Luxuswelt aus Sklavenhand
Expo 2020 verschoben: Das Areal in Dubai wird zur teuersten Geisterstadt der Welt, Wanderarbeiter sind die Geschröpften, westliche Anleger bleiben in den Startlöchern und Bill Gates gibt den Humanisten
Die ursprünglich ab dem 20. Oktober 2020 in Dubai geplante Weltausstellung "Expo 2020" ist wegen der Coronapandemie um ein Jahr verschoben worden. Das Spektakel soll nun vom 1. Oktober 2021 bis zum 31. März 2022 stattfinden. Die Veranstaltung läuft aber weiter unter dem Titel "Expo 2020", ein Kuriosum, das Corona geschuldet ist.
Telepolis hatte bereits im vergangenen Jahr ausführlich über die ungeheuer anspruchsvollen und kostspieligen Dimensionen der Expo 2020 berichtet. Kein Aufwand schien den Veranstaltern am Golf zu hoch. Der Corona-Dämpfer hat an der Ausrichtung nicht viel verändert; man hält an den ehrgeizigen Zielen fest und gibt einige Tupfer humane Anliegen hinzu (Glamour im Wüstensand).
"Größtes Event aller Zeiten"
Wie Ihre Exzellenz Reem Al Hashimy (42), Staatsministerin für internationale Zusammenarbeit der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Chefin des Büros der Expo 2020 Dubai (und Absolventin in Harvard) stolz verkünden ließ, sind bis zum Stichtag 1. Oktober 2020 insgesamt 210 Millionen Arbeitsstunden geleistet worden, um die zu erwartenden 25 Millionen Besucher in eine Welt der Superlative eintauchen zu lassen. Dazu später noch ein Wort.
Als erste Weltausstellung in der Region Naher Osten, Afrika und Südasien (MEASA) und "größtes Event aller Zeiten in der arabischen Welt" (so ein Werbespot) wollte und will die Expo weiterhin insgesamt 192 Länder sowie Unternehmen, multilaterale Organisationen und Bildungseinrichtungen willkommen heißen. Und sich als moderne internationale Metropole mit zukunftsweisendem Schub und den Visionen einer besseren Welt präsentieren. Ein Video unterstreicht die Grußbotschaft "1 Year to Expo 2020".
Die Arbeiten auf der Riesenbaustelle konzentrierten sich im Jahr 2020 auf die Landschaftsgestaltung und die Ausstattung der Expo-eigenen Gebäude, nach offiziellen Angaben ist der Bau der Länderpavillons mit ihrer teils spektakulären Architektur auf dem besten Weg, bis Ende des Jahres abgeschlossen zu werden. Dann wird das Areal wohl für ein knappes Jahr die teuerste Geisterstadt der Welt abgeben.
Extravaganter Blick vom Hotelpool
Zur bereits bestehenden Auswahl an Luxusherbergen in Dubai wurden für die Expo nochmals neue Hotels eröffnet. Zum Beispiel das Royal Atlantis Resort auf der künstlichen Insel Palm Jumeirah. In Downtown Dubai gilt als herausragende Neueröffnung das Address Sky View. Hier genießt der Gast sogar Sky View vom Hotelpool aus, der befindet sich in 200 Metern Höhe und lädt zum Chillen bei atemberaubender Aussicht ein. Bereits Anfang 2019 hat am Strand von Jumeirah das Luxushotel Mandarin Oriental Jumeira Dubai, eröffnet, es entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem der beliebtesten Strandresorts der Glitzerstadt.
Dank der geographischen Lage in Dubai South, auf der Achse zwischen den Metropolen Dubai und Abu Dhabi, dabei in direkter Nähe zu bedeutenden Luft- und Seefrachtknoten, ist der Ausstellungsort der Expo logistisch und operativ einmalig aufgestellt. "Connecting Minds, Creating the Future" bleibt die Losung, Ministerin Reem Al Hashimy gibt sich staatsmännisch*fraulich:
Wir hoffen, dass die Menschen sich uns anschließen werden, um unsere Ziele zu erreichen, die Welt zusammenzubringen und die Menschheit und den Planeten auf den richtigen Weg zur Würde für alle zu bringen.
Ihre Exzellenz Reem Al Hashimy, Generaldirektorin des Expo-Büros 2020
Das sind hehre Worte, jedoch fragt man sich, ob sie auch für die Malocher gelten bzw. gegolten haben, die für die imposante Zahl von über 200 Millionen von Arbeitsstunden stehen.
Die Kehrseite der Luxuswelt
Millionen von Indern haben sich in der Region als günstige Arbeitskräfte verdingt. Die Pandemie hat viele ihre Arbeit gekostet; ausgestellte Visa sind inzwischen abgelaufen. Die coronabedingte Schließung vieler Unternehmen in der Region hat die einkommensschwachen Wanderarbeiter besonders hart getroffen. In einigen Golfstaaten machen sie 95 Prozent der Arbeitskräfte aus - ein Heer von modernen Arbeitssklaven.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben schon eigens ihre Arbeitsgesetzgebung geändert, um es Unternehmen zu ermöglichen, die Arbeitsverträge von Ausländern zu kündigen und Verträge umzustrukturieren. Auf der neuen Gesetzesgrundlage können sie nun die Löhne senken und die Beschäftigten können dazu gedrängt werden, unbezahlten Urlaub zu nehmen.
Und auch deren Gesundheit steht auf dem Spiel. "Es ist riskant, wenn man zusammenlebt", wird ein pakistanischer Arbeiter zitiert, der seinen Namen nicht veröffentlicht wissen will (Agentur Reuters). "Die Situation mit COVID-19 ist derzeit nicht gut für uns." Viele Rückkehrer aus den VAE werden positiv auf COVID-19 getestet, bei manchen Flügen sind es 40 bis 50 Prozent. Die Meisten von ihnen mussten in den überfüllten Quartieren auf oder nahe den gigantischen Baustellen übernachten, in denen man sich leichter gegenseitig infiziert: Die Kehrseite der ambitionierten Luxuswelt.
Dazu gesellt sich ein rassistischer Diskurs, der die Region anheizt. Ein kuwaitischer Abgeordneter forderte die Abschiebung von ausländischen Arbeitern, deren Visum abgelaufen sei, so lasse sich das Land von dem Risiko "reinigen", das die Migranten für die Übertragung des Virus darstellten. Vergleichbare Äußerungen fanden sich auch in den sozialen Medien, zum Beispiel in Bahrain.
Bill Gates und die Picha-Köche
Derweil hat sich die Gates Foundation mit der Expo 2020 zusammengeschlossen, um "Innovatoren an der Basis zu unterstützen", wie es offiziell heißt. Die Allianz mit Expo Live soll den Selbstaussagen zufolge kreative Lösungen unterstützen, "um das Leben der Menschen auf der ganzen Welt zu verbessern".
"Expo Live Global Innovators" nennt sich das globale Innovations- und Partnerschaftsprogramm der Weltausstellung offiziell. Im Rahmen der Initiative werden Zuschussempfänger zertifiziert. Zu ihnen gehören PichaEats, ein in Malaysia ansässiger Catering- und Mahlzeitenservice, der von Flüchtlingen ("Picha-Köchen") betrieben wird, die authentische Gerichte aus ihren Heimatländern zubereiten; myAgro, das Kleinbauern in Mali hilft, den Zugang zu Material und Ausbildung zu ebnen; oder Seenaryo, ein Projekt, das Hilfeleistungen und Bildungsperspektiven für Kinder in Flüchtlings- und lokalen Gemeinschaften im Libanon und in Jordanien fördern will.
Die Diskussion solcher Themen gehört zum Fachprogramm der Expo, täuscht jedoch über strukturelle Ungerechtigkeit und den im System verankerten Status der Superreichen hinweg. Zwar werden globale Themen wie Klimawandel, Gesundheit und Wellness, städtische und ländliche Entwicklung und sogar Raumfahrt (?) diskutiert; gleichzeitig fragt man sich nach den tatsächlichen Ambitionen der beteiligten Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF), die es sich hier - in einer ökonomisch und strategisch in jeder Weise faszinierenden Region - nicht entgehen lässt, dabei zu sein.
Sesam öffne dich - für westliches Kapital
Es könnte dabei um mehr gehen als um originelle Mahlzeiten von Picha-Köchen. Bill Gates ist bekannt dafür, dass er mehr anstrebt als nur lokale Verbesserungen. Seine Visionen sind weit gespannt und richten sich auf nicht weniger als auf ein globales Bill-Gates-Ordnungssystem. So finanziert er bereitwillig WHO-"Dienstleistungen"; der Impfaktivismus der Gates-Stiftung, auch im Namen der Bevölkerungskontrolle, gehört zur Familientradition ("American Birth Control League"). Gates' neuestes Projekt ist die "Digital Identity Alliance", kurz "ID 2020". Sie beschäftigt sich laut eigener Aussage mit der Schaffung einer digitalen Identität, die es Menschen ermöglichen soll, sich über alle Grenzen hinweg zu identifizieren. Und identifiziert zu werden?
Die Einbeziehung Benachteiligter in die Vorzüge der modernen Welt mittels auffällig platzierter Kapitalspritzen hat insofern einen beklemmenden Beigeschmack. Es bleibt die Feststellung: Die Expo 2020 ist nicht nur eine Leistungsschau der Superlative; das Event eignet sich auch als passende Drehscheibe, das Tor für westliches Kapital zu öffnen. Die Armen sind dabei kein authentischer Teil der schönen neuen Welt; sei es als Wandersklaven, sei es in Erwartung westlicher Hegemonie, die langfristig auf neue Profite hofft.
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