich ein Interessenkonflikt besteht – wir hier wollen Frieden und wirtschaftlichen Aufschwung; Rice möchte einfach nur die Wahlen gewinnen.“
Gespräche mit Israel seien zwar in der syrischen Öffentlichkeit nach wie vor ein heißes Thema - „aber das ist nach Jahrzehnten der beiderseitigen Verteufelung völlig normal“, so der Redakteur: „Letzten Endes wird die Einsicht siegen, dass unser Land von einem Frieden mit Israel stark profitieren könnte.“ Die Duldung der geheimen Gespräche und die Signale, die in den vergangenen Monaten von Damaskus aus nach Jerusalem gesandt wurden, seien allein schon Anzeichen für einen Sinneswandel der syrischen Regierung: Das Land erwarte von einem Frieden mit Israel nicht nur die Rückgabe der Golan-Höhen, sondern auch die Öffnung einer Landverbindung nach Afrika, eine stärkere Anbindung an den Westen, und damit auch, letzten Endes, den Ausweg aus einer wirtschaftlichen Krise, die bereits seit mehreren Jahren andauert.
Man muss sich bewusst sein, dass die Allianz mit dem Iran ein reines Zweckbündnis ist – ideologisch haben sich deren und unsere Regierung wenig zu sagen: Syrien ist nach dem 11. September auf der Achse des Bösen gelandet, in die Isolation getrieben und brauchte einen neuen Partner, weil ja zeitweise die Gefahr der wirtschaftlichen Isolation eines amerikanischen Angriffs bestand.
Natürlich sei diese Situation auch selbst verschuldet gewesen, glaubt Diplomatie-Forscher Gold: Jahrzehntelang habe Syrien die Aktivitäten extremistischer palästinensischer Gruppen und der Hisbollah im Libanon unterstützt und zeitweise auch gefördert, um damit den Druck zu mindern, den die Hunderttausenden von palästinensischen Flüchtlingen und deren Nachkommen erzeugen, um im Libanon, den Damaskus als Teil Syrien betrachtet, mehr als nur einen Fuß in der Tür zu haben, und auch um Israel immer wieder daran zu erinnern, dass es keinen Weg an einer Rückgabe der Golan-Höhen vorbei gibt.
Sein syrischer Kollege glaubt derweil Anzeichen dafür erkannt zu haben, dass die Haltung Assads gegenüber der Hisbollah zurückhaltender geworden ist:
Noch vor ein paar Jahren wäre der Krieg im vergangenen Sommer ein guter Anlass für Syrien gewesen, wieder im Libanon einzumarschieren. Dass dies nicht geschehen ist, lag an den geheimen Gesprächen, aber auch daran, dass die Hisbollah unserer Politik langsam unheimlich wird – das Letzte, was Assad will, ist ein Erstarken islamistischer Bewegungen in Syrien. Das würde die Gefahr eines gewaltsamen Umsturzes vergrößern.
An der Hisbollah setzt in Israel aber auch die Kritik an Verhandlungen an: Während in Syrien vor allem mit Gegenwehr von Seiten der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen zu rechnen ist, die einen Ausgleich mit Israel ohne ein gleichzeitiges Abkommen mit den Palästinensern ablehnen, befürchten die israelischen Gegner von Gesprächen, dass Israel am Ende viel gegeben, aber nichts bekommen haben könnte. „Die Fragen sind, wie ernst es Syrien wirklich meint und wie viel Einfluss Damaskus wirklich auf die Hisbollah hat“, sagt Benjamin Netanjahu, dessen rechts-konservativer Likud-Block den, allerdings ziemlich schwachen, Widerstand gegen Verhandlungen anführt: „So lange wir dies nicht wissen, sind der Golan und seine strategische Position für Israel überlebenswichtig.“
Kaum eine Rede ist im Moment allerdings von den rund 17.000 israelischen Siedlern, die auf den 60 mal 25 Kilometern großen Golan-Höhen leben: „Mein Eindruck ist, dass die Leute dort noch gar nicht realisiert haben, dass es diesmal ernst werden könnte“, sagt Journalist Ben-Ami:
Die Politik auch auf der Rechten konzentriert sich derweil vor allem auf strategische Fragen und hat sich insgeheim damit abgefunden, dass man den Golan irgendwann wird aufgeben müssen – er ist nun einmal der Schlüssel zur Ruhe im Norden. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass die Zeit davon läuft, denn so lange sich nichts bewegt, wird Syrien nicht aufhören, die Hisbollah zu unterstützen. Irgendwann wird die so stark sein, dass sie Syrien nicht mehr braucht.
Dem schließt sich auch Wissenschaftler Gold an:
Gerade weil Washington versucht, den Status Quo zu halten, so lange es geht, ist er in Gefahr – die Möglichkeit eines Umsturzes im Libanon ist sehr real und wird mit jedem Tag, an dem man nicht wenigstens Syrien, aber am Besten auch den Iran in einen internationalen Dialog einbezieht, größer. Meine Prognose ist, dass direkt nach den Wahlen in den USA aus der ménage à trois ein tête à tête werden wird.