Lübcke-Prozess: "Es ging in die Richtung Prepperszene und Uniter"

Seite 3: Die Tat

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Matt/Nebenklage: Als Sie sich dem Grundstück genähert haben, haben Sie das Gerät um den Hals getragen oder Herr H.?

Ernst/Angeklagter: Nein, ich.

Matt/Nebenklage: Wie lang war der Gurt, eng oder ist er rumgebaumelt?

Ernst/Angeklagter: Ich hatte ihn um den Hals und unter dem Pullover.

Killmer/Bundesanwaltschaft: Als Ihnen die Analyse der Wärmebildkamera vorgehalten wurde, sagten Sie, Aufnahmen in der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni 2019 seien aus Versehen passiert. Ihr damaliger Verteidiger, Herr Hannig, erklärte: Sie hätten ihm gesagt, es gebe Aufnahmen mit einer Wärmebildkamera, die bei Herrn H. sei. Die Aufnahmen könnten von H. gefertigt worden sein. Was ist nun zutreffend? Die Kamera wurde in Ihrem Skoda sichergestellt.

Rechtsanwalt Kaplan: Das war mit Herrn Ernst nicht besprochen.

Vorsitzender Sagebiel: Herr Ernst, haben Sie das zu Herrn Hannig gesagt?

Ernst/Angeklagter: Ich habe das zu Hannig nicht gesagt.

Vorsitzender Sagebiel: Hat Hannig das selber gesagt, ohne Sie?

Ernst/Angeklagter: Ja.

Vorsitzender Sagebiel: Wussten Sie das?

Ernst/Angeklagter: Ja.

Vorsitzender Sagebiel: Haben Sie nicht zu ihm gesagt, das stimmt doch gar nicht?

Ernst/Angeklagter: Ich hab es beiseite gelegt und nicht mehr daran gedacht.

Matt/Nebenklage: Am 1. Juni 2019 um 15:17 Uhr wurde von einer Rufnummer, die Herrn H. gehört, eine Nummer angerufen, die Alexander Sch. gehört. Das Telefonat dauerte 272 Sekunden. Haben Sie Erkenntnisse, dass H. mit Sch[...] kurz vor der Tat gesprochen hat und wenn ja, worüber.

Ernst/Angeklagter: Nein, davon weiß ich nichts.

Matt/Nebenklage: Nähern wir uns nun der Tat. Sie haben erklärt, Sie hätten die Umgebung, die Pferdekoppel, überprüft. Dann geben Sie den Schutz auf und gehen gemeinsam auf die Terrasse. Haben Sie nicht gedacht, dass da jemand aus dem Haus kommen könnte? In der Küche brannte Licht.

Ernst/Angeklagter: Diese Befürchtung hatten wir schon. Es war das Risiko, das wir eingingen. Es sollte schnell gehen.

Matt/Nebenklage: Was hätten Sie gemacht, wenn jemand gekommen wäre? Hätten Sie denjenigen auch erschossen? Haben Sie darüber gesprochen?

Ernst/Angeklagter: Nein, ich kann nicht sagen, was wir gemacht hätten.

Matt/Nebenklage: Walter Lübcke saß auf der Terrasse. Warum sind Sie davon ausgegangen, dass es so sein könnte?

Ernst/Angeklagter: Das war nicht 100%-ig klar. Es war eine Möglichkeit. Aber es war nicht vorhersehbar, dass er tatsächlich dort ist. Es war Zufall.

Matt/Nebenklage: Gab es Informanten aus dem Ort, die so etwas berichtet haben?

Ernst/Angeklagter: Nein.

Matt/Nebenklage: Hatten Sie Kenntnisse, dass Lübckes einen Hund haben?

Ernst/Angeklagter: Nein.

Matt/Nebenklage: Wussten Sie, wer noch alles in dem Haus war, wie viele Personen?

Ernst/Angeklagter: Nein. Es waren Autos vor dem Haus, so dass noch mehr Personen da sein mussten. Aber wer, wussten wir nicht.

Matt/Nebenklage: Sie haben gesagt: Sie haben an der Pferdekoppel gewartet, H. ist vorgegangen, Sie haben das Smartphonelicht auf der Terrasse gesehen.

Ernst/Angeklagter: Ja.

Matt/Nebenklage: Haben Sie die Terrasse einsehen können?

Ernst/Angeklagter: Umrisse und die Smartphonebeleuchtung.

Matt/Nebenklage: Sie haben gesagt: H. kam zurück und Sie sind dann zusammen hin.

Ernst/Angeklagter: Wir sind zusammen runter gelaufen vor das Haus.

Matt/Nebenklage: Wie lange hat es gedauert, bis das Startzeichen von H. kam?

Ernst/Angeklagter: Vielleicht zehn Sekunden.

Matt/Nebenklage: Ganz kurz?

Ernst/Angeklagter: Ja.

Matt/Nebenklage: Gab es richtig ein Zeichen, jetzt geht's los?

Ernst/Angeklagter: Ja.

Rechtsanwalt Björn Clemens, Verteidiger des Angeklagten Markus H.: Ich muss beanstanden, das sind Wiederholungsfragen.

Vorsitzender Sagebiel: Wir sind großzügig. Ich entdecke immer neue Details. Wir lassen es so weiterlaufen.

Matt/Nebenklage: Die Frage hat ihre Logik, weil wir verstehen wollen, wie es abgelaufen ist. Dass wir nichts missverstehen, das hat oberste Priorität. Also: 'Jetzt geht's los!' Zum Tatablauf: Ich will Ihnen einige Tatort-Pläne vorhalten.

Tatortfotos aus Vogelperspektive werden an die Wand projiziert.

Matt/Nebenklage: Bei Ihrer richterlichen Vernehmung am 8. Januar 2020 haben Sie die Laufwege von H. und sich eingezeichnet. Sie kamen von hinten, von der Seite, Herr H. von vorne.

Ernst/Angeklagter: Ja.

Matt/Nebenklage: Die Familie beschäftigt, wo Sie langgelaufen sind. Hier ist es geplättelt und lautlos, hier Kiesbett. Sind Sie über das Kiesbett gelaufen oder den geplättelten Weg?

Ernst/Angeklagter: Ich kann's nicht mehr mit 100%-iger Sicherheit sagen. Ich meine, in diesem Bereich, wo die Platten liegen.

Matt/Nebenklage: Hier der Plan von der Terrasse mit Blutspuren und Tisch. Der Tisch hätte für Sie im Weg gestanden. Zeugen sagten, der Tisch stand nahe bei Walter Lübcke.

Ernst/Angeklagter: Ich kann mich nicht an den Tisch erinnern. Da war kein Tisch.

Vorsitzender Sagebiel: Herr Ernst, kann es so gewesen sein, dass Sie am Tisch vorbeigelaufen sind?

Ernst/Angeklagter: Meiner Ansicht nach war der Tisch nicht da.

Rechtsanwalt Kaplan: Wir kommen da in der Beweisaufnahme nicht weiter. Herr Ernst wird keine Angaben mehr machen können.

Matt/Nebenklage: Für uns spielt das eine Rolle. - Herr Ernst, Sie haben gesagt, Sie hatten Walter Lübcke im Blick und die Waffe im Anschlag. Wie nahe standen Sie an der Wand?

Ernst/Angeklagter: Das ist dieser Weg, ich stand mittig.

Matt/Nebenklage: Seitlich von Walter Lübcke?

Ernst/Angeklagter: Ja, von ihm aus gesehen auf der rechten Seite.

Matt/Nebenklage: Sie haben mit rechts geschossen?

Ernst/Angeklagter: Ja, mit rechts geschossen.

Matt/Nebenklage: Sie haben auf die rechte Seite des Kopfes gezielt?

Ernst/Angeklagter: Nicht gezielt, in die Richtung gehalten.

Vorsitzender Sagebiel: Er hatte die rechte Seite Ihnen zugewandt. Wohin blickte Walter Lübcke?

Ernst/Angeklagter: Zur Straße hin würde ich sagen.

Matt/Nebenklage: Wo stand H.? Schaute Walter Lübcke zu H.?

Ernst/Angeklagter: Ja.

Matt/Nebenklage: Hat H. Walter Lübcke abgelenkt?

Ernst/Angeklagter: Könnte man so sagen, ja.

Matt/Nebenklage: Warum sind Sie zurückgewichen und haben nicht von ganz nah geschossen?

Ernst/Angeklagter: Kann ich nicht sagen, hat sich so ergeben.

Matt/Nebenklage: Können wir uns darauf verlassen, dass Sie uns die ganze Wahrheit gesagt haben, auch über die Täter?

Ernst/Angeklagter: Ja.

Vorsitzender Sagebiel: Es sollte ja schnell gehen, schießen und weg. Stattdessen haben Sie sich zu zweit vor Walter Lübcke aufgebaut. Sie haben zu ihm gesagt: 'Bleib sitzen! Für so jemanden wie Dich gehe ich jeden Tag arbeiten.' Und Herr H. soll gesagt haben: 'Zeit zum Auswandern', damit Walter Lübcke in diese Richtung schaut. Haben Sie vorher vereinbart, dass Sie Walter Lübcke ansprechen?

Ernst/Angeklagter: Das war vereinbart, das wollten wir machen, ja.

Vorsitzender Sagebiel: Sie wollten dieses Gespräch ermöglichen?

Ernst/Angeklagter: Ich habe nicht damit gerechnet, dass er sich gleich aufrichtet. Deshalb habe ich ihn in den Stuhl gedrückt.

Vorsitzender Sagebiel: Waren diese Äußerungen wichtig für Sie?

Ernst/Angeklagter: Ja, das war Teil des Planes.

Der Anwalt und der Sprecher der Familie Lübcke erklärten hinterher gegenüber der Presse, warum den Angehörigen die Details der Tat so wichtig seien. Sie wollten wissen, wie es war, wie Walter Lübcke starb, ob er noch etwas gesagt habe. Rechtsanwalt Matt erklärte, ihre Fragen dienten auch der Wahrheitsfindung. Sie hätten belegt, dass Ernst den Mord aus niederen Beweggründen aufgrund seiner rechtsextremen Ideologie begangen habe.