Lobau-Autobahn: Stadt Wien lässt Protestcamp erneut räumen
Seite 2: Widerspruch aus Bevölkerung
Allerdings geht das Bauvorhaben nicht ohne Widerspruch aus der Bevölkerung ab. Seit Jahrzehnten wehrt sich im Donaustädter Ortsteil Hirschstetten die Bürgerinitiative "Hirschstetten Retten" gegen den geplanten Bau der Stadtstraße. Die Mitglieder dieser Initiative erwarten durch die neue Autobahn eine Zunahme des Autoverkehrs in der unmittelbaren Nachbarschaft und kaufen der Stadt Wien das Argument, mit der neuen Straße entstünde eine Verkehrsentlastung, nicht ab. Sie fürchten im Gegenteil eine "Autobahn durchs Kinderzimmer".
Hinzu kommt, dass die Wiener Klimabewegung in den vergangenen Monaten zunehmend die Brisanz dieses Verkehrsprojekts für sich entdeckt hat. Baustellen wurden besetzt und ein dauerhaftes Protestcamp eingerichtet. Es entwickelten sich Querverbindungen zwischen verschiedensten Strömungen, seien es die Bürgerinitiativen, Fridays for Future oder antikapitalistisch auftretende Gruppen wie "System Change not Climate Change". Unter dem Dach der "Lobau Bleibt" Bewegung gab es gemeinsame Mobilisierungen zu Demonstrationen, Workshops und kulturelle Aktivitäten auf den besetzten Baustellen und im Protestcamp.
Durch all dies entwickelte die lokale Klimabewegung eine aus Sicht der Stadt Wien ungeahnte Hartnäckigkeit. Dieser Hartnäckigkeit begegnete die Stadtregierung mit einer Repressionsspirale. Ende des vergangenen Jahres verschickte die Anwaltskanzlei des SPÖ-Justizsprechers Hannes Jarolim Briefe an zahlreiche Personen aus dem Umfeld der Klimabewegung. Viele dieser Personen waren an den Besetzungen gar nicht beteiligt, ihnen wurde dennoch eine "mentale Unterstützung" derselben unterstellt und angedroht, dass sie für durch die Besetzungen entstandene Schäden finanziell haftbar gemacht werden könnten. Auch junge Aktivist:innen im Alter von 13 Jahren erhielten derartige Briefe.
Anschlag auf Protestcamp
Auf die Anwaltsbriefe folgte zum Jahreswechsel ein Brandanschlag auf genau jene Baustellenbesetzung, die am Dienstag von der Polizei geräumt wurde. Ein von den Aktivist:innen errichteter Holzbau brannte damals in kürzester Zeit vollständig ab. Acht zum damaligen Zeitpunkt dort schlafende Besetzer:innen kamen nur knapp mit dem Leben davon. Dieser Anschlag reiht sich ein in eine Reihe von Brandanschlägen gegen Klimacamps im deutschsprachigen Raum, wie es sie etwa mehrfach gegen Infrastrukturen der Klimabewegung im rheinischen Kohlerevier gegeben hat. Auch dort wurde der Verlust von Menschenleben teilweise bewusst in Kauf genommen.
In Wien reagierte die Regierungspartei SPÖ mit betonter Empathielosigkeit. Der Anschlag zeige eben, dass "rechtsfreie Räume" nicht besonders "vorteilhaft" seien, so Bürgermeister Ludwig in einer ersten Reaktion am Tag nach dem Anschlag. Der ehemalige Sektionschef der Donaustädter SPÖ, Herbert Steyrer, verlieh derweil in sozialen Netzwerken der Forderung nach einem "Orden für den Täter" Ausdruck.
Gewalt ist der Situation innewohnend. Die Stadt Wien setzt dabei durchaus auf die Macht der Bilder und auf symbolische Aktionen. Anfang Februar wurde die erste besetzte Baustelle entlang der geplanten Stadtstraßen-Route von Hundertschaften der Polizei geräumt. Gleichzeitig ließ die Stadt rund 400 Bäume entlang der zukünftigen Autobahntrasse fällen. Die Bürgerinitiative "Hirschstetten Retten" bezeichnete das anschließend als "Machtdemonstration".
Gleichzeitig wurde noch während der laufenden Räumung die so genannte "Pyramide", eine von Besetzer:innen bewohnte symbolträchtige Struktur auf dem besetzten Gelände, von einem riesigen Bagger fast schon lustvoll zerstört und deren Überreste anschließend in einen Müllcontainer verfrachtet. Zahlreiche Kamerateams und Fotograf:innen wohnten diesem Ereignis bei, die ganze Stadt konnte die Bilder der Zerstörung live mitverfolgen.
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