Glamour im Wüstensand
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Expo 2020: Alle fünf Jahre gibt es eine Weltausstellung. Das Emirat Dubai erfindet das Event gerade neu - und inszeniert zugleich eine problematische Moderne
Von der Al Fahidi Metro-Station aus gelangt man nordwärts zu Fuß in die Altstadt von Dubai. Touristen suchen hier gern das alte Fort von 1787 auf, das älteste noch existierende Bauwerk der Stadt. Die quadratisch angelegte Festungsanlage diente einst als Schutzschild und Gefängnis. Ein Ausguckturm erinnert an die Zeit, als man die kleinen Küstenorte entlang des Golf gegen kriegerische Nachbarstämme und beutehungrige Piraten verbarrikadierte.
Hier im Viertel Bastakiya wird der Aufstieg deutlich, den die Wüstenstadt im vergangenen Vierteljahrhundert genommen hat - vom staubigen Marktflecken am unwirtlichen Wüstenrand zur bombastischen Glitzerstadt und zur wirtschaftlichen Drehscheibe des Staatenbundes am Golf.
Vom Fischerdorf zur Megacity
Dubai, das war nicht viel mehr als ein Nest aus Hitze und Staub: Vor der Entdeckung der Ölquellen lebte man eher schlecht als recht vom Fischfang, vom Ertrag der Dattelpalmen aus den Wüstenoasen und - zunehmend besser - von der Perlenfischerei.
Ihr Fort nahe am Creek haben die Bewohner der ehemaligen Siedlung in gebräuchlicher Bauweise aus Lehm, Korallenblöcken und Muschelkalk aufgestellt - das, was sie zur Hand hatten. Der einträgliche Perlenhandel wurde um 1870 zum Wirtschaftsfaktor Nr. 1, brachte Prestige und Wohlstand. Der Ort stieg auf zum Hauptumschlagplatz am Persischen Golf (seit 1904 Freihafen). Vom Fischerdorf zur Megacity blieb es aber noch ein weiter Weg.
Megastadt Dubai: Vergleiche mit der Urbanität des europäischen Raumes hinken zwangsläufig. Anno 2019 geistert Dubai in der abendländischen Wahrnehmung immer noch weithin als rätselhaftes Phantasma, das optisch vor allem in architektonischen Superlativen in Erscheinung tritt; die Stadtwerdung sprengt hier gewohnte Maßstäbe.
Traumstadt? Traumstadt!
Die heutige Wüstenmetropole gilt dabei weltweit als spektakuläres Juwel ("Jewel Of The Gulf") mit ihren funkelnden Skylines, Luxushotels (international: Le Meridien, Ritz-Carlton, Hilton und Sheraton, daneben die Vielzahl lokaler Luxusherbergen), den sündhaft teuren Attraktionen, makellosen Stränden (Jumeirah Beach) und paradiesischen Rahmenbedingungen für Millionäre und Investoren, die sich die strategische Lage am Golf mitsamt Dubais ehrgeizigen Infrastrukturprojekten zunutze machen.
Freilich werden die Schattenseiten der Ikone schon mal gerne übersehen: Der Bauboom klemmt seit mindestens zehn Jahren (Finanzkrise), teure Immobilien finden kaum Abnehmer, die gelobte Stabilität und geringe Kriminalität im Emirat dauern nur fort um den Preis einer insgesamt politisch ungewissen Lage der Region, dazu kommen die hohe Verschuldung und ein spürbar gedämpftes Konsumklima. Debattenstoff bietet stets aufs Neue die Stellung des Herrscherhauses Al Maktoum gegenüber der westlichen Werte-Triade Meinungsfreiheit, Pluralismus und Demokratie. Im Rahmen dieses Artikels wird es aber nicht vorrangig um eine Kritik orientalischer Herrschaftsweisen gehen.
Expo 2020 in Dubai (12 Bilder)
Dubais Wirtschaft hängt, anders als im benachbarten Abu-Dhabi, nicht mehr direkt vom Öl ab. Die bombastischen Einnahmen aus den Öldollars vergangener Tage sind Vergangenheit. Prosperität speist sich aus dem Nicht-Öl- und Nicht-Gasgeschäft. 2018 kam das reale Wirtschaftswachstum im Emirat Dubai ausschließlich aus dem Non-Oil-Sektor. Ölexporte machen entgegen der landläufigen Meinung gerade mal nur etwa sechs Prozent von Dubais BIP aus.
Anfang 2018 wurde in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Saudi-Arabien und mittlerweile auch in Bahrain eine Mehrwertsteuer in Höhe von vorerst 5 Prozent eingeführt.
Changing the Arab World
Wachsende Beiträge zu Dubais Wirtschaftsleistung liefern die Non-Oil-Sektoren Großhandel, Einzelhandel, Instandhaltung, Transportwesen, Kommunikation und Business Services; der Tourismus nicht zu vergessen (laut Euromonitor International 2018 landete Dubai 2017 auf Platz sieben der meistbesuchten Städte der Welt). In den großen Freihandelszonen (Jebel Ali, Airport Free Zone) sind ausländische Unternehmen auch ohne einen lokalen Mehrheitspartner willkommen.
Tausende Firmen nutzen die Freizügigkeit, bilden Vertriebseinheiten oder investieren in Produktionsbetriebe. Ausländische Investoren verfügen über sämtliche Eigentumsrechte, Steuervergünstigungen und die Chance zur vollständigen Rückführung von Kapital und Gewinnen. Allein in der Jebel Ali Free Zone findet man Niederlassungen von über 7000 Unternehmen. Das Dubai International Finance Centre ist das größte Finanzdienstleistungszentrum zwischen Europa und Singapur; in der Silicon Oasis haben einige der größten IT-Unternehmen der Welt ihren Sitz.
In der offiziellen Lesart klingt die ökonomische Losung des Herrscherhauses so1:
We have moved from foreseeing the future to the stage of making the future. The eyes of the whole world are set on our country as we forge ahead of others in the world in the use of technology to improve key sectors related to human life, and adapt innovation and new technologies in various areas of work and life.
Sheikh Mohammed Bin Rashid Al Maktoum
Das klingt reichlich programmatisch, aber es gibt einen Maßnahmenkatalog. Bei seinem Ziel, das Emirat Dubai in eine "vielversprechende Zukunft" zu führen, nimmt Scheich Mohammed die Föderation (VAE) und deren strategische Lage mit ins Kalkül. Der Herrscher von Dubai (geschätztes Privatvermögen: 12 Milliarden US-Dollar) amtiert auch als Vizepräsident und Verteidigungsminister aller sieben Vereinigten Arabischen Emirate. Deren staatliche Organe finanziert zu großen Teilen Dubais Nachbar-Emirat Abu Dhabi, in der Innen- und Wirtschaftspolitik sind die Mitglieder der Föderation autonom.
Die Einwohnerzahl der VAE schwankt zusammengenommen konjunkturabhängig um die 9,4 Millionen. Dubai allein, das von der Fläche her etwa nur ein Zehntel der Fläche Nordrhein-Westfalens oder Baden-Württembergs einnimmt, hat zuletzt die 3-Millionen-Marke geknackt (eines der ehrgeizigen Planziele im Vorfeld der Expo).
Nur ca. 15 Prozent der Einwohner der VAE sind Einheimische, große Ausländeranteile stammen aus Indien, Bangladesch, Pakistan, den Philippinen und anderen arabischen Ländern. Sie stellen das Heer der Arbeitsmigranten am Golf, die den Betrieb auf den Baustellen, in den Industrie- und Gewerbeanlagen, im Hotelgewerbe, in den Freizeitparks, in Gastronomie und Privathaushalten aufrecht erhalten, und das bei einem Lohn von durchschnittlich kaum über 260 Dollar. Ein archaisches Arbeitsrecht (Kafala-System) hält sie in Abhängigkeit und schließt sie zugleich komplett von einer Teilhabe an der Gesellschaft aus.
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