Linkspartei zum Mitregieren bereit

Die Stärkung der Linken in der Linken und die Bereitschaft zum Mitregieren, diese beiden auf den ersten Blick widersprüchlichen Signale gingen vom Rostocker Parteitag der Linken aus

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Harmonie war angesagt am Parteitag der Linken am Wochenende in Rostock. Dabei war er gleich in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur. Mit Lothar Bisky und Oskar Lafontaine traten die zwei Politiker bundespolitisch in den Hintergrund, die die Partei in den letzten Jahren maßgeblich prägten und ohne die es die Vereinigung von PDS und WASG zur Linken wohl nicht gegeben hätte. Damit fällt dem Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi automatisch ein großes Gewicht zu, das er am Parteitag geschickt einsetzte.

Der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi auf dem Parteitag. Bild: die-linke.de

So als er den scheitenden Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der in Intrigen um Lafontaine verstrickt war oder wurde, noch eine politische Karriere in der Linkspartei voraussagte. Damit dürfte er so falsch nicht liegen. Denn der ausgewiesene Pragmatiker Bartsch hatte immer auch das Ziel, die Partei auf allen Ebenen regierungsfähig zu machen.

Bisher wird inner- und außerhalb der Partei das Berliner Modell mit einer äußerst pragmatischen Regierungslinken je nach politischem Gusto als Ausnahme oder Betriebsunfall gesehen. Der Pragmatikerflügel ist hingegen immer bestrebt, das Berliner Modell zu verallgemeinern und durch Regierungsbeteiligungen in möglichst vielen Bundesländern den Weg für Regierungsbeteiligungen auch auf Bundesebene freizumachen.

Dass es zu einer solchen Ausbreitung des Berliner Modells nicht gekommen ist, lag allerdings nicht an der Linkspartei. In Thüringen zog die SPD eine große Koalition vor, in Hessen machten der rechte SPD-Flügel und in Saarland die Grünen einen Strich durch die Rechnung. Nun bietet sich in NRW erneut aus Sicht der Parteipragmatiker eine Chance für die Linke, Regierungsfähigkeit zu beweisen.

Vor hessischen Verhältnissen in NRW?

Ausgerechnet der als besonders links geltende NRW-Landesverband könnte zur ersten Regierungsfraktion in einem westdeutschen Bundesland werden. Das Wahlergebnis vom 9. Mai in NRW bescherte der Linken keinen fulminanten Wahlsieg, aber den Sprung über die 5 % Hürden.

Bild: NRW-Landesverband der Linken

Eine Ablösung der gescheiterten schwarzgelben Regierung ist ohne die Stimmen der Linken nicht möglich, weil SPD und Grünen eine Stimme fehlt. Die beiden anderen realistischen Optionen sind durch parteipolitische Machtkalküle vorerst versperrt. Eine große Koalition von zwei gleich starken Partnern kann schon an der Frage scheitern, welche Partei den Ministerpräsidenten stellt. Die CDU beharrt wegen eines hauchdünnen Stimmenvorsprungs auf ihren Führungsanspruch. Die SPD-Kandidatin wird darauf verweisen, dass ihre Partei wesentlich weniger als die CDU verloren hat.

Ein Bündnis aus SPD, Grünen und FDP wurde von den Liberalen schon im Vorfeld mit Maximalforderungen torpediert. So lehnte der FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart Gespräche mit Grünen und SPD ab, weil sie parallel auch mit der Linken Verhandlungen aufnehmen wollten. Denn; so die Logik des Liberalen, wer Gespräche mit Linksextremisten führt, kann kein Gesprächspartner seiner Partei sein. Hinter diesen parteipolitischen Geplänkeln stehen allerdings politische Strategien, die an die Situation in Hessen vor zwei Jahren erinnern. Rot-Grün ist ohne die Linkspartei nicht mehrheitsfähig, eine Ampelkoalition will eigentlich schon wegen der großen politischen Differenzen niemand. Doch vor allem die SPD fordert sie vehement, weil sie ja alles versucht haben will, um eine Ablösung der Konservativen auch ohne die Linkspartei zu bewerkstelligen.

Die FDP wiederum will im Gegenteil den Eindruck erwecken, dass eine Regierung unter Einschluss der Linken schon längst beschlossene Sache ist und hofft auf Zulauf, wenn sie sich als Festung gegen die Sozialisten und Kommunisten geriert. Die Union, weiter im Amt, geht auf Tauchstation und wartet auf die Fehler ihrer politischen Kontrahenten. In Hessen ging das Kalkül bekanntlich auf und jetzt hofft Rüttgers auf eine Wiederholung. Ansonsten hätte er höchstens noch Chancen auf einen Posten im Bundeskabinett oder bei der EU. In dieser Situation ist die Linkspartei in keiner besonders komfortablen Situation..www.faz.net/s/RubB4238231944B4B06816C99862ED4A164/Doc~E2EE1240E711248FDB72CA090D22EEEBE~ATpl~Ecommon~Scontent.html. Sie betont seit dem Wahlabend immer wieder, dass an ihr ein Regierungswechsel nicht scheitern wird.

Regieren um welchen Preis?

Die Frage der eigenen Mindestbedingungen wurde schon vor den Wahlen vage gehalten. "Wir unterstützen keine Regierung, die Sozialabbau, Stellenabbau und die Privatisierung öffentlichen Eigentums betreibt und die nicht dafür sorgt, die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen deutlich zu verbessern", erklärte der NRW-Landessprecher der Linken Wolfgang Zimmermann. Dabei zeigte er schon, wie flexibel die Linke bei ihrer Forderung nach Abschaffung der Studiengebühren sein kann: "Das würde die SPD machen müssen. Nur die Gebühren für Langzeitstudierende, die sie selber eingeführt hat, könnte sie beibehalten."

Das dürften manche der Studierenden, die noch am 5.Mai in Düsseldorf für die Abschaffung aller Studiengebühren auf die Straße gegangen sind, wahrscheinlich anders sehen. Auch die außerparlamentarischen Initiativen, die im Vorfeld der NRW-Wahl mobilisiert hatten, erwarten einen Politik- statt nur einen Regierungswechsel. Von dieser Seite gibt es also Erwartungen an die Linkspartei. Doch über welche Druckmittel verfügt sie, wenn es bei einer vorgezogenen Neuwahl in NRW heißt, eine Ablösung der CDU-Regierung ist an ihrer zu starren Haltung gescheitert?

Dass der Parteitag in Rostock darauf keine Antworten hatte, ist nicht verwunderlich. Aber dass heftige Kontroversen über solche Fragen ausbrechen, hätte man schon erwarten können. Doch die blieben aus. Dass die Medien dann häufig das Harmoniebedürfnis betonten, kann nur als Lob empfinden, wer Geschlossenheit zum obersten Ziel erhebt.

Der neue Parteivorstand der Linken: Klaus Ernst, Katja Kiping, Halina Wawzyniak, Heinz Bierbaum, Sahra Wagenknecht, Gesine Lötzsch. Bild: die-linke.de

Zwischendurch eine ernste Lage

Dabei gab es zwischendurch Situationen, wo die Kontroversen auf dem Parteitag aufbrachen, beispielsweise als die von Pragmatikern geprägte Frauenliste Ost im ersten Wahlgang mehrheitlich durchfiel.

Am Ende aber wurde das im Vorfeld ausgehandelte Personaltableau angenommen. Die Doppelspitze wurde sogar mit großen Mehrheiten gewählt. Bei der Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden schnitt die Parteilinke Sahra Wagenknecht mit 75,3 % der Stimmen am besten ab, obwohl sie vor einigen Wochen in die Schlagzeilen geriet, als sie bei einer Rede des israelischen Staatspräsidenten Kritik an der israelischen Staatspolitik für angebracht hielt. Darüber wurde aber in der außerparlamentarischen Linken mehr gestritten als in der Partei, wie das Wahlergebnis zeigt. Fiel auch die Positionierung der Linken zum Nahostkonflikt unter das Harmoniebedürfnis?

Auseinandersetzungen werden weiter gehen

Doch nach dem Parteitag werden die Auseinandersetzungen um die Regierungsbeteiligungen und die zu ziehenden roten Linien ebenso weitergehen, wie die zur Positionierung in außenpolitischen Fragen, ob im Nahen Osten, in Afghanistan oder bei den UN-Militäreinsätze. Es war denn auch Matthias Höhn aus Sachsen-Anhalt, der gerne erster Ministerpräsident seiner Partei nach den dortigen Landtagswahlen werden will und nach dem Parteitag mehr Mut zu Kontroversen einforderte. Die Parteilinke hingegen hält sich bedeckt.

Das weißt auf ein Dilemma hin, in dem sich die Linkspartei befindet und das in einem Streitgespräch zwischen der Parteilinken Ulla Jelpke und den Realo Klaus Lederer in der Taz deutlich wurde. Während Lederer das Berliner Modell des Mitregierens verteidigte, betonte Jelpke, dass die Zeit für Reformen im Kapitalismus vorbei seien. Allerdings wich sie der Konsequenz, der Ablehnung von Regierungsbeteiligungen, aus und forderte lediglich von ihren Genossen in Berlin mehr Konfliktbereitschaft. An anderer Stelle warnt auch Sahra Wagenknecht die Partei immer wieder vor einer Entwicklung wie bei den Grünen, vermeidet aber auch jede klare Positionierung gegen Regierungsbeteiligungen. So ging auch vom Parteitag das auf den ersten Blick widersprüchliche Signal aus, dass die Linke in der Linken gestärkt und gleichzeitig die Bereitschaft zum Mitregieren bekräftigt wurde.