Lübcke-Prozess: "Es ging in die Richtung Prepperszene und Uniter"
Seite 2: "Der Gedanke war da seit der Bürgerversammlung"
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Matt/Nebenklage: Wann haben Sie zum ersten Mal daran gedacht, Walter Lübcke zu ermorden?
Ernst/Angeklagter: Der Gedanke war da seit der Bürgerversammlung. Man hat es gesagt, das hieß aber nicht, dass man es umsetzt, dass es heißt: 'Ok, das wird jetzt gemacht.' Im Laufe der Zeit hat sich das immer mehr verdichtet, dass sich die Zustände immer mehr zugespitzen, dass sich bewahrheitet, was wir dachten.
Matt/Nebenklage: Sie haben erklärt, auf der Rückfahrt von Chemnitz sei der Entschluss gereift: 'Jetzt müssen wir etwas tun.' Was hat das bei Ihnen ausgelöst?
Ernst/Angeklagter: Ja.
Matt/Nebenklage: Ich meine, Chemnitz war im September 2018. Ihr Tatentschluss war im April 2019. Was ist in dem Zeitraum passiert? Spielten Posts im Internet eine Rolle, die Sie und H. bestärkt haben?
Ernst/Angeklagter: Diese ganzen Chats und Gruppen, wo ich und H. gechattet haben, das war immer präsent. Das hat dafür gesorgt, dass diese ganze Sache nicht abgekühlt ist. Ich habe jeden Tag gechattet und auch Kommentare abgegeben.
Matt/Nebenklage: Auch Herr H.?
Ernst/Angeklagter: Was ich mitgekriegt habe, ja.
Matt/Nebenklage: Sie haben gesagt, Sie haben gemeinsam AfD-Stammtische besucht. Waren Sie auch in AfD-Chatgruppen?
Ernst/Angeklagter: Nein. Wir waren im Verteiler. Wenn uns Veranstaltungen mitgeteilt wurden, sind wir hingegangen.
Matt/Nebenklage: Im Januar und Februar 2019 ist die ehemalige Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach im Netz aktiv geworden. Haben Sie das mitbekommen? Kennen Sie Frau Steinbach überhaupt?
Ernst/Angeklagter: Ich habe das mitbekommen und mit H. darüber gesprochen. Aber für uns war das nichts Neues. Ich kenne Steinbach nicht persönlich, nur aus Politik und Medien.
Matt/Nebenklage: Hat Sie das bestärkt?
Ernst/Angeklagter: Nein, eher nicht.
Matt/Nebenklage: Hat für den Tatentschluss keine Rolle gespielt?
Ernst/Angeklagter: Nein.
Vorsitzender Richter Thomas Sagebiel: Haben Sie zur Kenntnis genommen, wie Frau Steinbach das Video [von besagter Bürgerversammlung im Oktober 2015] kommentierte?
Ernst/Angeklagter: Ich habe es, glaube ich, mitgekriegt. Aber wie sie es kommentierte, weiß ich nicht mehr.
Matt/Nebenklage: Haben Sie Wochen oder Monate vor der Tat mit anderen Menschen darüber gesprochen, dass Walter Lübcke eine Abreibung bekommen oder sogar getötet werden müsste?
Ernst/Angeklagter: Nicht so direkt. Das Video war immer mal wieder Thema auf der Arbeit, aber nicht so: Wir fahren da hin und verpassen ihm eine Abreibung.
Matt/Nebenklage: Gibt es Menschen, die wussten, dass Sie und H. am 1. Juni 2019 nach Istha fahren?
Ernst/Angeklagter: Nein.
Matt/Nebenklage: Hat H. mit anderen Menschen darüber gesprochen?
Ernst/Angeklagter: Das kann ich nicht sagen.
Matt/Nebenklage: Haben Sie nach der Tat mit anderen Menschen darüber gesprochen, haben Sie Bewertungen abgegeben?
Ernst/Angeklagter: Als ich zur Arbeit kam, haben einige Arbeitskollegen das gleich thematisiert. Ich habe aber nichts dazu gesagt.
Matt/Nebenklage: Sie haben erklärt, Sie wollten in ein Aussteigerprogramm. Woraus wollen Sie aussteigen?
Ernst/Angeklagter: Darf ich mit meinem Anwalt...? - Er bespricht sich mit seinem Beistand.
Rechtsanwalt Kaplan: Das ist keine Frage, die hier beantwortet werden sollte, sondern mit den Leuten vom Aussteigerprogramm.
Vorsitzender Sagebiel: Herr Ernst wurde gefragt, ob die Tat mit seiner rechtsradikalen Haltung zu tun habe. Er hat geantwortet, früher, bevor er sich aus der Szene gelöst habe, habe er eine rechtsradikale Einstellung gehabt. Nach dem Kontakt mit Herrn H. sei das wieder hochgekommen und habe sich gepaart mit der Prepperszene. Es sei eine Mischung gewesen. Wenn Herr Ernst angibt, nicht mehr rechtsradikal zu sein, stellt sich schon die Frage: Woraus will er aussteigen? Die Frage gehört hierher. Wir hätten sie auch gestellt, aber das muss nicht heute sein.
Rechtsanwalt Kaplan: Die Frage macht Sinn, sie soll aber später beantwortet werden.
Oberstaatsanwalt Dieter Killmer/Bundesanwaltschaft: Es ist Sache von Herrn Matt, welche Frage er stellt. Bei der Frage geht es darum, welche Tatmotivation vorlag. Da ist ein Widerspruch. Die Frage ist inhaltlich relevant. Sie zurückzustellen, ist problematisch.
Rechtsanwalt Kaplan: Wir haben klargestellt, dass wir sie beantworten. Aber weil sie so komplex ist, zu passender Zeit.
Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, Beistand des Nebenklägers Ahmad E.: Wenn der Angeklagte sagt, es tue ihm alles leid, dann muss das daran gemessen werden, ob alles beantwortet wird. Und dass Fragen nicht erst nach Rücksprache beantwortet werden, sondern wenn sie gestellt werden.
Rechtsanwalt Kaplan: Sie waren das letzte Mal nicht da. Ich weiß gar nicht, wie informiert Sie überhaupt sind. Es ist das zweite oder dritte Mal, dass er sich zum Experten von Aussteigerprogrammen aufschwingt. Sie brauchen andere Anwälte nicht belehren. Herr Ernst hat bisher alle Fragen beantwortet.
Rechtsanwalt Hoffmann: Das stimmt doch nicht.
Vorsitzender Sagebiel: Diese Diskussion ist nicht zielführend. Fahren Sie fort, Herr Matt.
Matt/Nebenklage: Ich bin selbstbewusst genug, mein Fragerecht wahrzunehmen. Ich kann damit leben, Herr Kaplan, dass Sie die Frage später beantworten. Heute ist also keine Antwort zu erwarten. Herr Ernst, wissen Sie Dinge, die bei wahrheitsgemäßer Offenlegung Sie oder Ihre Familie einer Gefahr aussetzen würden? Haben Sie Erkenntnisse oder eine Einschätzung, dass weitere Anschläge drohen könnten aus Ihrem Umfeld? Die Beantwortung dieser Frage stelle ich zurück. Ich bitte Sie aber, sie zu notieren. - Nun zur Tatplanung, zu der Infrarotkamera, die Sie zur Kontrolle der Umgebung eingesetzt haben. Ist das richtig?
Ernst/Angeklagter: Ja.