Lokaljournalismus vor dem Exitus?

Zusammengerollte Zietung im Briefkastenschlitz

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Wer übernimmt, wenn Redaktionen schließen? Studie warnt vor Bedeutungsverlust und einem fatalen Trend, dem Organisationen und Vereine folgen.

Die Branche ist in Katerstimmung. Der Zeitgeist, der immer eng mit dem Business-Geist verbunden ist, wendet sich vom Lokaljournalismus ab. Es kommt zu wenig Geld in die Kassen der Redaktionen, die Abonnenten werden weniger, die Kosten steigen. Von der Süddeutschen Zeitung hieß es kürzlich, dass man aufgrund dieser Lage, Redaktionsbüros im Münchner Umland schließen werde. Man gehe neue Wege.

Man gebe Landkreisbüros auf, aber, so betont man bei der SZ, aber man gebe nicht das Große, Relevante am Lokaljournalismus auf. Man bündle künftig mehr. Täglich werde es "zwei Seiten mit den besten Geschichten aus der Region rund um die Landeshauptstadt" geben.

Lokalnachrichten im Print sterben einen langsamen Tod?

Vertreter aus der Führung der Zeitung machen sich mit Digitalangeboten Mut. Wie viele Zeitungshäuser setzt man "nochmals verstärkt aufs Digitale", man wolle auch in der Region "bei den digitalen Abos noch kräftiger wachsen", berichtete Horizont. Das sieht der den SZ-Lesern durch exzellente Texte aus dem Lokalen bekannte Journalist und SZ-Redakteur Franz Kotteder unverblümt anders, ohne rosa Brille:

Das ist ein schwerer Schlag für den Lokaljournalismus und die Pressevielfalt in der Region um München.

Der Schlag passt zu einem Trend, der schon seit ein paar Jahren einen deutlichen Nutzungsrückgang des Lokaljournalismus in Deutschland verzeichnet.

"Es brennt"

In Ostdeutschland werden Ausgaben von Lokalzeitungen nicht mehr ausgeliefert. Es brennt im Lokaljournalismus, Redaktionen von lokalen Tageszeitungen machen dicht, damit einhergehen der Verlust von öffentlichem Diskurs, las man beim SWR Anfang Oktober und dazu die Frage: "Stirbt der Lokaljournalismus im Zeitalter der Online-Plattformen?"

Die Produktion lokaler Öffentlichkeit wandere "zunehmend in neue Hände", stellen die Autoren Barbara Witte und Gerhard Syben in ihrem aktuellen Arbeitspapier für die Otto-Brenner-Stiftung (OBS) der IG Metall fest.

Sie warnen:

"Wir lassen die lokale Öffentlichkeit mehr oder weniger verkommen und liefern sie den internationalen Plattformen aus. Es ist für die einzelne Institution sicher sinnvoll, die Plattformen für die schnelle Kommunikation zu nutzen. Dabei stehen zu bleiben, ist für den gesellschaftlichen Austausch ein gefährlicher Weg."

Schon im Titel taucht die Befürchtung auf "Öffentlichkeit ohne Journalismus?" und die Erklärung, woran es liegt, nämlich an "Rollenverschiebungen im lokalen Raum".

Die sehen auf einen grobkörnigen Nenner gebracht so aus, dass sich der Journalismus im Lokalen Richtung Aktivismus verschiebt. Als Grund wird folgender Befund herausgestellt:

Lokale Akteur*innen wie Vereine, Kultureinrichtungen oder Kommunen machen sich stärker von Lokalzeitungen unabhängig. Es herrscht der Eindruck, dort fehle es an Interesse für ihre Belange. Ergebnis dieser sinkenden Beachtung ist, dass sie sich über "eigene Kanäle" und insbesondere über die Sozialen Medien direkt und zielgruppenorientiert an die Öffentlichkeit wenden.

Die "Gatekeeper-Funktion" des traditionellen Journalismus verliert so weiter an Relevanz, eine wichtige Säule der Demokratie droht zu erodieren.

Öffentlichkeit ohne Journalismus?, OBS-Arbeitspapier 72

"Eigene Kanäle first"

Spitzt man die Beobachtungen der beiden Autoren zu, so könnte man sagen, dass es lokale Akteure der Öffentlichkeitsarbeit, genannt werden Initiativen, Verbände, Kulturinstitutionen, Vereine wie auch Vertreter der lokalen Wirtschaft, es machen wie Trump. Sie umgehen die lokalen Medien und melden ihre Nachrichten, Anliegen und Veranstaltungen direkt über soziale Medien.

"Eigene Kanäle first" wird diese Strategie genannt, die verstärkte Nutzung eigener Kommunikationswege durch Organisationen. Das könnte die lokale Presse weiter verdrängen, so die Warnung im Papier. Das liege aber auch am Vorgehen der Zeitungsredaktionen, die sich nach Ansicht von Vertretern der Organisation nicht adäquat oder gerecht behandelt fühlen.

Hoffnungsschimmer

An dem Interesse, das hier aufscheint und ein nach wie vor vorhandenes Interesse an Veröffentlichungen in den traditionellen Medien zeigt, wird ein Hoffnungsschimmer geknüpft: "Noch spielen auch lokale Zeitungen und lokal ausgerichtete Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine Rolle", heißt es in der Zusammenfassung der Studie.

Allerdings aber auch im Schlusssatz des Fazits:

Bedenklich ist, wenn die lokale Presse den Eindruck erweckt, sie interessiere sich nicht mehr für die lokale Öffentlichkeit.

"Exaktes Arbeiten ist nötig"

Doch verschränkt sich hier das Problem der schlechten Kassenlage mit den Ansprüchen einer guten Arbeit – "der Lokaljournalismus ist nicht mehr lukrativ" (Republik), aber er braucht Mittel:

Nichts ist anspruchsvoller als Lokaljournalismus: In keinem anderen Ressort arbeitet man so exakt, da sich jede Leserin und jeder Hörer, jede Zuschauerin und jeder Onlinenutzer im Detail auskennt. Doch heutigen "Schrumpfredaktionen" fehlt es an Ressourcen und zudem an der nötigen Stabilität.

Roger de Weck, Interview mit Republik