Lviv ehrt Nazikollaborateur und Kriegsverbrecher
Mit deutschem Geld wurde die Stepan-Bandera-Straße neu gestaltet
Man stelle sich vor: Eine deutsche Stadt wie Leipzig oder Freiburg im Breisgau käme auf die Idee, im Rahmen einer Städtepartnerschaft mit Russland bei der Planung einer nostalgischen "Stalin-Straße" behilflich zu sein, die im weiteren Verlauf zu einem monumentalen Stalin-Denkmal führte.
Man stelle sich weiter vor, dieses Projekt förderte das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) aus öffentlichen Mitteln, damit es auch rechtzeitig anlässlich eines anstehenden Stalin-Gedenkjahrs im Jahr 2019 fertiggestellt werden könne. Undenkbar? Undenkbar sicher im Falle Russlands. Und sicher zu Recht. Niemand käme dort oder hier auf eine solche Idee.
Nicht undenkbar ist ein vergleichbarer Vorgang jedoch in der "befreundeten" und vom Westen gepäppelten Ukraine. Nur heißt die Straße, um die es dort ganz konkret geht, in Lviv (Lemberg) nicht Stalin-Straße, sondern ist nach dem berüchtigten ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera benannt. Der so Geehrte war Anführer der sogenannten Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), die den Jahren 1943 bis 1944 für den Tod von über 100.000 polnischen Zivilisten und für Massaker an der jüdischen Bevölkerung verantwortlich zeichnete.
Für Israels Botschafter Joel Lion in der Ukraine ist der Kult um den Nationalhelden "ein Grauen", wie er sich kürzlich äußerte (Der Freitag, Nr. 6/ 18). Ungeniert werden solche "Helden", wie die der SS- Division "Galizien", zwischenzeitlich auch auf Briefmarken verherrlicht.
Lemberg im Westen des Landes, wo diese Marken auch erstmals präsentiert wurden, ist damals wie heute Hochburg des ukrainischen Nationalismus. An der Spitze steht Bürgermeister Andrij Sadowyj, aktuell auch einer der rund 80 Präsidentschaftskandidaten im laufenden ukrainischen Wahlkampf um die Staatsspitze.
Sadowyi war zwar ursprünglich in der Partei des 2014 auf dem Maidan weggegputschen Ex-Präsidenten Wiktor Janukowytsch. Er hat sich allerdings bereits früh, lange vor den dann von den Nationalisten übernommenen Maidan-Protesten ("Ukraine über Alles!"), als Bandera- Mann geoutet. Nun erfüllte er sich also seinen Traum von einer neu gestalteten Stepan-Bandera-Straße (Wuliza Stepana Bandery), die dann auch folgerichtig zu einem entsprechenden Bandera-Monument führt.
Im Dezember 2018 wurde das Projekt zuletzt ausgiebig im Stadtrat von Lviv diskutiert. Das war den Beteiligten so wichtig, dass sie darüber ein leider nicht ins Deutsche übersetzte Video veröffentlichten.
Doch muss weder Ukrainisch noch Russisch verstanden werden, um erstaunt festzustellen, dass deutsche Unterstützung, beispielsweise aus Leipzig, das Projekt möglich machte.
Damit konfrontiert befand das Referat Kommunikation des Leipziger Oberbürgermeisters Burkhard Jung (SPD), dass sich die Stadt auf die Rolle des "Ratgebers und Beraters" beschränkt hätte. Im Gegensatz zum badischen Freiburg sei die Stadt kein Städtepartner Lembergs.
Die "unterschiedliche geschichtliche Bewertung der Person Stepan Bandera aus russischer, ukrainischer oder gegebenenfalls deutscher Sicht" sei für Leipzig allerdings auch kein Beratungsgegenstand bei diesem sogenannten "Projekt Straße für Alle" gewesen. Dabei wird übersehen, dass die Rolle Banderas bestenfalls in der Ukraine selbst umstritten war oder ist.
Wie auch könnte man bei dieser Betrachtung ein angemessenes Geschichtsverständnis von einer Stadtverwaltung, die in Lviv ja nur "behilflich" sein wollte, erwarten? Die Stadt Leipzig will in der dortigen "Bürgerbeteiligung" zur Bandera-Straße sogar eine "wesentliche Qualität demokratisch verfasster Gesellschaften" erkennen.
Diese "hohe Qualität" gefiel wohl auch im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) des CSU-Ministers Dr. Gerd Müller. Gerne ließ man sich in dessen Haus in den letzten beiden Jahren die "kommunale Zusammenarbeit mit der Ukraine" über 2,2 Millionen Euro kosten. Zum Vergleich: Städtepartnerschaften mit Russland waren der Bundesregierung 2018 dem gegenüber insgesamt ganze 72.000.- Euro wert.
Bürgermeister Sadowyi konnte sich allein für die Bandera-"Straße für Alle" eines Zuschusses in Höhe von ebenfalls 72.000.- Euro erfreuen. Presseanfragen beantwortete das BMZ hierzu bisher nicht. Allerdings äußerte sich auf Anfrage des Abgeordneten Andrej Hunko (Linke) die Parlamentarische Staatssekretärin Dr, Maria Flachbarth (CSU) bei einer Fragestunde (Frage 63, S. 9620) im Deutschen Bundestag zum Vorgang.
Sie bestätigte die Förderung des Bandera-Projekts durch den deutschen Steuerzahler. An der "Auswahl der Straße sei man jedoch nicht beteiligt gewesen", sagte sie und vermerkte, die Entscheidung sei deshalb auf die Straße gefallen, da dort "aufgrund erheblicher verkehrstechnischer und städtebaulicher Mängel dringender Handlungsbedarf gegeben war". Und: "Die Vorschläge zivilgesellschaftlicher Akteure seien einbezogen worden." Das erklärt "natürlich" die regierungsamtliche Mitwirkung an einem Projekt zur Ehrung des OUN- Führers.
Freiburg: "Hin und wieder negative Entwicklungen"
Städtepartner Freiburg im Breisgau sieht die laut Oberbürgermeister Martin Horn "hin und wieder negativen Entwicklungen" in Lemberg entsprechend gelassen. Was Bandera anlangt verweist der SPD- unterstützte Horn gerne auf den übergeordneten Oblast.
Probleme oder gar Berührungsängste mit seinem Bürgermeisterkollegen und Bandera- Fan Sadowyj hat auch er nicht. Das Denkmal für die SS-Division auf dem Lyčakivs’kyj-Friedhof könnte man dem Freiburger Oberbürgermeister beim nächsten Besuch dann schon mal zur Kranzniederlegung empfehlen.
Denn statt Kritik äußerte Horn den Wunsch, "die Partnerschaft weiter zu stärken und zu festigen". Wohl deshalb soll auch das anstehende 30igste Jubiläum im Jahr 2020 nach Angaben der Stadt kräftig gefeiert werden.
Für den Direktor des ukrainischen "Jewish Committee", Eduard Dolinsky, ist die Verherrlichung des Hitler-Fans Bandera jedoch das, was es tatsächlich auch ist: Nämlich "Ausdruck eines moralischen Verfalls" (Der Freitag, Nr. 6/ 18).
Für deutsche Regierungsstellen dagegen ist es völlig unhistorisch eben "nur" das Werk "zivilgesellschaftlicher Akteure" und für Oberbürgermeister ein Anliegen, "im Dialog zu bleiben". Ukrainische Faschisten dürften sich schenkelklopfend über so viel unbeeindruckten deutschen Zuspruch zum ausgeprägten "moralischen Verfall" im Land wie in Lviv freuen.