Lieferkettengesetz: EU-Regulierungswahn oder Schutz für Mensch und Umwelt?
Das EU-Lieferkettengesetz spaltet Meinungen: Ist es bürokratischer Wahnsinn oder ein notwendiger Schritt für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit?
Unternehmen entziehen sich dem deutschen Arbeits- und Umweltrecht, indem sie ihre Produktion ins Ausland verlagern. Dem möchte die Europäische Union mit ihrem Lieferkettengesetz einen Riegel vorschieben. Der FDP und den Freien Wählern gefällt das gar nicht.
Das EU-Lieferkettengesetz ist formal eine EU-Richtlinie, die in nationales Recht umgesetzt werden muss. Die EU will damit Unternehmen für Missstände in ihren Lieferketten haftbar machen können. Dazu zählen Verstöße gegen Menschenrechte oder Umweltauflagen. Die Vorgaben des EU-Lieferkettengesetzes sind strenger als die des bisherigen deutschen Pendants.
Was gilt aktuell in Deutschland?
Ein nationales deutsches Lieferkettengesetz ist bereits seit 2023 in Kraft und verpflichtet Unternehmen, für die Einhaltung internationaler Menschenrechts- und Umweltstandards entlang der eigenen Lieferkette zu sorgen. Konkret geht es um Kinderarbeit und die Ausbeutung von Arbeitern.
Seit 2024 gilt das Gesetz allerdings nur für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten in Deutschland. Das deutsche Gesetz sieht vor, dass Unternehmen Risikoanalysen im eigenen Geschäftsbereich sowie bei ihren direkten Zulieferern durchführen und Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen. Außerdem müssen sie jährlich einen Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten vorlegen und Beschwerdemöglichkeiten einrichten. Bei Verstößen drohen Bußgelder.
Wer ist vom EU-Lieferkettengesetz betroffen?
Betroffen wären Unternehmen mit Sitz in der EU und deren Muttergesellschaften mit mindestens 500 Beschäftigten und einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens 150 Millionen Euro. Das Gleiche würde für Unternehmen gelten, die ihren Sitz nicht in einem der Mitgliedstaaten haben, aber einen ebenso hohen Umsatz in der EU erzielen. Dies würde etwa ein Prozent aller EU-Unternehmen betreffen.
Für kleinere Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten und einem Umsatz von 40 Millionen Euro soll die Regelung gelten, wenn von ihrem Umsatz mindestens 20 Millionen Euro in der Textilindustrie, der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion oder der Gewinnung und Verarbeitung mineralischer Rohstoffe erwirtschaftet werden. Wer die deutsche Landwirtschaft auch nur ein wenig kennt, kann abschätzen, wie viele Unternehmen in diesem Bereich die Zahl von 250 Beschäftigten überschreiten.
Wozu sollen die Unternehmen konkret verpflichtet werden?
Würde das Lieferkettengesetz umgesetzt, wären Unternehmen verpflichtet, negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt zu identifizieren. Mögliche Folgen müssten sie laut Gesetzestext verhindern, mildern, beenden oder beheben.
Zudem müssten sie die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards auch bei ihren Partnern in der Wertschöpfungskette überwachen. Dazu zählen Zulieferer, Vertriebspartner, Transportunternehmen, Lagerdienstleister oder auch die Abfallwirtschaft. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes.
Die deutsche Politik ist beim Lieferkettengesetz gespalten
SPD und Grüne stimmen der EU-Richtlinie erwartungsgemäß zu, FDP und Freie Wähler unter Hubert Aiwanger sprechen sich dagegen aus.
Ein Ministeriumssprecher Aiwangers lässt sich wie folgt zitieren:
Es ist vollkommen unstrittig, dass wir ein europäisches Lieferkettengesetz brauchen. Genau das hat ja auch Wirtschaftsminister Aiwanger im ersten Satz der Pressemeldung bestätigt. Die bayerische Staatsregierung und auch die bayerische Wirtschaft unterstützen uneingeschränkt die grundsätzliche Zielsetzung der Richtlinie, Menschenrechtsverletzungen in globalen Lieferketten zu verhindern und hohe Standards einzuhalten.
Der vorliegende Richtlinienentwurf birgt jedoch die Gefahr, dass sich unsere Firmen, die mit großer Verantwortung zu nachhaltigem Wachstum und höherer Beschäftigung in Entwicklungs- und Schwellenländern beitragen, aus diesen Ländern zurückziehen. Die Bürokratielast, die diese Richtlinie gerade auch der kleinen und mittelständischen europäischen Wirtschaft aufbürden würde, wäre zu groß. Hier gilt es nun in einem konstruktiven Prozess eine gemeinsame, ausgewogene, angemessene und praktikable Lösung zu erarbeiten.
Direktinvestitionen von KMU in Entwicklungsländern
Direktinvestitionen deutscher kleiner und mittlerer Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern dienen vorwiegend dem Export deutscher Waren. So exportieren rund 13.000 KMU Waren nach Subsahara-Afrika. Das sind fünf Prozent aller deutschen KMU, die Waren exportieren. Ihr Warenumsatz in Subsahara-Afrika beläuft sich auf zwei Milliarden Euro. Damit liegt der Anteil der Region an den gesamten deutschen Warenexporten bei weniger als einem Prozent.
Noch geringer ist die Bedeutung des Importhandels mit Subsahara-Afrika. Lediglich 3.000 mittelständische Unternehmen beziehen Waren oder Rohstoffe aus Subsahara-Afrika.
Zudem kaufen insbesondere kleine Unternehmen ihre Importprodukte meist nicht direkt beim Hersteller, sondern bei einem Großhändler oder einer Handelsagentur, die den Markt der jeweiligen Hersteller kennt und die Vorauswahl der Ware meist nach dem Preis trifft. Eine Rückverfolgung der Lieferkette ist daher für Importeure technisch kaum möglich.
Sollten die arbeits- und umweltrechtlichen Vorschriften für KMU jedoch außer Kraft gesetzt werden, werden sie sich über kurz oder lang den Vorwürfen einschlägiger NGOs ausgesetzt sehen.
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