Litauen: Regierungswechsel zeichnet sich ab

Rechts der Strippenzieher der bisherigen Regierung, Ramunas Karbauskis, Parteichef der Grünen und Bauern, und links der litauische Songwriter und Musiker Andrius Mamontovas. Bild (von 2016): Pulsaras/CC BY-SA 4.0

Die spendable Covid-19-Politik der Regierungspartei "Grüne und die Bauern" hatte wenig Erfolg

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Die spendable Covid-19-Politik der regierenden "Grünen und Bauern" (LVZS) in Litauen hat nicht gefruchtet. Bei dem ersten Durchgang der Parlamentswahlen siegten die oppositionellen Konservativen (TS-LKD) mit rund 25 Prozent vor der Regierungspartei mit 17 Prozent.

Der Vorsitzende der Konservativen, Gabrielius Landsbergis, kündigte am Montag eine breite Koalition an, "um mehr Wählererwartungen abzudecken". Allerdings ist das litauische Wahlsystem kompliziert, nur die Hälfte der 141 Sitze wurden vergeben - am 24. Oktober steht die zweite Tour an, dann treten die Politiker über Direktmandate gegeneinander an.

Der Strippenzieher der Regierung

Noch hofft Ramunas Karbauskis, Parteichef der Grünen und Bauern und eigentlicher Strippenzieher der Regierung, auf eine Chance in zwei Wochen, versprach aber auch, dass man eine "starke und konstruktive Opposition" sein könne.

Das Besondere an dem (relativ ruhig verlaufenen) Wahlkampf in Litauen war, dass die LVZS von der Pandemie zu profitieren hoffte - das Land mit über drei Millionen hat bislang allein über 6.200 Infizierte und 103 Tote zu beklagen, der Wirtschaft geht es weiterhin relativ gut, das Bruttoinlandsprodukt ging im zweiten Quartal nur um 3,7 Prozent zurück - womit Litauen nach Luxemburg in der EU an zweiter Stelle liegt. Zudem vergab die Regierung 2 Milliarden Euro Unterstützung an die litauischen Unternehmen und Angestellten. Auch wurde ein 13. Monatsgehalt bei Wiederwahl versprochen.

Die Konservativen warnten hingegen vor einer Überschuldung des Landes.

Der Oligarch und millionenschwere Besitzer eines Agrarkonzerns führte die Außenseiterpartei überraschend vor vier Jahren zum Sieg, da die Bevölkerung davon genug hatte, dass die Konservativen sowie Sozialdemokraten mit ihren Skandalen die politische Landschaft dominierten. Auch schwammen damals die Litauer auf der "populistischen Welle" mit; es hieß, dass sie von Trumps Wahlkampf und dem Brexit beeinflusst gewesen seien.

Karbauskis setzte auf einen "moderaten" Populismus, so sollten die litauischen Traditionen wieder als Gegenpol zum Einfluss des Westen hoch gehalten werden, wozu auch die in Vilnius als unerwünscht geltenden Rechte für Homosexuelle gehörten.

Sein spektakulärster Coup scheiterte - die Verstaatlichung der Apotheken wurde von anderen Parteien im Parlament vor kurzem abgeschmettert. Der Agrarunternehmer wollte so den Einfluss des Staates in der Wirtschaft vergrößern, angeblich hätten zehn internationale Pharmakonzerne Einfluss auf Litauen nehmen wollen, indem sie die Preise für Medikamente im Vergleich zu anderen EU-Ländern um das Achtfache in die Höhe trieben. So sollte Gesundheitsminister Aurelijus Verygas diskreditiert und die Wähler animiert werden, die Regierung abzuwählen.

Dabei wollte er die Namen der Konzerne, die seiner Partei Böses wollten, nicht nennen.

Ein wenig spielt sich das russische Oligarchenmodell im Kleinen in Litauen ab - Karbauskis ist zwar der reichste unter den Parlamentariern, aber nicht der einzige; insgesamt 22 EU-Millionäre kandidierten für das Nationalparlament.

Die Sozialdemokraten

Die Bauern und Grünen koalierten mit den Sozialdemokraten, die sich nach dem Bruch des Bündnisses 2017 in zwei Parteien aufteilten, wobei sich die von der Ursprungspartei LSDP abgespaltene Partei LSDDP in der Koalition verblieb.

Auch zwei Kleinparteien, eine Interessensvertretung der polnischen Minderheiten und eine sich langsam auflösende Formation mit aktuellem Namen "Freiheit und Gerechtigkeit", mischten mit. Insgesamt zeichnete sich die Regierung durch viele interne Spannungen aus, was mit als Grund für das schlechte Ergebnis gilt; eine der wichtigsten Herausforderungen neben der Epidemie stellt die Reform des Gesundheits- und Bildungssystems dar.

Auch den Konservativen mit der als Präsidentschaftskandidatin gescheiterten Ingrida Simonyte als mögliche Premierministerin steht keine einfache Regierung bevor - sie werden vermutlich mit einem der beiden sozialdemokratischen Parteien koalieren müssen, die den dritten und vierten Platz einnahmen. Dabei sehen Experten große Divergenzen voraus, vor allem was Steuerpolitik und Marktwirtschaft angeht.

Konservative: Skeptische Haltung zu Moskau

Für Litauens Außenpolitik, das Land ist derzeit der erste Anwalt der Demokratiebewegung in Belarus, sind jedoch keine Schwankungen vorherzusehen - alle größeren Parteien bejahen die Mitgliedschaft von EU und NATO und haben eine skeptische Haltung zu Moskau. Bei letzterer stechen vor allem die Konservativen hervor.

Landsbergis will die Ausgaben für die Verteidigung bis 2025 auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigern. Zudem soll die "Litauische Schützenunion", ein paramilitärischer Verband, mehr Zulauf erhalten, um die Verteidigungsbereitschaft der Bevölkerung in Bezug auf eine mögliche russische Gefahr zu erhöhen.