Lobbyismus: König Bertelsmann
Seite 2: Bildung, Bologna, Bertelsmann
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Die Mitte des letzten Jahrzehnts begonnenen Anti-Bertelsmann-Proteste hatten sich zunächst an der maßgeblich von Bertelsmann lancierten Einführung von Studiengebühren entzündet. Doch waren Einflussnahmen von Bertelsmann zuvor schon auf den Gebieten der Außen-, Entwicklungs- und Militärpolitik aufgefallen.
Der Lack blättert seit 2007 bei der PR-polierten Arbeit der Bertelsmann Stiftung ab. Studentenverbände und Universitäten verweigerten das Hochschulranking, die Gewerkschaft Verdi kündigte die Zusammenarbeit auf. Der Bundestag befasste sich mit einer Bertelsmann-Lobbyismus-Anfrage der Linkspartei. Die rot-grüne Basis zweifelte zunehmend an Hartz- IV (basierte offensichtlich auf Plänen der Bertelsmann-Stiftung) und der Hamburger SPD-Spitzenkandidat musste im Wahlkampf gerichtlich gegen Behauptungen aus der Linkspartei vorgehen, er sei ein alter "Bertelsmann", die Proteste zeigten Wirkung.
Medien und Internet sind mehr und mehr zu bestimmenden Lebensbereichen geworden und der mächtigste Netz- und Medienkonzern ist bei uns Bertelsmann. Der Konzern hatte früh begonnen, sich tief gehenden Einfluss zu sichern, insbesondere in der Bildungspolitik.
Der verstorbene Lehrer Horst Bethge (GEW) beschrieb schon 2005 Bertelsmanns Schulpolitik als Invasion der Kennziffern im Schulalltag. Über 900 verschiedene Kennwerte hätte er gezählt, die in Projekten wie "Schule & Co" (NRW) erhoben würden. Dies sei die regionale Variante der von Bertelsmann gepuschten Lissabon-Strategie der EU, die Ranking- und Best-Practice-Verfahren aus der Industrie in die Bildung holen wolle.
Die aktuelle Piraten-Anfrage an die rotgrüne NRW-Landesregierung brachte ans Licht, dass die Schulbildung immer noch wichtiges Einflussfeld für Bertelsmann ist, etwa Lehrerfortbildung und bevormundende "Evaluation" der Schulen. Die Universitäten bearbeitet dagegen ein eigens geschaffenes Centrum für Hochschulentwicklung (CHE).
Lieblingskind der Bertelsmann-Bildungspolitik: Studiengebühren
Gegründet wurde das CHE 1994 von der Bertelsmann Stiftung, die das Zentrum überwiegend finanziert, und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Das Lieblingskind der Bertelsmann-Bildungspolitik waren die Studiengebühren: Das CHE publizierte eine selbst lancierte Umfrage, wonach sogar die Studenten selber angeblich gerne für ihre Bildung zahlen würden, Titel: Studierende mehrheitlich für Studiengebühren. (vgl. Durchsetzung von Controlling und Ranking auf allen Ebenen).
Nur hatte die Befragung ihnen lediglich verschiedene Gebührenmodelle vorgelegt, ohne die Alternative des freien Studiums zu erwähnen. Medienberichte über Studentenproteste waren oft abwiegelnd, zynisch oder sogar von hämischer Siegerpose geprägt. Die Hochschul-Zeitschrift UniSpiegel, die ebenfalls zum Machtbereich von Bertelsmann gehört, versuchte z.B. während der Proteste gegen Studiengebühren 2006 weniger etwas von den Interviewten zu erfahren, als vielmehr die Studentenvertreter zum Aufgeben zu überreden - UniSpiegel fragte (in seiner Printausgabe):
...glauben Sie wirklich, dass allgemeine Studiengebühren noch verhindert werden können? (...) Und dennoch werden die meisten deutschen Studenten schon bald zahlen müssen. Wofür kämpfen Sie noch? (...) Zu den Protestaktionen sind nicht besonders viele Studenten gekommen. (...)
UniSpiegel
Dann präsentierte der UniSpiegel nicht ohne sarkastischen Unterton sieben Seiten mit Werbung für diverse Studienkredite.
Doch solche platten Manipulationsversuche hielten damals nicht lange und die Gebühren wurden mit einem Sturm studentischer Proteste niedergekämpft - heute sind sie kein Thema mehr. Die Bologna-"Reformen", die zu großen Teilen auch auf dem neoliberalen Mist aus Gütersloh gewachsen und vom CHE gepusht worden waren, blieben jedoch.
Die Hektik der komprimierten Bachelor-Studiengänge ist heute geprägt durch die Jagd nach ECTS-Leistungspunkten, die entmündigende Modularisierung des Lernstoffs gemäß Industrievorgaben.
Controlling, Rankings und Ratings: hier zeigt sich die neoliberale Politik einer Effizienzkontrolle in allen Gesellschaftsbereichen, die mittlerweile mit dem Namen Bertelsmann verbunden ist. All das trägt vermutlich dazu bei, dass Studierende in vielen Sozialstudien als eher unpolitisch gelten.
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