MD11- Crash der Swissair wirft Fragen auf

Sind selbst die sichersten Airlines nicht mehr sicher?

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Nur 26 Monate nach dem Absturz des TWA-Jumbos von New-York nach Paris im Juli 1996 bei dem 230 Passagiere ums Leben kamen hat sich erneut vor der amerikanischen Ostküste eine Flugzeugkatastrophe ereignet. Flugnummer 111 der Swissair von New York JFK nach Genf-Cointrin mit Endziel Zürich ist am 03. September mit 229 Personen an Bord, - darunter 14 Crew-Mitglieder - abgestürzt.

Von Augenzeugen wird berichtet, daß die unter HB-IWF "Vaud" immatrikulierte Maschine sehr tief flog, bevor sie um 02.28 vom Radarschirm verschwand und etwa 80 Kilometer südlich von Halifax bei Peggy's Cove (44.24N/063.59W) ins Meer crashte. Die Trümmerteile des Flugzeuges sind über ein weites Gebiet vor der Küste verstreut. Nach Swissair-Angaben www.swissair.ch ist Flug SR 111, ein Codesharing-Flug mit Delta Airlines, um 20.18 Uhr in New York gestartet und hätte um 09.30 in der Schweiz landen sollen. Es ist davon auszugehen, daß es keine Überlebenden gibt. Die Maschine mit Passagieren aus 14 Ländern war vorwiegend mit amerikanischen (137 Opfer), schweizerischen (41 Opfer), französischen (28 Opfer) sowie britischen Passagieren (6 Opfer) besetzt. Unter den Toten sind auch 3 deutsche Staatsbürger. In Atlanta bestätigte der Sprecher von Delta Airlines, Bill Berry, daß 53 Delta-Passagiere an Bord waren. Bisher sind etwa 60 Opfer aus dem 15 Grad kalten Wasser geborgen worden.

Versuch einer Notlandung

Diese größte Flugkatastrophe der schweizerischen Luftfahrt zeigt einmal mehr, daß auch die bisher sichersten Luftverkehrsgesellschaften, zu denen die Swissair gehört, nicht vor solchen Katastrophen gefeit sind. Die beiden Piloten funkten Probleme an die Kontrollstelle Moncton und wollten ursprünglich nach Boston ausweichen. Da die Situation jedoch schwieriger wurde, wählten die Piloten Halifax für eine Notlandung aus. Offensichtlich hat der Pilot, nachdem er eine Rauchentwicklung im Cockpit meldete, Treibstoff abgelassen. Die Rauchentwicklung dieses Absturzes wirft jedoch Fragen auf, die solange im unklaren bleiben werden, bis der Flugschreiber gefunden und ausgewertet ist. Zwar werden Notsituationen wie Rauch im Cockpit beim Simulator-Training geschult, jedoch gehören derartige Vorfälle zu den am schwierigsten beherrschbaren im Luftverkehr. Sollte die Rauchentwicklung im Cockpit zu stark gewesen sein, ist anzunehmen, daß die Landescheinwerfer keine Sicht nach außen ermöglichen konnten.

Da viele Passagiere Schwimmwesten anhatten, scheinen der 50-jährige Pilot Urs Zimmermann und sein 36-jähriger Co-Pilot Stefan Löw eine Wassernotlandung beim Anflug auf Halifax ins Kalkül gezogen zu haben. Wegen der Dunkelheit ist ein Abschätzen der Höhe bei einer Wasserlandung allerdings äußerst schwierig. Aufgrund der extrem kleinen Trümmerteile ist anzunehmen, daß die Maschine sehr hart auf die rauhe See geprallt ist. Eine Landung auf einer Wasseroberfläche birgt die Gefahr, daß ein Flugzeug nach dem Aufsetzen auseinanderbricht, wie die gefilmte Notlandung aufgrund Treibstoffmangels eines entführten äthiopischen Flugzeuges vom Typ B767 vor den Komoren im Jahr 1996 aufzeigte. Als die linke Turbine und die Flügelspitze die Wasseroberfläche berührten, überschlug sich die Maschine und brach sofort auseinander. Nur 50 der 175 Passagiere konnten die Notlandung im Wasser überleben.

Swissair-Abstürze

Der Unfall vom 03. September ist lediglich der 11. Unfall einer Swissair-Maschine seit dem 13. 12. 1950. Der Swissair-Unfall vor Neuschottland ist jedoch der folgenschwerste und der erste seit 19 Jahren. Die Airline hat 63 Flugzeuge im Einsatz, darunter 16 MD-11, die über 78 Länder anfliegen. Swissair gehört zur SAir-Gruppe, zu der neben der belgischen Sabena auch die Crossair sowie Catering- und Wartungsbetriebe gehören. Die seit 67 Jahren bestehende Swissair ist Partner in der Atlantic Excellence Allianz zusammen mit Delta Airlines, Austrian Airlines und Sabena. Mit über 40 Millionen Passagieren repräsentiert diese Allianz die 4-größte Airlines-Gruppe. Vor dem Unfall vom 03. September gab es 4 tödliche Unfälle mit der Swissair in 50 Jahren. 1979 schoß eine DC-8 in Athen über die Runway hinaus, wobei 14 Passagiere getötet wurden. Ein Terroranschlag von Palästinensern im Jahr 1970 führte zu einem Absturz einer Caravelle 990 bei Würenlingen mit 38 Opfern. 1963 führte ein Brand bei den Bremsen einer Caravelle in der Nähe von Dürrenäsch zum Tod von 80 Personen. Bei einem DC-3 Unfall im Jahr 1957 wurden neun Crew-Mitglieder am Bodensee bei Konstanz getötet. Auch nach dem jüngsten Absturz weist die Swissair ebenso wie die MD-11 eine außergewöhnlich gute Sicherheitsstatistik auf. Ab dem Jahr 2002 ist allerdings geplant die MD-11 bei der Swissair durch Airbus A-340-Maschinen, d.h. Maschinen der 4. Generation, zu ersetzen.

Die Unglücksmaschine

Bei der abgestürzten Maschine handelt es sich um eine MD-11, mittlerweile eine Boeing-Maschine www.boing.com, da der Hersteller McDonnell Douglas letztes Jahr von Boeing übernommen wurde. Insgesamt wurden bis Juli 1998 185 Maschinen dieses dreistrahligen Jets an 30 Airlines ausgeliefert und 195 Maschinen bestellt. Die Reichweite der MD-11 bei maximalem Abfluggewicht (273,3 Tonnen) beträgt 12.270 km mit 285 Passagieren. Normalerweise ist die Maschine mit General Electric CF6 oder Pratt & Whitney 4462-Triebwerken ausgestattet. Moderne Flugmanagementsysteme erlauben es, dieses Flugzeug mit 2 einem 2-Mann-Cockpit zu fliegen. Boeing gab dieses Jahr bekannt, daß es die Produktion der MD-11, die in Long Beach, Kalifornien produziert wird, bis zum Jahr 2000 mangels Kundennachfrage einstellen wird. Anders als ihre Vorgängerin, die DC-10, konnte sich die MD-11 aufgrund der Konkurrenz der B777-, A330- sowie A340-Flugzeuge am Markt nicht durchsetzen. Die MD-11 wurde am 30. Dezember 1986 als Produkt gelauncht, wobei der Erstflug am 10. Januar 1990 stattfand. Die erste Auslieferung einer Maschine dieses Typs war am 7. Dezember 1990. Der Kaufpreis für eine MD-11 ohne Ersatzteile beträgt circa 130-140 Millionen Franken. Die abgestürzte Maschine der Swissair wurde im August 1991 in Betrieb genommen und im August 1997 einer Großüberholung («heavy maintenance visit») bei der SR Technics unterzogen. Erst am 10. August 1998 wurde der letzten sogenannten A-Check durchgeführt.. Das Flugzeug hatte vor seinem Absturz nach Angaben eines Swissair-Sprechers 36 000 Flugstunden sowie 6 500 Starts und Landungen absolviert. Der einzige größere Zwischenfall mit einer MD-11 ereignete sich, als am Morgen des 31. Juli 1997 eine Cargo-MD11 von Federal Express während des Landeanfluges auf den Newark International Airport in New Jersey crashte, wobei die 5 Personen an Bord das Flugzeug jedoch verlassen konnten, bevor es zu brennen anfing.

Boing MD 11

Geht die Sicherheit im Luftverkehr verloren?

In seinem Ausmaß ist das Swissair-Unglück mit dem Birgenair-Absturz einer Boeing 757 vom 06.02.96 vor Puerto Plata zu vergleichen, bei dem 189 deutsche Passagiere ums Leben kamen. Auch damals gab es keine Überlebenden. Ursache des Birgenair-Unglücks war eine Falschanzeige eines Instrumentes im Cockpit, die zu einem Stall des Flugzeuges führte. Erst vor einigen Tagen, am 29.08.98 ist eine Tupolev 154M nach dem Start in Quito Ecuador nach dem Start abgestürzt, wobei 90 Menschen ums Leben kamen. Mit dem Swissair-Absturz sind dieses Jahr bei 27 tödlichen Abstürzen bereits 1028 Opfer zu beklagen. Zwar zählt das Jahr 1998 bisher noch zu den Jahren mit wenigen Toten im Luftverkehr, bedenklich stimmt jedoch, daß mit der Swissair eine der bisher sichersten Airlines von der Katastrophe betroffen ist.

Flugzeuge gehören weiterhin zu den sichersten Verkehrsmitteln, jedoch steigen in einer globalen Gesellschaft, in der sich der Luftverkehr in den nächsten 20 Jahren verdreifachen wird, die Risiken von Beinahezusammenstößen, Kontrollierten Flügen ins Gelände sowie auch von Bombenanschlägen weiter an. Für den Vorsitzenden der amerikanischen Flight Safety Foundation (FSF) Stuart Matthews könnten ohne überzeugende Gegenmaßnahmen, Flugzeugunglücke zu einem wöchentlichen Ereignis werden. Es is deshalb eine Notwendigkeit, Crews, Passagiere, sowie das Hilfspersonal am Boden immer besser auf Katastrophen vorzubereiten. Swissair und Delta Airlines haben sich sofort nach dem Absturz vorbildlich um die Angehörigen gekümmert und diese psychologisch betreut. Für Freitag ist ein Sonderflug für Angehörige nach Halifax geplant. Was am gestrigen Tag allerdings unangenehm auffiel, war die Stellungnahme des Swissair-Vorstandes Philippe Bruggisser, der den Absturz emotionslos in der Manier eines eiskalten Managers kommentierte. Wichtig in einer solchen Situation ist nicht, daß "die Swissair einen Kratzer abbekommen hat", wie er in einer Abendsendung des Schweizer Fernsehens SF1 ausführte, sondern daß den Angehörigen ohne wenn und aber geholfen wird, um deren tiefe seelische Wunden zu heilen. Auch wenn der Luftverkehr einem knallharten Wettbewerb unterliegt, wäre es angeraten, daß Manager mehr Anteilnahme zeigen.

Lesen Sie hierzu auch Flugsicherheit - eine permanente Herausforderung.

Zusätzliche Links zum Artikel:

  1. www.boeing.com
  2. web.inter.nl.net
  3. www.boeing.com
  4. www.cnn.com
  5. bst-tsb.gc.ca
  6. www.nzz.ch
  7. www.swissair.ch
  8. www.alpa.org