Luftwaffen-Manöver Air Defender 23: "Wir sind in der Führungsrolle"

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Symbolbild: Łukasz Golowanow & Maciek Hypś, Konflikty.pl via Wikimedia Commons

Chaos im zivilen Luftverkehr, zusätzliche Emissionen und Fluglärm: Die Großübung ab dem 12. Juni soll sich "gegen niemanden" richten. Dennoch gibt es weitreichende Befürchtungen.

An der deutschen Pünktlichkeit wird es zwar im zivilen Flugverkehr hapern, wenn vom 12. bis zum 23. Juni das Luftwaffenmanöver "Air Defender 23" stattfindet – die Gewerkschaft der Flugsicherung rechnet mit insgesamt "bis zu 50.000 Minuten Verspätung jeden Tag" – von der Umweltbelastung durch Millionen Liter Kerosin oder sonstige Treibstoffe und den Fluglärm ganz zu schweigen. Aber dafür sind "wir" militärisch in der Führungsrolle.

Dies betonte der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, am Mittwoch bei der Vorstellung des Manövers. Die Bundeswehr legt Wert darauf, dass "eine von Deutschland initiierte und geführte Übung" sei, wenn auch mit Beteiligung anderer Nato-Staaten, vor allem der USA.

Wir sind in der Führungsrolle und das ist genau das, was mir die Partner immer wieder sagen: Geht ihr doch mal, macht ihr doch mal, gerade mit eurer Position in Europa.


Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe der Bundeswehr

Mit mehr als 10.000 Soldaten und 250 Flugzeugen aus 25 Staaten wird es das größte Luftwaffen-Manöver in der Geschichte der Nato, das laut Gerhartz "eindrucksvoll die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses" zeigen soll.

Nach Angaben der Bundeswehr sind 23 verschiedene Flugzeugtypen vertreten, darunter Tornados, Eurofighter, F-15- und F-16-Kampfjets. 100 der insgesamt 250 Maschinen werden demnach aus den USA nach Europa entsandt, größtenteils von der U.S. Air National Guard.

Vorgesehen sind insgesamt rund 2.000 Flüge, vor allem im deutschen Luftraum, aber auch in den Niederlanden und Tschechien. Die Maschinen starten und landen unter anderem im niedersächsischen Wunstorf. Weitere Drehkreuze sind Jagel/Hohn in Schleswig-Holstein und Lechfeld in Bayern. Die beteiligten Nationen seien bemüht, die Belastungen für die Bevölkerung während der zwei Wochen vom 12. bis 23. Juni gering zu halten, sagt die Bundeswehr.

Der Zeitplan sieht vor, dass im Übungsraum Ost, der die Ostsee, Mecklenburg-Vorpommern und Teile Sachsens umfasst. zwischen 10 und 14 Uhr geübt wird. Im Übungsraum Süd – vor allem Baden-Württemberg und Bayern – wird es zwischen 13 und 17 Uhr laut. Im Übungsraum Nord – also im Luftraum über der Nordsee, Schleswig-Holstein und Niedersachsen – zwischen 16 und 20 Uhr. Nachts und am Wochenende fänden keine Übungsflüge statt, heißt es.

Keine Reaktion auf Ukraine-Krieg, sondern Jahre zuvor geplant

In Planung ist das Manöver nach Angaben der Deutschen Luftwaffe bereits seit 2018 – es ist also keine Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine 2022. "Diese Übung ist gegen niemanden gerichtet", betont Gerhartz.

Friedensbewegte befürchten dennoch, dass in der aktuellen Situation "ein falscher Knopfdruck" zur Eskalation führen könnte, da die Gefahr eines direkten Krieges zwischen der Nato und Russland groß sei. Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) forderte deshalb vergangene Woche die Absage des Großmanövers und zugleich einen Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine. Beides natürlich ohne Aussicht auf Erfolg.

Ein Missverständnis oder ein falscher Knopfdruck kann zur totalen Eskalation führen


Ralf Buchterkirchen, Bundessprecher der DFG-VK

Wer im Juni ein Militärflugzeug höre oder am Himmel sehe, solle auch daran denken, "dass es jede Sekunde enorme Steuergelder verfeuert, die etwa im Sozialen-, Bildungs- oder Gesundheitsbereich und beim Klimaschutz fehlen", ergänzte der politische Geschäftsführer der Organisation, Michael Schulze von Glaßer.