Mali: (K)ein "Eklat" bei der Uno

Bundeswehr in Timbuktu (2017) Bild: Defensie Magazin, Niederlande/CC0 1.0

Russlands Angriff auf die Ukraine: Vielstimmige Debatte in UN-Generalversammlung, von Berichterstattung eingedampft – Zeichen einer zunehmenden Verachtung der Diplomatie. Von Mali wird anderes erwartet, weil die Bundeswehr dort hilft?

Zum Jahrestag des russischen Angriff auf die Ukraine hat die UNO-Generalversammlung mit einer großen Mehrheit von 141 Stimmen einer u.a. von Deutschland vorbereiteten Resolution zugestimmt, die den russischen Angriff verurteilt.

Nur sieben Staaten stimmten gegen die Resolution, während sich 32 enthielten. In Deutschland wird das Abstimmungsergebnis insgesamt als Erfolg bewertet. Angesichts des klar völkerrechtswidrigen Charakters des russischen Vorgehens hätte das Ergebnis vielleicht auch eindeutiger ausfallen müssen und können, wenn sie etwas weniger parteilich formuliert gewesen wären.

Verschiedene Regierungen haben die Gründe dargelegt, warum sie nicht oder trotz Bedenken zugestimmt haben. Südafrika etwa begründete seine Enthaltung damit, dass die Forderung nach einer Beendigung der Feindseligkeiten mit einem massiven Zustrom von Waffen verbunden sei und keine konkreten Vorschläge für eine Lösung des Konflikts enthalten seien.

Brasilien hingegen stimmte zu, stellte aber klar, dass es die "Beendigung der Feindseligkeiten" als Forderung an beide Seiten ohne Vorbedingungen versteht. Bemerkenswert war v.a. die Erklärung der Vertreterin Costa Ricas, die einen Aspekt besonders hervorhob:

Viele Staaten haben nicht erkannt, dass die kontinuierliche Erhöhung der Rüstungsausgaben in Verbindung mit technologischen Fortschritten des militärisch-industriellen Komplexes die Entwicklung noch mächtigerer und fortgeschrittener Waffensysteme befördern, darunter auch Künstliche Intelligenz und Autonome Waffensysteme.

Georgina Guillén Grillo

Obwohl dies sicherlich zumindest auch als Warnung an die westlichen Regierungen gerichtet war, welche die Ukraine umfangreich mit Waffen und Technologie unterstützen, stimmte Costa Rica der Resolution zu, die das Land selbst mit eingebracht hatte.

So weit, so diplomatisch. Und so vielstimmig war die Debatte in der UN-Generalversammlung über die Resolution zum Jahrestag des russischen Angriffs. Eine Vielstimmigkeit, die in der deutschen Politik und Berichterstattung gerne ausgeblendet und auf ein Wer-nicht-für-uns-ist-ist-gegen-uns eingedampft wird.

Alleine das ist schon Ausdruck einer zunehmenden Verachtung der Diplomatie und der Uno, die letztere eben nur noch als Bühne wahrnimmt, um vermeintliche Geschlossenheit zu demonstrieren oder vermeintliche Skandale zu inszenieren.

So schreiben der Deutschlandfunk und spiegel.de unter der gleichlautenden Überschrift "Nach Eklat bei Un-Abstimmung" von eben einem solchen "Eklat", der jenseits des deutschen Blätterwaldes und insbesondere bei der Uno selbst überhaupt nicht als solcher wahrgenommen wird.

Der besondere Fall: Die Souveränität Malis, die von der Bundeswehr beschützt wird

Gemeint ist das Abstimmungsverhalten Malis, das unter jenen sieben Staaten war, welche die Resolution abgelehnt hatten. Bei den anderen Staaten wird dies nicht als Eklat wahrgenommen, wohl aber bei Mali, weil sich dort die Bundeswehr an einer UN-Mission beteiligt, die das explizite Ziel verfolgt, die Souveränität und territoriale Integrität des Landes zu verteidigen.

Zu dieser Souveränität gehört eigentlich auch die Freiheit ihres Abstimmungsverhaltens in der Generalversammlung und die – im Falle der Ukraine ja immer wieder betonte – Bündnisfreiheit. Werden diese Freiheiten jedoch auf eine Art genutzt, welche den eigenen Interessen widerstrebt, so scheint es, verliert die Gewährleistung von Souveränität ganz schnell an Relevanz.

So werde "nach Spiegel-Informationen ... sowohl im Verteidigungsministerium als auch im Außenamt offen hinterfragt, ob Deutschland noch ein weiteres Jahr mit der malischen Regierung kooperieren kann … Mit dem Nein gegen die Resolution sei Mali vielmehr endgültig Mitglied im Klub der letzten Russland-Unterstützer wie Belarus, Nordkorea, Eritrea, Nicaragua oder Syrien, hieß es unter Fachleuten in beiden Ministerien".

Allerdings hatte die Bundesregierung sich bereits ziemlich festgelegt, dass die Bundeswehr bis Mai 2024 ihre Beteiligung an der UN-Operation in Mali beenden wird. Sowohl Spiegel wie der Deutschlandfunk deuten in ihren Beiträgen zum vermeintlichen "Eklat" bei der Uno an, dass der Einsatz nun genau deshalb früher beendet werden könnte – was aber die zahlreichen angeführten Zitate zur Sinnlosigkeit des Einsatzes genau genommen gar nicht hergeben.

Viele dieser Zitate sind älter als der vermeintliche Eklat. Insofern ist die Überschrift "Nach Eklat bei Uno-Abstimmung" klar irreführend.