Madrid nun doch wieder im Alarmzustand
Nachdem die Regionalregierung die Covid-Abriegelung vor dem langen Wochenende über ein Gericht kippen ließ, griff die Zentralregierung zur Notbremse, um zu verhindern, dass das Virus aus dem Hotspot ins gesamte Land getragen wird
Wie Telepolis gestern berichtete, war es der rechten Regionalregierung von Madrid am Donnerstag über ein Gerichtsurteil gelungen, die von der spanischen Zentralregierung verhängten Abriegelungen in der Hauptstadtregion zu kippen. Doch etwaige Pläne der fast fünf Millionen von den Maßnahmen betroffenen Menschen, nun doch über das lange Wochenende ins ganze Land auszuströmen, wurden von der sozialdemokratischen Zentralregierung durchkreuzt.
Die spanische Regierung hat in aller Eile am Freitagnachmittag den Alarmzustand mit sofortiger Wirkung dekretiert. Betroffen sind neben der Hauptstadt weitere acht Städte im Umland. Allein Alcalá de Henares wurde aus der bisherigen Liste ausgenommen. Dort hat sich die Lage nach Ansicht des Gesundheitsministeriums gebessert. Die Zahl der neu registrierten Covid-Infektionen ist unter die willkürlich festgelegte Marke von 500 in den letzten 14 Tagen gesunken, die zwischen Regionalregierungen und der Zentralregierung vereinbart worden war.
Im Durchschnitt kommt die Hauptstadt Madrid nach neuen Zahlen des Gesundheitsministeriums auf 611 Fälle. Die Zahl geht aber wie in Parla weiterhin zum Teil bis auf fast 900 hoch.
Auf einer Pressekonferenz sagte Gesundheitsminister Salvador Illa, man habe zu der Maßnahme greifen müssen, da Madrid lange Zeit nicht gehandelt habe. An den bisherigen Maßnahmen ändere sich nichts, nur habe sich die Rechtsgrundlage geändert, erklärte Illa. Dass es sich um einen "politischen Krieg" gegen die Hauptstadtregion handelt, in der rechte Parteien mit Unterstützung der rechtsradikalen Vox regieren, wie dies die Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso behauptet, ist an den Haaren herbeigezogen. Das beschreibt viel eher ihr Vorgehen. Praktisch alle betroffenen Städte, mit Ausnahme der Hauptstadt, werden von Sozialdemokraten regiert. Und die beschweren sich zum Teil mächtig über das Vorgehen der Ayuso-Regierung.
Gemäß dem zwischen Regionalregierungen und Zentralregierung ausgehandelten Kompromiss sollen Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern abgeriegelt werden, wenn die 14-Tage-Inzidenz über 500 liegt. Dazu muss die Zahl der positiven Tests über 10% liegen, was auf eine hohe Dunkelziffer schließen lässt. Zudem müssen die verfügbaren Betten auf Intensivstationen mit mehr als 35% mit Covid-Patienten belegt sein.
Auf dieser Basis sind auch Leon und Palencia abgeriegelt. Letzteres hätte die Maßnahme umgehen können, da Palencia nicht auf 100.000 Einwohner kommt. Interessant ist auch, dass die Stadt und die Region von den Rechten regiert wird, die sich dort aber nicht dem Kurs von Ayuso angeschlossen haben.
Spanische Zahlenspiele
In Madrid rechnet man schlechte Zahlen auch gerne schön. Lange wurde wenig getestet, womit auch das Auswärtige Amt an der Nase herumgeführt wurde, das lange keine Reisewarnung für Madrid im Sommer ausgesprochen hatte. Auch derzeit ist die Art, wie in Madrid getestet wird, mehr als fragwürdig. Ausgerechnet enge Kontakte von festgestellten Neu-Infektionen werden seit einiger Zeit nicht mehr getestet, um die Zahlen aufzuhübschen.
Kürzlich behauptete die Ayuso-Regierung eine Belegung mit Intensivpatienten von 36%. Real lag sie aber schon über 100%, weshalb Experten von einem "ernsthaften Gesundheitsnotstand" sprachen und sich auf die realen Daten der Ärzte aus den Krankenhäusern bezogen. Die Regionalregierung hatte einfach alle Betten zu Intensivbetten erklärt, bei denen ein Beatmungsgerät angeschlossen werden kann.
Politisch dürfte Ayuso mit ihrem Vorgehen allerdings gepunktet haben. Sie kann nun den schwarzen Peter ganz den Sozialdemokraten (PSOE) und der sie unterstützenden Linkskoalition "Unidas Podemos" dafür zuschieben, dass den Menschen das verlängerte Wochenende bis zum Tag der Hispanidad (früher auch Tag der Rasse) verhagelt wurde. Dabei hat sie die Zentralregierung immer wieder mit einer Verzögerungstaktik vorgeführt, die die einseitige Ausrufung von Maßnahmen - wie der Abriegelung vor einer Woche und dem Alarmzustand jetzt - verhindern wollte.
Ayuso spielt sich jetzt als Verteidigerin der Freizügigkeit auf, dabei hat sie auch diese Katastrophe zu verantworten, die massive Einschnitte nötig macht. Hätte Ayuso frühzeitig reagiert, hätten drastische Maßnahmen verhindert werden können. Das haben einige Regionen wie Katalonien genauso gezeigt wie Portugal im Umgang mit der Hauptstadtregion im Juli.
Mit begrenzten Maßnahmen hat man die Lage in den Griff bekommen. Ayuso hätte längst für den "Horror" im Frühjahr zurücktreten müssen, als man Tausende alte Menschen, die über keine Privatversicherung verfügten, einfach nicht mehr behandelte und sterben ließ.
Fernsehbilder zeigen nun auch, dass es die Zentralregierung nun ernster nimmt, die Abriegelung durchzusetzen. Denn bisher wurden die Menschen aus der Hauptstadt kontrolliert, ob sie eine erlaubte Begründung haben, um die Stadt zu verlassen (Arbeit, Arztbesuch…), aber sie konnten ohne jede Kontrolle über den Flughafen in andere Regionen oder ins Ausland fliegen.