Macron bildet seine Regierung um

Seite 2: Grüne Wahlgewinner

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Das grün-linksliberale Bündnis EE-LV zählt zu den Hauptgewinnern dieser jüngsten Kommunalwahl, jedenfalls im großstädtischen Raum - wobei dabei vor allem die innerstädtischen Zonen "grün" wählen, jedoch wesentlich weniger die Peripherie der urbanen Zentren und auch kaum die Kleinstädte.

EE-LV gewann so die Rathäuser mehrerer ziemlich einwohnerreicher Städte wie Strasbourg/Straßburg, Lyon, Besançon, Annecy, Tours, Poitiers und Bordeaux. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich dabei um Bündnisse mit der Sozialdemokratie und anderen Parteien der linken Mitte, bisweilen auch politischen Kräften weiter links. Außer beispielsweise in Lyon und Straßburg, wo die genannten Parteien im ersten Wahlgang nebeneinander antraten, bündelten sie ihre Kräfte oft schon in der ersten Runde und überließen die Spitzenkandidatur EE-LV.

Im nordfranzösischen Lille trat EE-LV dagegen in der ersten und der zweiten Runde gegen die sozialdemokratische langjährige Amtsinhaberin Martine Aubry (frühere Arbeitsministerin) an und scheiterte dabei, allerdings mit 40,0 % in der Stichwahlrunde für Aubry und 39,41 % für die grüne Liste unter Stéphane Baly nur knapp. In Rouen, Rennes und Nantes blieb EE-LV in der ersten Runde, zum Teil wider Erwarten, hinter der Sozialdemokratie zurück.

Dabei verbirgt sich hinter dem Parteietikett von EE-LV jedoch je eine unterschiedliche soziale und politische Realität. In Bordeaux beispielsweise, wo EE-LV von Anfang an mit einer örtlichen, reichlich konservativen Sozialdemokratie im Bündnis antrat, kann man ihre Liste unter dem künftigen Bürgermeister Pierre Hurmic ohne Irrtumsrisiko als weder sonderlich links noch irgendwie systemkritisch einstufen.

Zumal es in Bordeaux, das ist eine örtliche Sondersituation, noch eine Kandidatur erheblich links von ihr gab: Die erklärtermaßen antikapitalistische Liste des Ford-Arbeiters, früheren Präsidentschaftskandidaten und undogmatischen Trotzkisten Philippe Poutou - die auch von den örtlichen Anhängern des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon unterstützt wurde - erhielt dort ihrerseits 9,4 % der abgegebene Stimmen.

Völlig anders liegt da etwa die Situation im westfranzösischen Poitiers. Dort trat die grün geführte Liste Poitiers collectif als Alternative sowohl zu LREM als auch zur Sozialdemokratie, die beide neben ihr in die Stichwahl einzogen, an. Auf ihr kandidierten auch aktive Mitglieder von Bürgerinitiativen, Feministinnen, Kommunisten, junge Aktivistinnen sozialer Bewegungen. Nun stellt sie mit Léonore Moncond’huy die 30 Jahre junge, künftige Bürgermeisterin.

Poitiers, rund 90.000 Einwohnerinnen und Einwohner, war seit 43 Jahre ohne Unterbrechung durch die Sozialdemokratie regiert worden, die in ihrer örtlichen Variante weitgehend eine Ausprägung von gesellschaftlichem Konservativismus darstellte. Die Realität, für die in diesem Kontext die landesweit als "grün" etikettierte siegreiche Liste in Poitiers steht, ist eine ziemlich andere als jene, welche überwiegend bürgerliche Grüne in Bordeaux oder Straßburg verkörpern.

Unstrittig ist, dass das Votum relativ breiter städtischer Schichten für als "grün" eingestufte Listen mit der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung von Themen wie der Klimakatastrophe zusammenhängt. Dieser Ausdruck von Inhaltswünschen durch die Wählerschaft ist zunächst einmal ohne Abstriche zu begrüßen.

Hochspannung in Marseille

Spannend wird es an diesem Samstag in Marseille. Dort nämlich gewann ebenfalls eine grün angeführte (Bündnis-) Liste am 28. Juni die Stimmenmehrheit in der Stadt. Diese übersetzt sich allerdings nicht notwendig in eine Sitzemehrheit, da die Stadtoberhäupter in Marseille nicht direkt, sondern indirekt - durch die vom Stimmvolk gewählten Bezirksversammlungen - gewählt wird. Dabei kommt es zu Verzerrungen, in nicht ganz so krassem Ausmaß wie etwa durch das Wahlmännersystem in den USA, aber dennoch spürbar.

Im zweiten Wahlgang genügt eine relative Mehrheit, wenn mehr als zwei Listen dazu antraten. Dabei gewann in der Millionenstadt die Kandidatenliste des Printemps marseillais ("Marseiller Frühlings"), der Allianz aus Grünen und mehreren Linksparteien sowie Bürgerinitiativen, unter ihrer Spitzenkandidatin - der in einem Armenviertel arbeitenden Ärztin und Feministin Michèle Rubirola (63) - stadtweit 38,3 %. Das Bündnis der bürgerlichen Rechten unter Führung der konservativen Partei LR erzielte 30,75 %.

Eine Abspaltung von der Sozialdemokratie unter Samia Ghali, der oft eine auf Klientelismus basierende Politik in bestimmten (ärmeren) Stadtteilen vorgeworfen wird, erhielt in der Stichwahl noch knapp drei Prozent und eine Abspaltung von LR auf rund sechs Prozent. Die neofaschistische Liste des Rassemblement National (RN), politisch von den anderen Parteien weitgehend isoliert, unter Stéphane Ravier kam ihrerseits auf 20,3 %.

Nach normalen Wahlregeln, wie sie in den meisten Kommunen gelten, müssten Michèle Rubirola und der "Marseiller Frühling" damit im Rathaus regieren können. Doch im Laufe der Wochen begannen die Konservativen, die Marseille seit 1995 regierten und denen (wie zuvor auch der ab 1953 im Rathaus herrschenden Sozialdemokratie) ein weitverzweigtes Korruptionssystem vorgeworfen wird, sich dieser Perspektive zunehmend zu versperren.

Durch Bündnisse mit einzelnen Abgeordneten glauben sie, auf eine Pattsituation von 42 zu 42 Mandaten zu kommen und, so erklärte die Marseiller konservative Rechte es auch öffentlich, durch eine Sonderregelung des Wahlrechts am Hebel zu bleiben. Dieses sieht vor, dass bei einem Stimmenpatt der oder die älteste Bewerber/in für den Chefsessel im Rathaus gewinnt. LR-Spitzenkandidatin Martin Vassal zog sich deswegen im Lauf der Woche zurück, um den 75jährigen Guy Teyssier - vom rechten Flügel ihrer Partei - zu nominieren, auf dass dieser kraft des Alters-"Arguments" obsiege.

Allerdings kompliziert sich die Situation mittlerweile noch dadurch, dass nun auch ein weiterer bürgerlicher Kandidat auftritt, Lionel Royer-Perreaut, der den Spitzen seines eigenen konservativen Lagers vorwirft, hinter den Kulissen ein Abkommen mit den Neofaschisten unter Stéphane Ravier anzustreben.

Unterdessen bleibt auf der Linken im engeren oder weiteren Sinne unklar, wie sich die als mitunter unberechenbar geltende Samia Ghali genau positionieren wird. Kurz: Die Stadtratssitzung am Samstag in Marseille weist einigen Sprengstoff auf…