Macron stimmt einfache Franzosen auf Verzicht ein

Screenshot der Rede Macrons. Video, Élysée-Palast

"Keine Schwäche und keine Kompromissbereitschaft" will der französische Präsident gegenüber Russland zeigen. Angereichertes russisches Uran wird aber weiter importiert - Über ein "energiesouveränes" Land in Nöten.

Es geht kaum noch widersprüchlicher. Da hat der französische Präsident Emmanuel Macron Anfang der Woche populistisch auf Unnachgiebigkeit gegenüber Russland gemacht. Man dürfe "keine Schwäche und keine Kompromissbereitschaft" gegenüber Russland zeigen, denn es gehe "um unser aller Freiheit und um den Frieden in allen Teilen der Welt", sagte er in einer Videobotschaft zur virtuellen Gipfeltreffen der Krim-Plattform am vergangenen Dienstag.

Frankreich werde "die gewaltsame Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 nicht anerkennen", führte er weiter aus. Man bleibe "mehr denn je der Souveränität der Ukraine in ihren anerkannten Grenzen verpflichtet", fügte er an. Er ging so weit, dass er glaubt, für alle Europäer sprechen zu können. Wir seien bereit, den "Kampf der Ukraine auf Dauer" zu unterstützen.

Fässer aus Russland

Der eklatante Widerspruch zu diesem Aussagen ließ keine 24 Stunden auf sich warten. Da wurde die Abhängigkeit "Atom-Frankreichs", das sich energiesouverän glaubte, hat von Russland deutlich. Greenpeace hat einen neuen Transport von angereicherten Uran aus Russland aufgedeckt.

Sarkastisch weist die Umweltschutzorganisation darauf hin, dass offensichtlich bestimmte Bereiche davon ausgenommen werden sollen, den "Preis für die Freiheit" zu zahlen, von dem Macron gesprochen hatte.

Frankreich würde weiter "massiv Kernbrennstoff aus Russland" importieren, so Greenpeace. Im Hafen von Dünkirchen seien 52 Fässer (vom Typ 30B) mit angereichertem Uran angeliefert worden. Sie seien, aus St. Petersburg kommend, mit dem Frachtschiff Mikhail Dudin geliefert worden und anschließend wurden sie auf Lastwagen verladen.

Ziel seien Atomanlagen im Rhone-Tal. Greenpeace hat auch Fotos von der Anlieferung veröffentlicht. Der französische Greenpeace-Experte für Nuklear-Sicherheit Yannick Rousselet erklärte zu dem Vorgang:

Während Emmanuel Macron schöne Reden über die Bemühungen zur Unterstützung der Ukraine hält und sich einer harten Haltung gegenüber Russland rühmt, setzt die französische Atomindustrie ihr Business as usual in aller Stille fort.

Yannick Rousselet

Er fordert, dass die französische Atomindustrie keinen Freipass erhalten sollte, um ihren Handel mit Russland fortzusetzen. "Diese skandalösen Importe müssen sofort eingestellt werden."

Schon im März hatte Greenpeace herausgearbeitet, dass die französische Atomindustrie ein guter Verbündeter von Russland ist und hatte die Verflechtungen zwischen der französischen und der russischen Atomindustrie auf allen Ebenen aufgezeigt.

Die Kette reicht vom Uranabbau bis zur Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente, vom Bau der Kraftwerke bis zu ihrem Betrieb. So ist es doch reichlich heuchlerisch, von anderen zu verlangen, dass sie Verzicht leisten sollen, wenn man seinerseits die Geschäfte einfach weiterlaufen lässt.

Die französische Energiekrise

Das ist aber nur ein weiterer Aspekt in der absurden Atomkraft-Sackgasse, in die sich Frankreich sehenden Auges seit mindestens zwei Jahrzehnten manövriert hat. Am gestrigen Freitag mussten in der Spitze schon 10 Gigawatt Strom aus dem Ausland importiert werden, weil die Mehrzahl der 56 Atomkraftwerke ausgefallen sind oder wegen fehlendem Kühlwasser herunter geregelt werden mussten. Sie können nun nicht einmal mehr 23 Gigawatt produzieren.

Es kommen immer schlechtere Nachrichten aus dem Sektor. Mindestens vier Meiler bleiben wegen Korrosionsproblemen noch länger abgeschaltet als bisher geplant, räumt der abstürzende Kraftwerksbetreiber EDF ein, der nun wegen Problemen an allen Ecken und Enden vollständig verstaatlicht werden muss.

Sie sollen, da die Stromlücke im Winter besonders groß ist und Frankreich bis zu 102 Gigawatt benötigt, sukzessive im Winter wieder ans Netz gehen, Penly 1 als letzter Meiler am 23. Januar. So ist es bisher geplant, ob das und unter welchen Sicherheitseinbußen geschieht, ist unklar. Es ist jedenfalls eher besorgniserregend, dass die Korrosions-Überprüfungen von weiteren Meilern nun sogar bis 2025 gestreckt werden sollen.

Diese "Kontrollstrategie" der EDF hat die Atomaufsicht (ASN) der EDF kürzlich genehmigt. Es ist fatal, wie wir kürzlich auch im Fall des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja aufgezeigt haben, dass man gefährliche Kraftwerke nicht einmal herunterfahren kann, wenn sie beschossen werden, weil man völlig von deren Atomstrom abhängig ist.

Die Situation in Frankreich ist inzwischen so tragisch, dass Macron seine Landsleute auf massiven Verzicht einstimmen muss: "Der Rückgang der Kaufkraft und die Gefährdung der Energieversorgung wegen des Ukraine-Kriegs stehen im Zentrum seiner Agenda", bemerkt die Schweizer Neue Zürcher Zeitung, (NZZ) zum "düsteren" Ton, den Macron nun anstimmt.

Man kann den Atomfreunden in der Züricher Redaktion hier nun wirklich vorwerfen, Fake zu verbreiten. Die Energiesituation in Frankreich hat mit dem Ukraine-Krieg rein gar nichts zu tun. Dass Frankreich sich bei Kernbrennstoffen auch weiter in Russland bedient, macht das auch unmissverständlich deutlich.

In Frankreich hat auch vor dem Krieg regelmäßig im Winter der Blackout gedroht. Die Blackout-Gefahren sind nun immer größer geworden, weil man einseitig auf Atomkraft gesetzt hat, aber es seit 15 Jahren nicht schafft, den "neuen" EPR in Flamanville ans Netz zu bringen.

Risse im altersschwachen Atompark und fehlendes Kühlwasser kann man kaum dem Krieg zuschreiben. Der dient vor allen denen als Ausrede, die seit langem durch eine unverantwortliche Politik auffallen, wie die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) Lagarde, die zentral für die hohe und steigende Inflation verantwortlich ist.

Während des ersten Treffens des Kabinetts erklärte Macron in einer Mittwoch live übertragenen Rede: "Wir erleben seit mehreren Jahren das Ende des Überflusses: des Geldes ohne Kosten, des Angebots an Produkten und der scheinbar ewig verfügbaren Technologien."

Es ist angesichts der wachsenden Armut auch in Frankreich nur noch weltfremd, wenn er seinen Landsleuten entgegenhält: "Die Zeit der Sorglosigkeit ist vorbei.".

Das dicke Ende

Der linke Jean-Luc Mélenchon erklärt dazu richtig, dass sich Macron wohl nicht vorstellen könne, wie "verletzend" diese Worte für mindestens neun Millionen arme Menschen im Land sind, die nun unter einer hohen Inflation besonders leiden. Diese Menschen lebten keinesfalls im "Überfluss". Mélenchon prangerte die Krisenprofiteure an, die die Krise nutzen würden, um noch reicher zu werden.

Macron sei sich der Bedeutung seiner Worte nicht bewusst, "denn für seine reichen Freunde geht der Überfluss weiter", kritisiert Mélenchon. "Er will nicht, dass die Krisenprofiteure besteuert werden, diejenigen, die Millionen auf Kosten der Covid-Krise und der Inflation angehäuft haben."

Nun kommt also das dicke Ende, vor allem für die breite Bevölkerung. Die Wahlkämpfe im Wahljahr 2022 sind vorbei und nun wird Macron den Franzosen die Rechnung seiner fatalen Politik präsentieren. Vor den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr wurden die Gas- und Strompreise gedeckelt und dann folgte auch die Subventionierung der Spritpreise mit der Gießkanne.

Es kann aber wie erwartet nicht lange funktionieren, wenn man den Franzosen den Strom billig verkauft, um das Märchen vom angeblich billigen Atomstrom aufrecht zu erhalten, und dabei den Strom extrem teuer international einkauft.

Damit wurde nur der schon zuvor hoch verschuldeten EDF der Todesstoß verpasst, die deshalb mit all ihren Schulden nun vom Staat übernommen wird. Die EDF fordert aber zuvor mehr als acht Milliarden zum Ausgleich, die vom einen Staatssäckel in den anderen fließen und die Staatsverschuldung hochtreiben.

Das gilt auch für die vermutlich 24 Milliarden, mit denen der Staat die verbleibenden 16 Prozent der Aktien für den Aufkauf der Aktien aufbringen muss. Damit werden Firmen wie Blackrock herausgekauft. Denn real wären die Aktien der Absturzfirma nichts mehr wert, wenn der Staat für sie nicht garantieren würde.

Die Staatsschulden wachsen und wachsen und auch deshalb macht die französische Lagarde aus der EZB diese inflationstreibende Geldpolitik, um die Staatsschuldenkrise weiter herauszuschieben. Die wird Frankreich über kurz oder lang aber aufgetischt bekommen, wenn es nicht endlich das Ruder herumreißt.

Algerien soll die Lücke schließen

Händeringend sucht Macron nun nach Ersatz für seine erratische Energiepolitik. Und statt nun endlich auf erneuerbare Energien zu setzen, um schnell die wachsende Stromlücke zu schließen, ist er auf der Suche nach Energie nun in Algerien zu Besuch. An dieser Stelle wurde schon vom Run auf Algerien-Gas berichtet. Beim Wettlauf, den der Italiener Mario Draghi schon gewonnen hat, macht nun aber auch Macron mit.

Gleich drei Tage wird er sich in der ehemaligen Kolonie aufhalten und welche Bedeutung bei dem Besuch der Energie- und Gasfrage zukommt, zeigt sich schon an der Tatsache, dass der Delegation auch die Generaldirektorin des Energiekonzerns Engie angehört.

Einfach wird er es nicht haben, da er es sich im vergangenen Herbst in der ehemaligen Kolonie verscherzt hat. Er sprach von einem "politisch-militärischen" System und fügte an: "Die algerische Nation zehrt seit 1962 von einer Erinnerung, in der es heißt: Frankreich ist das Problem", sagte er im vergangenen Oktober.

Er setzte sogar in typischer Manier der Kolonialherren noch einen drauf und bezweifelte, ob Algerien vor der blutigen französischen Kolonialzeit jemals eine Nation gewesen sei.

In Algier bittet nun Macron darum, eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Es gehe "um eine neue Seite unserer bilateralen Beziehungen" und bietet deshalb auch an, die Kolonialgeschichte aufarbeiten zu wollen. Der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune machte auch gegenüber Frankreich klar, dass das Land nicht in einen Topf mit Russland gesteckt werden will.

Tebboune betonte, dass die Beziehungen auf allen Gebieten ausgebaut werden sollten, unter anderem im Bereich Handel, Technik und Kultur. Dort, wo es gemeinsame Interessen gebe, werde eine verstärkte Kooperation angestrebt, fügte er an. Er hoffe, dass sich ein neues Kapitel öffne in der Zusammenarbeit zwischen Algerien und Frankreichs öffne.

Damit ist klar, dass demnächst auch verstärkt billiges algerisches Gas nach Frankreich geliefert wird. Spaniens hat dabei erneut das Nachsehen, denn dessen Regierung behauptet absurd, Algerien habe sich auf die russische Seite geschlagen. Dabei hat Algier mit dem Abbruch der Handelsbeziehungen nur darauf reagiert, dass sich Spanien auf die Seite Marokkos geschlagen und die völkerrechtswidrige Besatzung der Westsahara anerkannt hat.

Zudem beliefert Spanien nun auch Marokko noch mit Gas, was zum kompletten Abbruch der Gaslieferungen nach Spanien führen könnte. Dann könnten Gasschiffe, die bisher noch Spanien anlaufen, alsbald französische Häfen beliefern.

Dass Gas über den unsicheren Kantonisten Spanien liefern zu lassen, indem die MidCat-Pipeline über die Pyrenäen hinweg fertiggebaut wird, ist offenbar nicht im Sinne von Paris. Denn über die steigenden Spannungen zwischen Madrid und Algier könnten dann auch die Gaslieferungen nach Frankreich wieder in Frage gestellt werden. 2019 wurde die Pipeline vor allem auf spanische Initiative gestoppt, wegen des Dauerkriegs mit dem abtrünnigen Katalonien.

Dort ist die Röhre von der größten Regasifizierungsanlage im Hafen von Barcelona schon bis an den Rand der Pyrenäen verlegt. Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz die Fertigstellung gefordert hatte, hat Madrid sein Veto aufgegeben, wenn das Projekt aus Brüssel bezahlt wird.

Doch nun blockiert Macron die aus ökologischer Sicht umstrittene Fertigstellung, wie man aus Brüssel erfahren kann.