Lübcke-Prozess: "Es ging in die Richtung Prepperszene und Uniter"
- Lübcke-Prozess: "Es ging in die Richtung Prepperszene und Uniter"
- "Der Gedanke war da seit der Bürgerversammlung"
- Die Tat
- "Psychische Beihilfe"
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Im Oberlandesgericht Frankfurt/M. stellt sich der geständige mutmaßliche Täter den Fragen der Familie des Ermordeten und belastet Markus H. erneut der Mittäterschaft
Im Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/M. hat Stephan Ernst, der geständige mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, am jüngsten Verhandlungstag die Fragen der Familie des Ermordeten beantwortet. Dabei machte er deutlich, dass die Tat aus seinem rechtsradikalen Hintergrund heraus geschah. Zugleich beschuldigte er erneut den Mitangeklagten Markus H., er sei dabei gewesen.
H. bestreitet das. Seine Rolle ist nach wie vor unklar. Das bezieht auch den Verfassungsschutz mit ein. Das hessische Landesamt (LfV) soll in der Vergangenheit mindestens zwei Mal versucht haben, H. als Informanten anzuwerben. Der soll genauso oft abgelehnt haben.
Die Bundesanwaltschaft hat H. nicht der Mittäterschaft angeklagt, sondern nur der geringeren Beihilfe.
In der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2019 war der CDU-Politiker auf der Terrasse seines Hauses in dem Ort Wolfhagen-Istha ermordet worden. Den tödlichen Schuss soll Ernst abgegeben haben. Der hatte das in seiner ersten polizeilichen Vernehmung eingeräumt. Später zog er das Geständnis zurück und bezichtigte Markus H. - versehentlich - geschossen zu haben. Im Prozess vor dem OLG Frankfurt, der Mitte Juni 2020 begann, gab Ernst eine dritte Version ab. Danach will erneut er Lübcke mit einem Kopfschuss getötet haben, Markus H. sei dabei gewesen.
Die Nebenkläger und der Angeklagte
Nach den Fragen des Gerichtes und der Bundesanwaltschaft an Ernst, waren nun die Nebenkläger an der Reihe, die Familie Lübcke. Dazu war Lübckes Ehefrau zusammen mit den beiden Söhnen nach Frankfurt gekommen. Die Fragen stellte ihr Rechtsbeistand.
Rechtsanwalt Holger Matt, Beistand der Familie Lübcke/Nebenkläger: Herr Ernst, Sie haben in Ihrer Einlassung gesagt, Sie stehen bereit für unsere offene Fragen. Wir wollen die ganze Wahrheit wissen, über alle möglichen Täter, über die Beweggründe und so weiter. Sind Sie bereit, unsere Fragen vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten?
Mustafa Kaplan, Verteidiger von Stephan Ernst: Grundsätzlich ja. Konkret muss man sehen. Fangen Sie einfach an zu fragen.
Rechtsanwalt Matt/Nebenklage: Ich hatte die Frage an Herrn Ernst gerichtet, ob er bereit ist, unsere Fragen zu beantworten.
Angeklagter Stephan Ernst: Ja.
Matt/Nebenklage: In Ihrem Geständnis sagten Sie, die Entscheidung zur Tat sei im April 2019 gefallen und seit da geplant worden. Stimmt das?
Ernst/Angeklagter: Ja.
Matt/Nebenklage: Ihr gemeinsamer Plan war, Herrn Lübcke zu erschießen: Stimmt das?
Ernst/Angeklagter: Ja.
Matt/Nebenklage: Sie haben erklärt, die Tat sei falsch, feige und unentschuldbar gewesen?
Ernst/Angeklagter: Ja. - Er senkt den Kopf und schaut auf den Tisch.
Matt/Nebenklage: Diese Aussage nach der Tat verdient Respekt. Aber vor der Tat: Dass sie für die Familie einen großen Verlust darstellt, haben Sie sich da Gedanken gemacht?
Ernst/Angeklagter: Nein, habe ich nicht gemacht.
Matt/Nebenklage: Haben Sie sich Gedanken gemacht, dass Walter Lübcke als Mensch leben wollte, sein Leben genießen wollte, zusammen mit seiner Frau? Er stand kurz vor dem Ruhestand.
Der Angesprochene schweigt. Er ringt auch nicht nach Worten, sondern schaut ins Leere. Nach etwa einer halben Minute reagiert sein Verteidiger.
Rechtsanwalt Kaplan: Kann ich mit dem Mandanten sprechen? Sie tun es. Danach antwortet Stephan Ernst.
Ernst/Angeklagter: Ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht.
Die Radikalisierung
Matt/Nebenklage: In Ihrer Einlassung vor Gericht haben Sie erklärt, Sie seien durch Herrn H[...] manipuliert, radikalisiert und aufgehetzt worden. Können Sie das präzisieren: Was meinen Sie damit?
Ernst/Angeklagter: Die Manipulation hat mit den Waffen angefangen, mit dem Schießen im Wald. Das ging in die Richtung: Vorbereitung auf den Bürgerkrieg. Die Sache mit den Waffen hat sich dann verselbständigt, es wurde normal, mit ihnen zu schießen. Dass es um Herrn Lübcke gehen sollte, hat nach der Gemeindeveranstaltung [im Oktober 2015 in Lohfelden, als sich Lübcke für die Aufnahme von Flüchtlingen aussprach und meinte, wer diese Werte nicht teile, könne ja Deutschland verlassen] angefangen durch die Gespräche, die wir danach führten.
Sie haben sich bezogen auf die Zustände im Land. Wir haben alles auf Herrn Lübcke fokussiert. Herr H. sagte, Lübcke sei jemand, an den man rankommen kann. Er meinte, wem haben wir das alles zu verdanken? Den Politikern! Lübcke war im Fokus, weil er nicht weit von uns gewohnt hat. Da müsste man etwas machen, aktiv werden. Es kam immer wieder: Dass er eine Kugel bekommen müsste.
Matt/Nebenklage: Kann man Ihre Radikalisierung so zusammenfassen, dass sie sich aus Ihrer rechtsextremen Gesinnung entwickelt hat?
Ernst/Angeklagter: Es war nicht so, nicht in dem Sinne wie früher in der Szene. Doch das aus der Szene früher, das hat sich eingeprägt, das ist wiedergekommen. Nicht in dem Sinne, das System zu verändern und die Regierung zu stürzen oder das Reich wieder zu gründen. Ich kann es nicht beschreiben. Die Sache von früher hat wieder reingespielt. Dazugekommen ist das mit den Waffen, mit dem Überlebenstraining und dem Vorbereiten.
Ich will nicht sagen, ich war in der Prepperszene oder bei Uniter, aber es ging in diese Richtung. Es war eine Mischung aus alten Ansichten und dem Szenario Bürgerkrieg. Es war nur eine Frage der Zeit, dass das kommt. So will ich es beschreiben. Also nicht so, wie damals in der Szene, das war nicht der Fall, sondern es ging darum, das Land vor vermeintlicher Überfremdung zu schützen. Aber nicht, das System abzuschaffen. Es war aber gefährlich, weil Waffen im Spiel waren.
Matt/Nebenklage: Stichwort Aufhetzen, Hass entwickeln: Frau Merkel war ein Hassobjekt für Sie beide, kann man das so sagen?
Ernst/Angeklagter: Ja, kann man so sagen.
Matt/Nebenklage: Hat es auch mit Hass auf die Flüchtlingspolitik von Frau Merkel zu tun? Mit Hass auf Flüchtlinge?
Ernst/Angeklagter: Hass auf Flüchtlinge nicht. Für das Denken, das wir hatten, waren Flüchtlinge für uns Teil der Politik, die Deutschland zerstört. Sie sollen benutzt werden, sie gegen die nationale Opposition aufzubringen. Ich will nicht sagen, es ging um die Flüchtlingspolitik an sich, nicht darum, dass das Asylrecht abgeschafft werden soll, sondern um den Teil, der sich gegen Deutschland richtet.
Matt/Nebenklage: Sie wollten diese Politik attackieren oder zerstören?
Ernst/Angeklagter: Ja, da wo wir unsere Schlüsse zogen.
Matt/Nebenklage: War Walter Lübcke ein Symbol für diese Politik, die Sie attackieren und zerstören wollten?
Ernst/Angeklagter: Ja, irgendwo hat das eine Rolle gespielt.
Matt/Nebenklage: War diese Gesinnung die gemeinsame Triebfeder zur Tat?
Ernst/Angeklagter: Ja, diese Gesinnung und die Vorkommnisse.
Matt/Nebenklage: Auch bei Herrn H[...]?
Ernst/Angeklagter: Ja.